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Dengler, Georg [Editor]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 3.1881

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3. Heft (1884)
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Miscellen über Altarbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.26638#0045
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Nr. 15. 1884

Miscellen über Altarbauten.

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Schutz resp. Verhttllung jene Verschlußeinrichtung getroffen war. Hier
standen gewiß: St. Elisabethenhaupt und andere von den im Schatz-
verzeichnisse von 1480 noch aufgeführten fünf Reliquienbttsten und
sonstigen kostbaren Ostensorien, vielleicht auch in der Mittelnische das
Ciborium mit der Eucharistie, da Tabernakel, von denen auch unsere
Kirche ein würdiges Beispiel besitzt. erst gegen die Mitte des 14. Jahr-
hunderts aufkommen. Jn dem von mir angenommenen alten Ciborien-
altar mag eine von dem Gewölbe desselben hängende Pyxis oder
Taube dieselbe bewahrt haben. Für die Anlage von Nischen zur Auf-
nahme von Reliquiaren bietet der von Abt Suger zu St. Denis er-
richtete kostbare Altar, nach dessen genauer Beschreibung Viollet-le-Duc
eine vorzügliche Reconstruction gegeben hat, eine gute, so viel mir
bekannt jedoch aus der Zeit einzige Parallele. Reliquienaltäre von
etwas abweichender Construction, aber naher Vermandtschaft aus dem
14. und 15. Jahrhunderte gibt es mehrere, ich nenne nur den zu
Paderborn (Kreuzflügel) und zu Cilli. Der Altar unserer Kirche ge-
winnt aber noch ein höheres Jnteresse dadurch, daß er nach den vor-
handenen Spuren, welche ein zwcites Stockwerk, einen Baldachin von
der Breite der mittleren Bogenstellung vermuthen lassen, zur Auf-
nahme des Reliquienschreines der hl. Elisabeth eingerichtet war. Nach
Osten trägt der Aufbau noch die Ansätze zu einem Kreuzgewölbe,
welches den Zugang wahrscheinlich durch das östliche Fenster vermitteln
sollte. Da sich weder an diesem Fenster bezügliche Spuren noch
Fundamente von Säulen, welche nach der Spannweite des Gewölbes
unbedingt vorhanden sein mußten, von Lange, der sie ausdrücklich
suchte, gefunden wurden, auch die erwähnten Bogenanfänge keinerlei
Mörtelreste zeigen, vielmehr roh eingehauene Löcher eine provisorische
Balkenbrücke andeuten, so scheint mir die Anlage nicht in der be-
absichtigten Weise zur Ausführung gekommen und auch wohl nur
wenig benutzt worden zu sein, da inzmischen der alte Ciborienaltar
eine geeignete Stätte für den Schrein bot, ohne die Schwierigkeiten
und die Gefahr des Hinaufschasfens, die bei dem erheblichen Gewichte
von übcr zwei Centner nicht gering anzuschlagen sind.

Bei dieser wenn auch nur geplanten Disposition waren wiedcrum
französische Vorbilder von Einfluß, deren Besprechung zu weit führen
würde. Bemerkenswerth ist jedoch, daß die dort in ähnlicher Weise
exponirten Schreine kaum halb so groß sind als der hiesige, der hierin
nur von sehr wenigen der noch existirtznden übertroffen wird. Einen
interessanten Anklang an unseren Altar hatte der frühere 1306 ge-
weihte Flügelaltar zu Friedberg, welchen ich 1869 unter Gerümpel
aller Art in einer Sakristei dortselbst fand, und welcher meines Wissens
jetzt in das Museum zu Darmstadt übergegangen ist. Er besteht im
wesentlichen aus zwei hohen Spitzgiebelnischen, die durch zwei gleiche
Flügel bedeckt werden, so daß beim Aufschlagen vier dergleichen neben
einander stehen. Jch verglich oben den Hohlraum unter der Mensa
mit einer eonlsLsio. Nischen in allen Umfassungswänden desselben,
welche zur Aufnahme von .choiltnM ' dienten, machen die Verwandt-
schaft noch größer. Dabei fehlt das eigentliche oopulorum in einer

der Vorderplatte angearbeiteten Verstärkung scheinbar auch nicht; ob
dasselbe noch seinen alten Jnhalt bewahrt, habe ich nicht konstatiren
können, wäre dieß der Fall, so fände sich sicher die Stiftungsurkunde
des Altares, vielleicht auch ein kleines interessantes Reliquiar wie
s. Z. in Limburg a. L. Jn dem Schatzverzeichnisse von 1480 werden
„2 spsrsn utk äsm noiu allare" aufgeführt, wohl reiche Processions-
fahnen.

Die übrigen sechs Altäre bieten kein so hervorragendes Jnteresse.
Die vier vor Nischen in den östlichen Kreuzschiffwänden errichteten
Seitenaltäre, welche ihrer Stiftung nach, wie wir oben sahen, auf die
Erbauungszeit der Kirche zurückgehen, waren scheinbar höchst einfach
mit mehrmals aufgefrischten Wandmalereien in und um jenen aus-
gestattet. Es läßt sich jedoch annehmen, daß man entsprechend ge-
staltete metallene emaillirte Oberfrontalien in Aussicht genommen hatte,
oder doch wenigstens solche in der Technik des großartigen Retabels
zu Westminster (London) oder zu Soest. Ein ähnliches deutsches Werk
war das während der französischen Revolution in Coblenz gestohlene,
jetzt zur Verherrlichung eines Altares in der Abtei von St. Denis
dienende prachtvolle Retabel. Eine Abbildung sindet sich bei Viollet-
le-Duc ckiot. cku modil. I 234. Nach dem Erkalten der hochgradigen
Begeisterung des 13. Jahrhunderts hat man schließlich im Anfange
des 16. Jahrhunderts den lliothbehelf der Malerei durch die jetzigen
in ihrer Art recht bedeutenden Schnitzwerke mit gemalten Flügeln er-
setzt. Der vorzüglichste, nebenbei bemerkt einzige publicirte (Förster,
Denkmale rc.) derselben ist der nördlichste mit der heiligen Sippe.
Jkonographisch höchst interessant ist ferner der Georgs- und Martins-
altar, doch müssen mir uns hier eines näheren Eingehens auf alle
diese sigurenreichen Werke enthalten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
haben wir wenigstens drei derselben neben der Statue der heiligen
Elisabeth, welche jetzt im Mausoleum stehend die herrlichen Sculp-
turen der Rückseite verdeckt, als Werke des hiesigen Bildschnitzers
Ludwig Jupe anzusehen, von welchem nach den städtischen Rechnungen
das Bild über dem Portale des Rathhauses rc. herrührt. Jn ihrem
Stile nehmen diese Altare einschließlich des Marienaltares eine Mittel-
stellung zwischen der kölnischen, westfälischen und fränkischen Schule
ein, deren Einflüsse sich bis in unsere Gegenden erstrecken, wie z. B.
der Altar zu Wildungen von Conrad von Soest (1402) beweist. Die
zahlrcich in unseren Gegenden vorhandenen ähnlichen Werke bedürfen
noch einer gründlichen missenschaftlichen Untersuchung in dieser Richtung.

Es erübrigt noch den Kreuzaltar zu betrachten, und zwar dessen
muthmaßliche frühere Gestalt, da die jetzige wenig Jnteresse bietet.
Seinen Formen nach ist der hohe hölzerne, prachtvoll geschnitzte Bogen,
welcher seit dem 14. Jahrhunderte auf dem Lettner wieder verwendet
ist, ein Theil desselben. Wenn wir uns nach ähnlichen Werken um-
sehen, die einen Mückschluß auf den früheren Bestand gestatten, so
finden wir in der Wiesenkirche zu Soest zwei alte Seitenaltäre mit
ganz ähnlichen großen Bogenstellungen, welche prächtig bemalt waren,
und Kreuze trugen. Ob dieselben bei der Restauration beibehalten

oder verändert sind, ist mir nicht bekannt; ich sah dieselben vor drei-
zehn Jahren noch im ursprünglichen Zustande, welchen man, wie in
der Regel, versäumt haben wird, durch eine Photographie zu fixiren.
Da ich für die Chorstühle hohe Dorsalien annehme, bedurfte es nur
einer passenden Decoration derselben nach Westen hin, über welche
dann die ein geschnitztes und bemaltes Retabel krönende Bogenstellung
emporragte. Voraussichtlich ist diese aus derselben Meisterhand her-
vorgegangen, welche den Hochaltar schuf. Daß dieser Altar metallene
Standleuchter und Seitenvelen gehabt, ist nicht zu bezweifeln. Die
verwandte Kirche zu Haina läßt noch eine annähernd ähnliche Anlage
erkennen; in Gelnhausen, Friedberg und Wetzlar liegen die betreffen-
den Altäre dagegen unter den ciborienartigen Ueberbauten der Lettner,
haben einen Durchblick nach dem Chore und Seiteneingänge zu deni-
selben, da hier die Lettner nur den Chor, nicht die ganze Kreuzpartie
abschließen.

Der jetzige Lettner mit seinem Altare ist nach den Formen zu
schließen ca. 1330 gebaut worden, wohl von demselben Steinmetzen,
der den Westgiebel zwischen den Thürmen schuf. Das Material scheint
ganz das gleiche zu sein. Er hat durch Herstellung breiterer Nischen
in der unteren Partie, Verwendung des alten Bogens und Heraus-
nahme der ganz gleichförmig durchlaufenden Fialen und Giebelchen
in der Mitte, unleugbar gewonnen, während er in dem ursprüng-
lichen Zustande bei allem Reichthume des Details doch höchst monoton
sein mußte, und deutlich den Verfall der architektonischen Decoration
bekundet.

Weit charakteristischer ist die Nückseite durch die kleine Empore,
deren Zweck nicht wohl allein das Vorlesen und Predigen gewesen
sein mag, sondern auch Reliquienexposition, worauf der oben citirte
Passus aus dem Schatzverzeichnisse bezogen werden darf ,.uck cksr
86S8isn in cksn sranlrsn".

II.

Ueber den Hochaltar der alten Benediktiner-Abteikirche Peters-
hausen bei Constanz, wie er von Bischof Gebhard II zu Ende des
10. Jahrhunderts errichtet wurde, erzählt die nlte Chronik von Peters-
hausen (0L8U8 I'stsrsliusani inonnstsrii, von einem Mönche dieser
Abtei imzwölftenJahrhundertegeschrieben)folgendeinteressante Details:

„Ueber der Krypta errichtete Bischof Gebhard das 8anoluarium,
wo er den Hauptaltar, der Ehre des hl. Gregor geweiht, hinstellte.
Ueber demselben errichtete er ein überaus schönes Ciborium (d. h.
einen auf vier Säulen ruhenden Baldachin).

Nachdem or vier Säulen aus Steineichen hatte fertigen und an
denselben die Darstellung von Reben hatte anbringen lassen, so ver-
sammelte er die Einwohner von Constanz und redete sie also an:
Jch habe vier Töchter, welche ich gerne verheirathen möchte; aber ich
kann sie nicht recht herausputzen ohne euere Beihilfe. Deßwegen
komme ich zu euch und bitte euch, daß ihr mir einige Tröstung zum
Behufe ihres Putzes gewähren möget, nach euerem Vermögen und
Belieben. Und als Alle antworteten, sie wollten sehr gerne thun,
 
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