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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 3.1881

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6. Heft
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Die Malereien des Kreuzganges zu Brixen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26638#0092
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6

Die Malereien des Kreuzganges zu Brixen.

Nr. 18.


drtion aller Zeiten festgehalten ivorden stnd. Die kirchliche Kunst des
Mittelalters sehen nnr auch iviedermu hier an den Glauben und die
Tradition sich enge anschließen. Die Gegenstände sind nicht von den
Künstlern, sondern von den heiligen Vätern aus der heiligen Offen-
barung an einander gereiht. Zuerst gab es schriftliche Anweisungen,
besonders für den Maler, wie z. B. schon der hl. Prosper von
Aquitanien iin 5. Jahrhunderte: clv proinissioniduZ ot prasclio-
tionibns voi geschrieben hat. Jhm folgte Alkuin im 8. Jahr-
hunderte mit einer typischen Zahlen - Erklärung: clo eoinpurutions
novi st votoris Isstunionti, a clonario nunisro usgus ucl ununi,
cloguo ni^stioo singuloruin siAnikioatu. Dann kamen förmliche
Skizzenbücher für die Künstler auf, wovon sich noch mehrere Exemplare
erhalten haben. Näheres darüber bietet die biblia pnupsruin von
Laib und Schwarz, Zürich 1867. Diese Handbücher bezweckten aber
nicht gedankenlose, sklavische, sondern nur eine einheitliche Kunst
auf dem Boden des einen geoffenbarten Glaubens und der Geschichte
der Erlösung von Adam an. Als Beweis hierfür dienen die mannig-
faltigsten Kompositionen aller Orten, wo solche Bilder vorkommen;
darunter nimmt gerade der Domkreuzgang zu Brixen nicht die ge-
ringste, sondern eine recht interessante Stellung ein, weil seine Bilder,
wie bemerkt, von mehreren Künstlern und aus verschiedener Zeit her-
rühren.

Wir können nicht umhin, eben seine typischen Darstellungen ganz
kurz und überstchtlich zuerst vorzuführen und dann erst näher zu be-
schreiben.

1. Die Dornenkrönung und Verspottung Christi.
Als Vorbilder: Apemen, die Concubine des Königs Darius,
wie sie mit der einen Hand diesem die Krone vom Haupte
reißt und die andere zum Schlage gegen ihn erhebt slV. B.
Esdras). David von Simei verhöhnt (l. König. 2, 16).
Die Gesandten Davids von dem Könige der Ammoniter ver-
spottet (l. König. 2, 10).

2. Jesus Kreuzziehung. Vorbilder: Jsaak mit dem Holze.
Die Pächter des Weinberges den Königssohn tödtend. Die
Weintraube der Kundschafter.

3. Christi Geißelung. Vorbilder: Achiar an den Baum ge-
bunden. Job vom Satan gegeißelt.

4. Kreuzigung. Vorbilder: Eleazar weiht sich dem Tode.
Absalon wird am Baume hängend durchstochen.

5. Grablegung. Vorbilder: Joseph in die Cisterne gesenkt.
Jonas vom Fische verschlungen.

6. Christi Auferstehung. Vorbilder: Samson mit den Stadt-
thoren. Jonas wird vom Fische ausgespieen.

7. Christus erscheint nach der Auferstehung den
Jüngern, während Magdalena Jhn sucht. Vorbilder:
Ruben sucht Joseph. Die Braut im hohen Liede sucht nach
dem Geliebten.

8. Christus zeigt Sich der Magdalena. Vorbilder: Daniel
in der Löwengrube vom König lebend gefunden. Die Braut
des hohen Liedes sieht den Geliebten wieder.

9. Christus besucht die Gerechten in der Vorhölle.
Vorbilder: Der egpptische Joseph gibt sich seinen Vrüdcrn zu
erkennen. Samson würgt den Lömen. David erlegt Goliath.

10. Empfängniß und Geburt Mariens. Vorbilder:
Die Tochter Jephta's dem Herrn geopfert. Der Traum
Astpages' über Cyrus' Geburt. Die Wurzel Jesse. Der Tisch
der Sonne aus dem Meer gezogen.

l l. Mariä Verkündigung. Vorbilder: Die Schlange von
Gott verflucht. Das Fell Gedeons.

12. Christi Geburt. Vorbilder: Der brennende Dornbusch.
Die Ruthe Aarons.

13. Anbetung der Könige. Vorbilder: David und Abner.
Die Königin von Saba und Salomon.

14. Darstellung Christi im Tempel. Vorbilder: Auf-
opferung eines Kindes im Tempel. Anna, Mutter Samuels.

Jn diesen wie in den übrigen Gemälden spricht sich eine große
Entwicklung von Wahrheit, wenn gleich bisweilen in etwas naiver
Form, sowie großer heiliger Ernst aus, wodurch das Gemüth des
Beschauenden angenehm gestimmt wird. Zudem begegnet uns in den
meisten Darstellungen ungemein viel historischer Reichthum, großartige
und reiche Draperien in Verbindung mit einer harmonischen Farben-
frische. Auch ein Bestreben nach Abrundung und Korrekthcit der
Zcichnung ist nicht zu verkennen. Auf den Gesichtern besonders der
Hauptfiguren liegt ein sehr tiefer, innigst religiöser Affekt, welcher
uicht von außen angebildet, sondern mit Bewußtsein aus dem Jnnereu
hervorgegangen ist. Jnschriften waren ursprünglich sehr zahlreich und'
in großem Umfange vorhanden, leider sind aber sehr viele erblaßt.
Höchst interessant machen noch diesen Kreuzgang die vielen und ver-
schiedenen Ornamente, welche die Bordttren'um die Bilder und die
Gewölberippen begleiten, ja dieselben oft auch überziehen.

Zweite Arkade. Hauptbild ist die Dornenkrönung
un d Verspottung Christi. Der Heiland sitzt auf einer steinernen
Bank mit einem niedrigen Antritt, welcher nach vorne zu eineu halb-
runden Ansatz hat. Den H^rrn hat der Künstler derart dar-
gestellt, daß Derselbe aufrecht gedacht eine ziemlich hohe und ehrwürdige
Gestalt bilden würde. Er ist mit einem verbrämten Mantel bekleidet,
welcher durch ein Querband in Form der Verbrämung auf der Brust
zusammengehalten wird. Der durch unzählige kleine Wunden in Folge
der bereits erlittenen Geißelung zerrissene Oberleib und der rechte
Schenkel bleiben unbedeckt. Jesus stützt Sich mit der Rechten auf die
Bank, um nicht ganz auf dieselbe hinzusinken, da nicht weniger als
vier Schergen vermittelst drei langer Stöcke, deren Enden sie fest an-
gefaßt haben, eine große Dornenkrone Jhm gewaltsam aufs Haupt
drücken. Aus ihren Gestchtern blickt tückische Freude, dem größte»
der Propheten eine schimpfliche Krone aufsetzen zu können. Eiu fünfter

von gar wilder Miene hat den Heiland, der die Augen nur halb
öffnet und den Mund fest geschlossen hält, bei den Haaren erfaßt und
ist im Begriffe, Jhn mit der Hand ins Gesicht zu schlagen. Etwas
tiefer machen ein paar spöttische Juden die gottlosen Zuschauer. Links
zu den Füßen des großen Dulders kniet einer der Peiniger in reich-
faltigem Kleide und reicht Jhm spottend ein Rohr als Zepter, uud
diesem gegenüber nimmt ein anderer von vorgerücktem Alter, mit
langem Spitzbarte versehen und auf dem linken Fuße knieend, in ver-
schniitzter Miene große Höflichkeit präsentirend, den Hut ab. Auf dem
Spruchbande in seiner Linken steht zu lesen: 1'rosotixu nobw, gnw
to xsrounsit. — Jm Hintergrunde rechts erscheint eine fein gekleidete,
wohlgenährte Gestalt mit sehr weichlichen Gesichtszügen. Es ist Pilatus'
Frau, wie der Jnhalt ihres Schriftbandes uns kundthut, denn auf
demselben stchen die Worte des Evangelisten Matthäus 27, 19:
biiliil tibi st susto illi, rnnlta sniin pU88U 8iiin boclio por vi^uni
proptor ouin. Der Landpfleger selbst hart neben der Genaiinten ist
von vornehmer Haltung, trägt einen Stab in der Linken und weist
mit seiner Rechten auf Christus hin. Zu äußerst auf der Rechten des
Bildes kniet dessen Stifter in der Tracht eines Kanonikcrs mit reich-
faltigem und sehr langem Chorrocke, der beim Knieen noch über den
Boden hinliegt und einem durch Quästchen besetzten Pelzkragcn. Die
darunter angebrachte lange Jnschrift meldet, daß er Johann Sailer
hieß, Benefiziat zu St. Katharina in der Runggad (einer Gajse der
Stadt) war und hier seine Begräbnißstätte hatte. Sein Gebet oder
seinen Wahlspruch enthält das von ihm aufwärts fliegende Band:
iziissrors nisi clous 8ooun<luin inugnuni inisorioorcliuni tuuni. Hinter
ihm nimmt sein Namenshciliger St. Johannes der Täufer dcn Platz
ein, energischen Blickes, mit einem verbrämten Mantel angethan, drei
Finger der rechten Hand scgnend gegen das Lamm Gottes ausstreckend,
welches seiue Linke auf eiiiem geschlossenen Buche 'trägt. Untenhin
schließen die ganze Darstellung zwei herrliche Propheten ab. Der
eine mit feinen Gesichtszügen und schön gerundetem Vollbarte, das
Kleid öurch einen rund ausgezackten Halskragen verziert, der
andere mit mehr markirtem langem Gestchte und langem Spitzbarte;
beide weisen auf die oben sich abwickelnde, bis ins Mark eines jeden
gefühlvollen Menschen eindringende Schmerzensscene hinauf. Der
erstere oder David zeigt dem Beobachter die Worte auf seinem Bande
nach Psalm 68, 8: ()uoniuin proptor ts sustinui opprobrium;
opsruit oonkusio kuoieni rnouni; der andere, Jsaias 53, 2, ruft aus:
l>ion ost speoios oi noguo clooor ot viclinius ouin st non sst us-
psotus st closiäsruviinus SUNI. Die soeben beschriebene große Leidens-
scene des Herrn geht unter einer schönen gothischen Halle vor sich,
wo schlanke, eckige Säulchen gedrückte Bogen mit niedriger, von
kleinen Vierpässen durchbrochener Bekrönung als Maskirung der
flachen Oberdecke tragen. Jm Jnneren kehrt ein ähnlicher Bau wieder.
Eiu Bogen desselben gewährt den Blick in eine heitere Landschaft.

Wir kommen nun znm interessanten biblischen Parallelbilde.
Dieses erscheint links von Christi Dornenkrönung auf eiuer und der-
 
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