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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 1.1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.8036#0028
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Der Landelsvertrag mit Rußland biotet auch manchen rnust-
gewerblicheu Zweigen Lrleichterungen; es betrisft dics die folgenden
(wo uns die betreffenden Zahlen bekannt geworden sind, fügcn wir
den neuen und den alten Zollsatz — vom Iahr ;8I; -- in Alamntern
bei): Tischler-, Drechsler-, Schnitzarbeiten, Bernstein; Töpferwaaren
(0,25; o,ZO), Thonxlatten, Gfenkacheln, Steingutkrüge unbcmalt (0,20;
o,Zo), Geschirr, verzinnt, bemalt, vcrgoldet (o,so; 0,75), buntfarbige
Thonplatten, glasirt mit Relief (0,50; 0,7S), dieselbon vergoldet (t,so;
3,75), Fayeneen mit einfarbigen Mustern, aber nicht in der Masse ge-
färbt (t,2s; t,^o), dioselben mit Malerei (s,so; s,7S), lNajolika, Glas,
Glaswaaren; Goldarbeiten jeder Art, Iuwelierarbeit u. s w. (Z5,2o;
-t-t,00), Fabrikate aus Aupfer, Britannia Metall, Zinn; Nhren, deren
Werk untrennbar mit dem Gehäuse verbunden ist, untcrliegen dem
Gewichtszoll sür das Gehänsematerial nnd außerdem eincm Stücktoll
von so Aopekcn Gold für jedes Werk; Pianinos (per Stück s-t; so),
andere lNusikinstrumonte, sowie Zubchör (pro Pfund o,;o; 0,20). Auf
Grund der lNeistbegünstigungsklausel kommen dem deutschen Kunst-
gewerbe auch die Tarifsätzo aus dem russisch-französischen lhandels-
vertrag von t8YZ zugute. 6.

tNarkenichUtz. Ein Gesetzentwurf von großer wirthschaftlicher
Bedeutung, welcher in seltenem Ntaße allgemeine Anerkcnnung ge-
funden hat, ist derjenige über den Schutz der Waarenbezeichnnngen.
Der Lntwurf dürfte dem Reichstag in nächster Zeit zugchen. Don
weiteren Gesichtspunkten ausgehend, dürfte er der unlauteren Aon-
kurrenz wenigstens besser, als bisher möglich war, abhelfen. Tiner
der Oorzüge gegenüber dem bisherigcn Zustand wird in der Zentrali-
sation des Markenschutzwcscns beruhen. Bisher werden die Schntz-
marken bei den lokalen Gerichten angemeldet. Späterhin wird der
Schutz im s>atcnt-Amte ertheilt werden. Wenn dioser Gedanke zur
Derwirklichuiig gekommen sein wird, so wird das jdatent-Amt die Leit-
ung des gesammten, aus dem gewcrblichen Ligenthumsrechte her-
rührenden Schutzes in der löand haben, bis auf don Geschinacks-lTtuster-
schutz. Bei diesem muß auch später noch die ljintorlegung der Muster
bei den Linzelgerichten erfolgen. Vb sich hierin bald eine Aenderung
wird herbeiführen lassen, ist nicht sicher. Iedenfalls wird dcr lvaaren-
bezeichnnngsschntz dnrch die Zentralisation im jdatentamte eine starke
Förderung erfahren.

von „Maschinen-Nolz-Schnitzereien", über deren lserstcllung die
„Deutsche Bauzeitung" berichtet, nchmen wir nur mit lviderstreben
Notiz, weil eine durch lNaschinenarbeit entstandene Schnitzerei nicmals
künstlerisch befriedigen wird. Bei der, von einem Dentsch-Amerikaner,
Or. L. L. Goehring in Alleghany (Pensylv.) erfundenen „geomet-
rischen Schnitzmaschine" handelt es sich darum, „in regelmäßigen Rap-
porten sich wiederholende Schnitzereien nach geometrischen lllnstern zu
lieforn", welche insbesondcre für lvand- und Deckenbekleidungcn, Thür-
umrahmungen u. Aehnl. verwendet werden sollen. Die lllaschine
stellt dio mit den mannichfachsten lNustern versehenen ltehlleisten in
jeder Form und Größe mit derselben Geschwindigkeit wie eine gewöhn-
liche Achlmaschine her. Den Alleinvertrieb dicser ltehlleisten hat die
Firma Lhr. ltülkcn, Geestemünde. O.

Aluminium. Die Aliiminium-Industrie-Aktiengesellschaft zu Neu-
hausen in der Schweiz gibt bekannt, daß vom Ianuar ^8yq> ab das
llletall für s Fr. pro ÜA. erhältlich ist. Bci dieser preisherabsetzung
steht eine weitcre Ausbreitnng in der verwendung des Aluminiums
in Aussicht. (lllittheilung des jlatent- und technischen Bureau's von
G. Dedreur in lllünchen.)

Lunstgewerbliches Prunkgeräth. vor einiger Zeit wurde in
London ein in 260 Stück bestehendes Tischgeschirr aus lvorcester-
porzellan für 23000 lllk. versteigert. Zum vetgleich seien nach
dem amtlichen Verzeichniß einige jdreise von den Gegenständen an-
geführt, welche aus der Spitzerschen Sammlung in Paris für deutsche
Kunstanstalten erworben wurden. Das Kiinstgewerbemuseum
in Berlin zahlte für einen vergoldeten, in Anpfer gegossenen Arumm-
stab, eine italienische Arbeit dcs z6. Iahrhunderts und eine lllessing-
kanne aus dem ;z. Iahrhundert zusammen 6000 Francs; das 6am-
burger lllusenm zahltc im Ganzen ;6 267 Francs und erhielt dafür
verschiedene Gegenstände, wie eine antike Glasschale, in Llfenbein
geschnitzte Iungfran (;z. Iahrh.), Spicgelkastcn (^. Iahrh.), Schau-
münze Iohann Friedrichs von Sachsen (;5Z5), eine Glasschüssel aus
dcm ;6. Iahrhundcrt, eincn kupfcrnen lllondkalender (^6. Iahrb.) —
Das llluseum in Gotha erstand für ;722 Francs zwei Schüsseln
von palissy und zwei Stücke aus Faönza (;5. Iahrh.). —ll.

MiiWllmAW Litcratur.

Bücherschau.

vr. A. Goeringer, Der goldeno Schnitt und die ver-
werthung des goldenen Zirkels.

Schon immer haben sich die Philosophen nnd Aünstler mit der
Frage und der Lrklärung der formellen Schönheit beschästigt. lvelcho
Dinge sind schön und warum sind sie schön? Linc Sache kann schön
sein, wenn sich an ihr eine gewisse Regelmäßigkeit, Symmetrie, oder eine
verhältnißmäßigkeit, Proportionalität, - oder Proportionalität gepaart
mit Symmctrie, oder wenn sich eine psychisch subjcktive Lrscheinung
offenbart, (welche hauptsächlich auf das Gemüth wirkt). Die Lrklärung
dcr Regelmäßigkeit, Symmetrie ist einfach, das Gcsetz dasür ist Gleich-
theilung und Gleichgestaltnng sämmtlicher oder einander gegenüber
liegender Theile. Ganz anders verhält sich die Sache bei dcr pro-
xortionalität. lfier handelt es sich um die Lrkenntniß der Linheit
und Zusammengehörigkeit zweier oder mehrerer ungleicher Theile
eines Ganzen; es gilt zu bestimmen, bis zu welchem Grade die Un-
gleichheit der Theile stattfinden dürfe, daß nicht der einc Theil zn groß,
der andere zu klein erscheint.

Zeising (t8Z-t) war der erste, welcher dnrch die ?lnwendung
eines alten mathematischen verfahrens, des sogcnannten goldenen
Schnittes, das Gesetz für dio verhältnißmäßigkeit fand. Der goldene
Schnitt ist bekanntlich die Theilung einer Linie in dcr lvoise, daß sich
der kloinere Theil zum größeren verhält, wie der größere zum Ganzen.
Diese interessante nnd wichtigc Lntdeckung blicb bis jetzt ans zwei
liauptgründen in den lfänden von wcnigen Gelehrten und noch weniger
Laien: es existirt kcine Grammatik zur praktischen Anwendnng des

goldenen Schnittes; 2. es war kcin Instrument vorhanden, mit welchcm

man den goldenen Schnitt leicht konstruiren konnte. Die mathematische
Uonstruktion ist für den allgcmeinen Gcbrauch etwas umständlich;
diesem Mangel ist nun seit Aurzem abgeholfen durch vr. A. Goeringers
Konstrnktion des „goldenen Zirkels", welcher jede Linie automatisch
nach dem goldenen Schnitto thoilt. Das Verhältniß des goldenen
Schnittes läßt sich in den schönsten Gebilden der Natur und der
Annst nachweisen, — namentlich am Menschen selbst, vielfach auch
an Thieren und Pfianzen. Es ist selbstverständlich, daß dieses ver-
hältniß auch in dcn schönsten Gebilden des menschlichen Geistes vor-
herrschend ist, in der Aunst und im Aunstgewerbe. Alle Aünstler haben
dieses Gesetz unbewußt eingehalten, haben alle ihre Merke nach den-
selben Maaßon, nach welchem sic selber entstanden. geschaffen. Be-
sondcrs in dcr Architektur, wo es vor allem auf harmonische
Gliederung ankommt, ist die Aenntniß dieses Gesetzes von großem
Nutzen. Dasselbe ist anch bei allen schönen Bauwerken allcr Lpochcn
bis in die Details nachzuweisen. Auch im Uunstgcwcrbe ist Unschön-
heit nicht selten auf eine verletzung der verhältnißmäßigkeit zurück-
zuführen. - Dieses häufige Auftroten des goldenen Schnittes ist kcin
Znsall. So verfehlt es indessen wäre, sich beim Lntwnrf irgend eines
Gebildes von dcm goldenen Schnitt gängcln zu lassen, so kann doch
behauptet werden, daß der „goldcne Iirkel" bei vernünftiger ?ln-
wendnng nicht ohne lvcrth für Künstler und Uunstgewerbetreibende
ist; wohl hat, wie ivittstein vollkommen richtig sagt, der Aünstler das
Recht, sich gegen alles, was sich ihm als Regel von anßen aufdrängen
will, ablehnend zu verhalten; es wird abcr für ihn immer von Interesse
sein, seine sertigen iverke zn kontrolliren und vielleicht manche ver-
hältnisse zu verbessern. O. v.

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