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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 1.1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.8036#0093
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'Z-' 93 -4'

X

XI.III. Iadrgang.

München, den (0. Dezember 1894'

Nr. 12.

L>czils der „^clrjchrlfr" fammr dec „^unftFewcedlichcn Rundfcbau": Durch den
Buchbandel. die post oder die GeschäfissteHe M. Schorß verlog. München. Aöniginftr. 55,
Mk. s6 p a ^die Mitglieder des Boyer. 2<unstgeiveibe-Oereins (Iabresbeitrag Mk.)
erbalken die Aeiklchrift soinnit Nunftgerverbliche Rundschau unentgeltlich. — 7)ie
jct)t'ifr" erscheint jäbrlich in (2 Monatsbeften; Reklainanonen von Mitgliedern wegen
ausgebliebener Nuniniern können nur dann auf Berücksichtigung Anspruch machen

wenn dieselben späteftens vicrzebn Cage nach Erfcheinen der folgendcn r/rummer
auf dem vereinssekretariat angemeldet werden.

^eratlSgeber: Bayer. Runftgewerbe-Verein, (pfandsiausftraße 7). — Redakrion:
prof. L. Gmelin, (Luisenstraße l(8). - Druck. Rnorr Sc yirth; sännntliche in München.
verlag: M. Schorß, München, Röniginstraße 55.

inm

der Zcit vom ;. bis y. Vktober bcittc die Firma Ncid-
linger im Festsaale dcs Baycr. Aunstgewerbe-Vereins eine
xrunkvolle Ausstellung von Gegenständen dcr Aunststickcrei
veranstaltet, welche 20ö Nummern von Arbeiten umfaßte,
die sämmtlich auf der Näbmaschine ausgefiihrt waren. Die mit Ge-
schmack und gcschäftlichcr Routine arrangirte Ansstellung enthielt eine
große Anzahl Nadelmalercien in völlig naturalistischcr Darstellung,
wie z. B. Landschaften, Mariucbilder, Blunien- und Genrestiicke, außer
diesen von virtuosenhänden hergestellten Bravourstncken aber auch sehr
schöne, stilgcmäße nnd von seltener Meistcrschaft auf der Nähmaschine
zeugende Stickereien auf Portieren, vorhängen, Schärxen re. rc., die in
vielfarbigcr Seide theils naturalistische Blumen und Blättcr. thcils
Grnamente und Arabesken darstellten, endlich aber auch Deckchen, Tisch-
läufer, Schonerrc. mit ftacher Bnnt- und Iveißstickerei, Dnrchbrucharbeiten,
Sxitzenstichen u. s. w.

!vir wollen nicht darüber rechten, daß die ausgestellten Land-
schaftcn, Genrestiickc rc. weit iiber das Gebiet dcs sür dic Nadelthätigkcit
Zulässtgen hinansgreiscn, da ja die ausstcllende Firma damit kcine
kunstgcwerblichen vorbildcr gebcn, sondcrn nur zeigcn wollte, bis zu
welchen Bravourstiicken sich hervorragende, künstlerisch beanlagte vir-
tnosen auf der Nähmaschine versteigen können, wenn sie wollen. IVcit
erfreulichcr als diesc reinen Reklamestiicke, die alle auf nngcmein zarter,
wie Pauspapier durchsichtiger, Scidengaze ausgeführt und in vielen
Fällen so behandelt waren, daß ganze jdartien, Wolken, Ihintergrund,
Schlagschatten, Lichter, Rcflere rc. auf einem darunter liegcndcn Papier
in Ivassersarben aufgemalt, mit den obenauf liegeudcn Stickereien zu
einem harmonilch wirkendcn Ganzen verschmolzen wurden; wcit er-
sreulicher als diese zum Theil auf Täuschung berechneten Schaustücke,
waren die Stickereien auf Gegenständen des Gebrauches und dos häus-
lichen Schmuckes. Da auch diese Gegenstände, nnr von virtuosenhäuden
herrührend, die höchste technische Volleudung zeigten, da ferner in dem
Lataloge, welcher jedem Besncher der Ausstellung behändigt wurde, zu
lesen stand: „daß wenige Stunden Unterricht genügen, um solche Ruust
zu lernen, daß der große vorzug dieser Maschinenstickerei gegenüber
dcr bsandstickcrci dariu liegc, daß sie sich accurater, saubcrer und glatter
xräsentirt als diesc, daß nian zu eincr Mctcr langen Dnrchbrucharbeit
(siehe diese übertriebene und unglaubliche Anpreisung aus Seite 28 dos
Aataloges) nur fünf bis sechs Minuten Arbeitszeit brauchc und

dcrgl. mehr, so war ein Theil der dic Ausstcllnng besnchenden Damen
geradezu in Lntzückung über die vorgeführten Leistungen von höchster
technischer vollkommenheit, ein anderer Theil der Damen war ganz
kleinlaut gewordcn über das scheinbar plötzlich herbeigeführte Lnde der
altehrrvürdigen lhandstickerei und wicder ein anderer Thcil war freudigst
erregt darüber, daß man sich nunmehr blos eine Nähmaschine anzu-
schaffen brauche, um in kürzester Ieit alle diese schönen Arbeiten hervor-
bringen zu können; eine Täuschung, welche etwa damit zu vergleichen
wäre, daß Iemand glanbt, wenn er das Instrument eines bcrühmten
pianisten besäße, könnte er demselben die gleichen Melodien entlocken
wie dieser.

Auf solchc übcrtriebene Lrwartungen kann dcr Riickschlag nicht
ausblcibcn, weshalb es dankbar aufgciiommen werden mag, wenu wir
in Aürze auf einige Punkte hinweisen, um diese für die Toxtilbranche
jedensalls interessante und nicht ohne Bedeutung bleibende, theilweise
auch wirklich neue Anwendung der Nähmaschino in das rechte Licht
zu setzen.

I- Ls darf nicht übersehen werden, daß bei der größten Anzahl
dieser Arbeiten der Nähmaschine ohne Anwendung von Transporteur
und Drückerfuß gearbeitet und deshalb der zu verzierende Stofs über
cine kleinc Sticktrommel gespannt werden muß, rvic dieselbc vielen
Damen schon seit Iahrcn von dem Stopfapparat her bckannt ist, der
von manchen Fabrikanten der Singermaschine seit Jahren der Maschine
boigegeben wird uud mit dessen lsilfe man die mannigsaltigsten Stickor-
eien ausfiihren kann, vorausgesetzt, daß man die hiczu nöthigc emiueute
Fertigkeit und künstlerische Beanlagung besitze. Daß aber dieses viel-
malige Lin- und Ausspannen einer größeren Stoffstäche von vielen
Stoffen, wie z. B. Atlas, Sammt, jdlüsch, Seidenrips rc. absolut nicht
vertragcn wird, daß dieselben vielmehr in Folge der erwähnten Mani-
pulationen derart zerknittert werden, daß sie absolut nicht mehr brauch-
bar erscheinen, dürfte Iedermann sofort einleuchten.

2. Die Ausführung vielfarbiger Blnmen, Figuren und Grna-
mente hat nur dann cinen vcrnünstigen Sinn, wenn etwa iu cinem
großartigen Stickereigeschäftc 25 bis 20 Nähmaschinen dcrart in cincm
Arbeitssaal parat stehen, daß in jcder Maschine ein andercr der zahl-
reich nothwendigen Farbenfäden auf der Spule eingelegt und bezw.
eingefädelt ist, so zwar, daß ctwa bei kserstellung eines Llumcnkranzes
ans der einen Maschinc alle gelbcn, auf der andercn alle rotheu, auf


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189^. Runstgewerbliche Rundschau Nr. ^2.
 
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