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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 1.1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.8036#0054
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>- o 4

Von den durch Zchülor gefertigton Entwürfen errangen drei eine Aus-
zeichnung — an erster 5tel!e ein Lntwurf, dessen Motiv eine von einer
Rrone überragte Distelbecke bildet, an welcher naturalistische Distcl-
blätter und Blüthen in steifer Anordnung verwendet sind (Abb. i ;
die beiden anderen Entwürfe bewegen sich in strengeren Stilformen.

Die zweite Aufgabe betraf einen Bilberbecher. Unter
den in der -Uevue äes arls äeeoratits» abgebildeten Entwürfen
der Meister herrscht dio fußlose, dem E-slinder sich nähernde
Becherform vor; bei eineni wird man an romanische Uelche,
bei einem andern an einc hochstengelige Lhampagnerschale, bei
einem dritten an eine antike dreifüßige Dase erinnert. Fast
alle beherrscht das Ltreben, pflanzenmotive unserer Zone zur
Dekoration zu verwenden: Ulisteln, Rosen, Disteln, Aehren,

5chils, Reben rc. — bald
mehr nach Art altrömischer
Lilberarbeiten, bald mehr
nach japanischen vorbil-
dern, oder auch wieder in
streng symmetrischer An-
ordnung. Den ersten Preis
(z500 Frs.) errang der
Becher von Mouchcm: in
der Grundform fast cylin-
drisch, nur schwach birn-
förmig ansgebaucht und

durch fünf flachgedrückte, senkrecht verlaufende Falten in
mehrere Felder getheilt. Auf dieser Fläche erheben sich
unten 5chilf nnd Wasserpflanzen, von Sumpfvögeln belebt,
höher oben wachsen Blumenzweige in die ksöhe und zu
oberst, nahe dem Rande, läuft cine doppclte Schnur herum,
an welcher (Alles in Rclief) runde Medaillen hängen.

Die ksöhe des Bechers beträgt etwa das Doppelte der
untern Breite. von den andern mit Preisen, bez. Be>
lobungen ausgezeichneten Bechern geben wir noch 2 Abbildnngen. -
Die Schülerarbeiten entfernen sich mehr von der eigentlichen Becher-
form; namentlich fällt auf, daß der Typus der kfenkelkanne wicderholt
vorkommt. Im Uebrigen scheinen diese Arbeiten von den gleichen Ideen
hinsichtlich der Dekoration geleitet zu sein wie die Meisterarbciten; aber
sie stehen noch im Rampfe mit den Ueberliefernngen der strcngen Schule.

Die dritte Aufgabe, Lntwurf zu einem Bucheinband, konnto
nach drei Richtnngen gelöst werden; denn der Mettbewerbung lagen
dreierlei Bücher zngrunde: a. ein Literaturband in Maroquin und
Filetendekoration, — b. der Einband zu Flaubert's 5alammbo in
Ledermosaik, — und c. cin Einband für die j?ublikationen der -Ulnion
cenkrsle» in Plattenpressnng, wobei zu berücksichtigen war, daß dcr
Lntwurf für verschiedene Größen oder Formate sich eigne. Das Lr-
gebniß dieses Wettbewerbs zcigte nun dic aufsallcnde Erscheinung,
daß die Schülerarbeiten den Meisterarbeiten die Waage hielten, ja
dieselben theilweise übertrafen. Unter don mit Fileten herzustellenden
Einbänden wurden von vornherein alle verworfen, welche alten an-
erkannt guten Arbeiten nachcmpfunden waren; das Mtzwort eines
dor Preisrichter, diese Einbände enthielten „U)crkc des (modernen'

Schriststellers Flaubert aus dem Besitze Grolier's" (deS bekannten Bücher-
liebhabers des Z6. Iahrhunderts) scheint dabei besonders schwer in
die Wagschale gefallen zu sein. Dabei kam dasselbe jdreisgericht aber
doch zu der Linsicht, daß die übrig gebliebenen ungenügend seien;
dasselbe gab somit das seltsamo Schausxiel, erst die dem anerkannt
Guten sich nähernden Lntwürfe auszuscheiden und dio übrigen
dann als nicht gut genug zu bezeichnen. Das Preisgericht über
die Meisterarbeitcn stellte sich damit in einen gewissen Gegensatz
zu jenem über die Schülerarbeiten, welches seine Ansichten über
die stilistische Ausbildung eines Gebrauchsbandes, wie jenes für
die Bibliothek der Ulnion cenlrale, in dem offiziellen Bericht
niedergelegt hat. Ls wird darin ausgesxrochen, „daß man einen
Lucheinband nicht malen soll wie ein Gemälde oder ein jdlakat,!

daß es Ueberlieferungen
des Geschmacks gebe, die
man nicht außer Acht lassen
dürfe, daß man die Aus-
schmückung des Leders mit<
telst geometrischer Linien,
vergoldeter oder getriebener
Grnamente, mit Nosaiken
in gleicher Farbe bethätigen
könne, ohne aufRücken und
Deckel des Linbandes den
Tcrtinhalt selbst zu über-
tragen — und daß es gefährlich sei, ans dom Einband
eine Art Titelblatt oder eine xhantastische und aufdring-
liche Parade zu machen, wie dieß etwa bei einem Album
angehe —Die veröffentlichten Entwürfe zu a. zeigen denn
auch durchaus Neues — allerdings mehr im Lharaktcr
eines Feuerwerks mit Raketen, 5ternen und 5prüh-
Rädern als in dem eines Bucheinbandes. — Die Ein-
bände zu „Lalammbo", welche für Ledor-Mosaik bestimmt
waren, bringen diese Technik gut zum Ausdruck; meist aber leiden die-
selben an krankhaften versuchen, dem Pslanzcnornament nene Mege zu
weisen. Der gleicho Vorwurf trifft die meisten Entwürfe für die dritte
Art Einbände, welche für die veröffentlichungen der lilnion centrale
bestimmt waren. Den z. preis (mit zooo Frs.) errang M. Rudnizki
mit dem unten dargestellten Lntwurf. Beachtenswerth, besonders wegen
seiner verwendbarkeit in mehreren Formaten ist der Lntwurf von De-
sancourt: von dem oberen Rückenbund, welcher den Buchtitel enthält,
zieht sich ein breites gerades Band über den Deckel herüber, das den
Titel des Buchcs trägt und jenseits der Mitte in drei fliegende Bänder
sich auflöst; in der Deckel-Lcke rechts unten ist, gänzlich vom übrigen
getrennt, eine wirkungsvolle vignette mit den Lmblemen des Aunst-
gewerbes und dem Namen der länion cenirLle angebracht, deren Mono-
gramm auch den untern Rückenbund ziert. —

Dcr das ganze Lrgebniß zusammenfassende, von Falize geschriebene
Lchlußbericht hebt mit Befriedigung hervor, daß der Mettbewerb im
Ganzen sehr erfreuliche Resultate geliefert habe und datz derselbe einen
Fleiß, ein Streben und ein verständniß bezeuge, die man anderwärts
als in Frankreich vergeblich suche. (!)

j. Lntwurf

zu einem Lüster für Gasglühlicht.

q.. Lntwurf zu einem Linband von N. Rudnizki.

2. Modell zu einem Lhrenbecher.
 
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