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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 2
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Glaser, Curt: Gustav Doré
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0071

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geschaffen, und es gelangen ihm ergreifende Phan-
tasiebilder, wie auch der Strich im einzelnen eine
höhere Sorgfalt der Vorbereitung bekundet.

Es ist etwas Packendes und Grossartiges zugleich
in den Illustrationen zu der Ballade Be'rangers. Gro-
teske Einfälle giebt es auch hier wie das Bild zu
dem Worte: „Jamais ils n'avaient vu — un homme
aussi barbu.'c Es ist echtester Dore, wie ein Kreis
von Gänsen und Gassenkindern die Gruppe des
Juden und der erstaunten Perückenherren neugierig

einen anderen Dore weisen, den man in späteren
Werken vergebens sucht.

Schon der „Don Quichotte" des Jahres 1863
wirkt merkwürdig matt, obwohl man meinen
sollte, es sei ein Stoff so recht nach des Künstlers
Sinn gewesen. Es war wohl die Absicht des Ver-
legers, das reizende Buch des Tony Johannot zu
übertrumpfen. Aber der Künstler scheint während
der Arbeit an den zahlreichen ganzseitigen Illu-
strationen zu erlahmen, und die Laune seines

GUSTAV DORE, LITHOGRAPHIE AUS „FOLIES GAULOISES"

schnatternd umsteht, oder wie ein Falstaffsgesindel
aus der Tür des Wirtshauses quillt, in das man den
Alten hineinzuzerren sucht. Aber wie die Erschei-
nung des Gekreuzigten im Wasser, im Erdboden,
im Geäst der Bäume, in den Formen der Berge, in
den Wolken des Himmels den gequälten Wanderer
verfolgt, der weder im Schlachtgetümmel noch
mitten in den Schrecken eines Schiffbruchs noch
unter wilden Tieren den ersehnten Tod zu finden
vermag, das ist mit einem Ernst und einer Erfindungs-
kraft erzählt, die einen hohen Respekt fordern und

Temperamentes bekundet sich nur in den kleineren
Vignetten, unter denen einzelne Stücke wie der
geistreiche „Traum", wie der entzückende „Kehr-
aus" an die besten Zeiten der „Contes drolatiques"
erinnern.

Dores Glück und Unglück war die Leichtig-
keit seiner Hand. Sie befähigte ihn zu einer sorg-
los übermütigen Produktion, Hess die tausend Ein-
fälle einer immer regen Phantasie mühelos Gestalt
werden, aber sie verführte ihn auch zu hemmungs-
losem Schaffen, wo die innere Beteiligung erlahmte.

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