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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 3.1881

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4. Heft (1884)
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Zur Geschichte der kirchlichen Wandmalerei in Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.26638#0061
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M, 16, 1884

prachtvoll bemalen zu lassen, Die Stifter dieser allerseits bewunderten
Gemälde haben sich durch ihr Wappen verewigt, des braven Künstlers
edler Name blieb uns, wie gewöhnlich, auch hier unbekannt, nur
muthmaßlich kann man Egnolt vom gegenüber liegenden St, Pauls
in Eppan annehmen. Eine Kreuzigungsgruppe, Maria mit dem Jesus-
kinde und den Patron, dem eine Kirche geweiht war, an der Außen-
seite anzubringen, das scheint im Mittelalter, wenigstens dahier in
Tirol, fast allgenieine Sitte geworden zu sein, Diese Bilder breiteten
sich in der Regel um den Haupteingang aus, lag dieser an der West-
oder an einer anderen Seite, Zum Schutze brachte man darüber ein
Dach an, das zugleich als Vorhalle diente und Jenen ein Obdach
gewährte, welche aus Rtangel an Raum vor der Kirche bleiben mußten,
Genannte Bilder bildeten zugleich ein so recht klar sprechendes
Betrachtungsbuch für Alle, Die Herren von Weineck wollten aber ihre
uralte, wahrscheinlich ins erste Jahrtausend zurückreichende St. Vigilius-
kapelle noch weit mehr hervorheben und durch den Bilderschmuck der
Außenseite in weiterer Ferne vom schönen Punkte ihrer Lage aus als
Heiligthum bemerkbar machen. Zu diesem Zwecke bemalten sie die
ganze Fayade. Zu oberst sitzt auf dem Regenbogeu Christus der
Herr, umgeben von der im früheren Mittelalter bekannten Umrahmung
in Form eines oben und unten zugespitzten Ovals (Mandorla der
alten Jtaliener), die ebenfalls reizend in Regenbogenfarben ausgeführt
ist. Vom Herrn senkt sich eine Spruchrolle nieder zu einer reicheren
Gruppe von Heiligen, deren Namen wir nicht alle entziffern konnten.
Zu äußerst rechts bemerken wir einen Bischof im vollsten Ornate,
wahrscheinlich St. Vigilius; ihm zunächst steht eine edle Frauengestalt,
und darauf solgt, bereits zur Linken von Christus, eine erhabene,
männliche Figur, der sich noch ein paar anschließen, darunter eine
mit eineni wunderlieblichen Köpfchen. Wir glauben nicht zu irren,
wenn wir Maria und Johannes den Täufer untcr ersteren erkennen,
wie sie vor Christus, der hier wie Erlöser zugleich als Richter bereits
aufgefaßt erscheint, ihre Fürbitte vorbringen, Schade ist, daß die
Worte auf dem vor ihnen hinflatternden Bande nicht mehr zu ent-
ziffern sind, denn deren Sinn würde über ihren rechten Namen kaum
einen Zweifel übrig lassen. Jn der untersten Bilderreihe erscheint
links St. Martin, wie er von seinem rothen Mantel eiligst ein Stück
abschneidet, um einen nackten, vor ihm knieenden Bettler damit zur
Noth zu bekleiden. Jntcressant wird diese Darstellung durch die auf-
fallend jugendlich gehaltene Gestalt des Heiligen; der Künstler gab
ihm einen runden, von blonden Haarlocken ringsum bekleideten Kopf
mit einem sehr zarten Ausdrucke im Gesichte, dem wahre Heiligkeit
entstrahlt, Aus dem Ganzen liest man kaum ein höheres Alter als
jenes von 17—18 Jahren, Noch mehr Aufmerksamkeit verdient das
auf der anderen Seite vom Portale angebrachte Bild. Leider war
es uns nicht möglich, auf den Jnhalt der merkwürdigen und selten
anderswo wiederkehrenden Szcne näher einzugehen, Die Hauptperson
bildet eine schöne Mannesgeftalt in Herzogentracht des Mittelalters
mit kurzem Röckchen von violetter Farbe und darauf eineu in Rund-

Zur Geschichte der kirchltcheu Wandmakerei in Tirol.

bögen ausgeschnittenen Halskragen, Diese stattliche Figur allein lrägt
Heiligenschein und steht im Begriffe, die Hand einer zu seiner Linken
auftretenden, noch jungen Frauengestalt zu ergreifen, um diese wahre
Schönheit, voll Edelsinn und Hoheit, einem bebarteten Pilgcr zu
seiner Rechten entgegen zu führen. Den Kopfschmuck der in weißem
Kleide auftretenden Frau bildet eine über ein ebenfalls weißliches
Tuch aufgesetzte Krone in Form einer sogenannten Mauerkrone. Diese
ist in den Grund eingravirt, aber durch nichts weiter hervorgehoben,
Wir halten dafür, es sei hier eine jener Familienszenen dargestellt,
welche sich ini Mittelalter häufig ereigneten, Der Mann nämlich,
auch der vornehme, mußte in den Krieg ziehen, oft in fernes Land,
das Fernebleiben in der Fremde konnte lange dauern; er hatte eine
junge, schöne Frau, für die er einen sicheren Beschützer gegen List
und Gewalt suchen wollte, Der fromme Held in unserem Bilde nahm
hierin nicht wie gewöhnlich zu einem alten Diener oder eiiiem Ber-
wandten seine Zuflucht, sondern zu einem demüthigen, ergrauten und
erprobten Einsiedler, dem er sein Kleinod anvertrauen möchte. Der
Künstler scheint einen ganz besonderen Fleiß angemendet zu haben,
um in dieser schönen Frauengestalt vor Anderem das Gesicht recht
fein mit edlen Zügen auszuführen, und sein Vorhaben ist auch ge-
lungen, wie er noch heute, nach vierhundert Jahren, sich selbst das
Zeugniß gibt.

Treten wir in das Jnnere von St, Vigil, so wurden einst alle
Wände des Schiffes wie der Apside mit Gemälden in zwei Reihen
über einander geschmückt, Bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
konnten diese edlen Kunstwerke ihren Zweck erfüllen und das Jnnere
eines ehrwürdigen Heiligthums herrlich beleben. Wie man aber zur
nahe stiegenden neuen Kalvarienbergskirche eine ständige Meßdiener-
Wohnung benöthigte, war die Vorstehung der reichen Pfarrkirche von
Bozen so hart und profanirte hiefür das alte St, Vigiliuskirchlein,
Jn Folge dessen wurde die obere Bilderreihe des Schiffes verdeckt,
Die untere stellt auf der nördlichen Wand Szenen aus dem Leben
des Patrons, und gegeuüber auf der südlichen solche aus dem Leben
Mariens vor; im Ganzen zwölf Bilder,

1. Gleich beim Eingange scheint St. Vigilius auf eine ganz
eigenthümliche Weise Todte zum Leben zu erwecken, Vor dem
Heiligen liegen drei Skelette ausgestreckt auf dem Voden und zwar
mit den Köpfen gegen ihn gerichtet, Von einem Gerippe hat St. Vigil
den Todtenschädel in die Hand genommen und scheint darüber ein
Gebet verrichten zu wollen, Hinter ihm steht ein Diakon, Die Szene
geht in offener Landschaft vor sich, deren Hintergrund gezackte Berg-
spitzen abschließen,

2. Der heilige Trientner Bischof theilt mit seinen Diakonen die
heilige Kommunion unter beiden Gestalten aus. Wie
Geschichte und Legende melden, hatte St. Vigil, obgleich er bereits
achtzehn Vorgänger in seiner Diözese Trient zählte, noch viele Gegen-
den, besonders gegen-Brescia hin, zu bekehren. Diese schwierige Auf-
gabe vollführte er in kurzer Zeit mit allem Eifer, und vorliegende

Szene dürfte aus diesen seinen Reise- Erlebnissen genommen sein.
Man sieht, das Wort des Glaubensverkünders hat gut gewirkt, ja
begeistert, denn Alt und Jung, Frauen und Männer drängen sich
förmlich zum Empfange der heiligen Eucharistie herbei. Auch eine
etwas possirliche Stelle wollte der Künstler anbringen, nämlich einer
betagten Frau hält der Heilige mit der Linken das Kinn, mit der
Rechten reicht er ihr die heilige Hostie. Jm Hintergrunde bemerken
wir ein ziemlich gewölbtes Chor mit deni Altar,

3. Hier ist zunächst auch ein Bild der oberen Reihe sichtbar ge-
blieben und stellt vor, wie der hl. Vigilius verschiedenartige
Kranke heilt: Blinde, Lahme und vom Teufel Besessene, Die
Lahmen schleppen ihren Leib vermittelst ganz niedriger, kleiner Holz-
böcke, in der Form, wie sie der Zimmermann gebraucht, mit Zlustrengung
weiter. (Fiesole in den Vildern des hl, Laurentius im Vatikau gab
ihnen dieselbe Krückenform in die Hände) Der Teufel in einem der
Unglücklichen scheint die Macht des Heiligen über ihn sichtlich zu
merken, denn der von ihm Besessene muß niit aller Kraftanstrengung
von seinem eigenen Vater festgehalten werden, um die Segenssprüche
der heiligeu Kirche dem geliebten Kinde zu wahren, Die ganze Szene
ist voll Bewegung und Leben,

4. St. Vigilius erleidet den Martyrertod, Alle in
weiter Unigegend von der Stadt Trient waren dem christlichen Glauben
gewonnen, nur das westlich gelegeue Rendenathal leistete Widerstand
und betcte seinen hochverehrten Götzen noch inimer an, der, hart nm
Ufer der Sarka auf hohem Sockel stehend, in Stein und Erz ab-
gebildet war, Der Heilige eilt unverdrossen und der schrecklichsten
Folgen für ihn uneingedenk als Seelenhirte hin, um auch diese irren-
den Schäflein zu gewinnen, Er stürzte den Dagon von seinem Sockel
und sticg dafür selbst hinauf, laut rufend und verkündend, wer der
wahre Gott sei, den man anbeten müsse, Doch bei Einzelnen aus
den Verirrten fanden diese heilsamen Worte nicht gleich Eingang,
vielmehr erzürnten sie für ihren gestürzten und beschämt in den Fluthen
der Sarka liegenden Götzen, Sie hoben Steine auf und warfen so
lange nach dem Heiligen, bis er todtenblaß und schwer verwundet
von seiner Kanzel fiel und bald starb, So rücklings hcrabgeflürzt
stellt ihn uns der Künstler dar, angethan mit seinem vollen Bischofs-
ornate, Die Volkssage erzählt heute noch: Selbst einzelne mit Brod-
backen beschäftigte Hausmütter wären zur Verfolgung des Seelen-
eiferers herbei geeilt nnd warfen im falschen Wahne und in aller Eile
sogar die so eben neugebackenen Brodlaiben aus St, Vigilius. Zur
Strafe aber, fährt die Sage fort, kann man bis zur Stunde kein
schönes, wohlschmeckendes Brod in der Umgegend zu Stande bringen,
Der Künstler dachte auch an diese Sage und vergaß nicht, ein paar
Weiber darzustellen, welche aus ihrer Schürze Brodlaibeii holen, um
sie nach dem heiligen Martyrer zu werfen,

5. Der heilige Martprer und Bischof Vigilius wird
feierlich iu seine Residenz Trient übertragen, Das muthige
Auftreten und das ruhige Sichhinopfern des Heiligen hat selbst die

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