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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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i

hat, ist tadelnswert. Im Gegenteil, nur unproduktive
Naturen bleiben immer bei demselben Wort. Aber
eben das Bewusstsein, in einer steten Wandlung be-
griffen zu sein, sollte im Urteilen auch den Ton be-
stimmen. Wer weiss ob diese Wandlung die letzte ist.
Im Sachlichen kann man stets mit Ehren zurück, nicht
immer im Persönlichen. Im allgemeinen ist der Ton
nachlässiger Geringschätzung, den Meier-Graefe den
deutschen Künstlern gegenüber oft anschlägt, ein Be-
weis für ungeschichtliches Denken. Wenn der Ver-
fasser die deutschen Maler verachtet, weil sie nicht
eine so glorreiche Tradition hinter sich haben wie die
Franzosen, so soll er erst einmal in sich gehen. Er
selbst hat die grosse deutsche Sprachüberlieferung
nicht eben in vorbildlicher Weise genützt, er selbst ist
von den Zuständen, worunter der deutsche Künstler
leidet, nicht weniger als dieser determiniert, er selbst
ist viel zu sehr im schlechten Sinne ein Berliner, ist so
wenig klassisch und als Schriftsteller bei allen glänzen-
den Eigenschaften mit so vielen Gebrechen und Kultur-
losigkeiten behaftet, dass er würdiger von Männern
sprechen sollte, die das Wesen des Deutschtums prak-
tisch, nicht theoretisch, noch jeden Tag erweitern, die
das thun, was der Schriftsteller nur denkt.

Es soll Meier-Graefe nicht um einen Deut der
Ruhm geschmälert werden, der ihm gebührt. Eben um
seines wohlerworbenen Ruhmes willen muss aber Ein-
spruch erhoben werden, wenn er unversehens euro-
päische Kunstgeschichte mit Berliner Kunstpolitik ver-
wechselt. Das ist schlimmer als wenn er „die Ent-
wicklung der Kunst mit seiner eigenen Entwicklung
verwechselt." Mit solchen Abirrungen erschüttert er
nur die Glaubwürdigkeit auch seiner andern Kunst-
empfindungen. Seine Bücher sind alle aus dem In-
stinktheraus geschrieben; darum muss sein vornehmstes
Bestreben sein diesen Instinkt rein zu erhalten. Lässt
sich der Instinkt weiterhin von Antipathien und Sym-
pathien beeinflussen, so kann diese noch nicht abge-
schlossene zweite Auflage der Entwicklungsgeschichte
ein Werk werden, das Meier-Graefe seine Souveränität
kostet und wovon die Nachwelt dann sagt: „Gott ver-
zeih ihm das Buch!"

#

Bruno Paul von Dr. Joseph Popp. Mit 319 Ab-
bildungen von Häusern und Wohnungen. Verlag von
F. Bruckmann, A.-G., München.

Bücher über moderne Architekten sind heute nicht
ganz so ernst zu nehmen wie die über Maler und Bild-
hauer. Sie entstehen anders. Meistens ist es so, dass
ein Verlag den Wunsch hat, ein vorhandenes reiches
Klischeematerial zu verwerten. Der Künstler ist mit
dieser Verwertung in einem Buch sehr einverstanden
und so braucht nur noch ein Schriftsteller gesucht zu
werden, der den Text schreibt. Die Entstehung des
Buches ist auf den Kopf gestellt; der Schriftstellerund

sein Manuskript sind nicht zueist da, sondern zuletzt.
Die Ausführungen des Schriftstellers verlieren dadurch
an Wichtigkeit, was er liefert, ist nur ein „Begleittext",
es sind Erläuterungen, er darf nicht zu kritisch werden,
sondern muss mehr oder weniger subaltern im gleich-
mässigen Lobe-Ton sprechen. Das macht seine Arbeit
uninteressant und im höheren Sinne wertlos. Die Ab-
bildungen geben den Ausschlag, es dominiert das ganz-
seitige Schaubild. Da es sich bei modernen Architekten
nun um die Produktion weniger Jahrzehnte handelt,
nimmt ein solches Buch leicht den Charakter eines
idealisierten Katalogs an, die Veröffentlichung bekommt
leicht etwas von einer Reklamepublikation. Und eben
darum nimmt man sie nicht so ernst, wie die behandel-
ten Künstler es oft verdienten. Mit diesem Brauch,
der sich in natürlicher Weise freilich aus den Verhält-
nissen, aus den Beziehungen des Architekten zu den
Zeitschriften ergeben hat, sollte gebrochen werden;
vor allem sollten die Baukünstler selbst daraufdringen,
dass man sie kritisch ernster nimmt. Dass sich über
den Baukünstler genau so persönlich, so Anteil er-
weckend und kritisch schreiben lässt, wie über den
Maler oder Bildhauer, ist erwiesen.

Das Werk über den Architekten Bruno Paul gehört
zu diesen Büchern, in denen der Schriftsteller die am
wenigsten wichtige Rolle spielt. Joseph Popp hat einen
fleissigen Text in einem ruhig beschreibenden Ton ge-
liefert, aber er bleibt durchaus im Subalternen, er reiht
die Baubeschreibungen trocken aneinander, und da ihm
dabei die Worte schliesslich ausgehen müssen, behilft
er sich mit Redensarten. Grüne Damenzimmer „grüssen
herein" und „Palisandermöbel verleihen eine vornehme
Haltung", in blauen Wohnzimmern „fühlen sich Bieder-
meiermöbel gut aufgehoben" und Kamine „laden zum
Träumen und Plaudern ein". Jeder „Begleittext" muss
mit solchen nichtssagenden Wendungen operieren. Be-
fremdlich ist, dass der Künstler und der Verleger kein
Qualitätsgefühl für diese litterarische Leistung gehabt
haben, denn auf ihren Gebieten haben sie beide doch
viel Geschmack entwickelt. Buchtechnisch ist die Ver-
öffentlichung ausgezeichnet gelungen, und von den
Leistungen Bruno Pauls geben die Abbildungen einen
starken Eindruck.

Man könnte sich freilich ein noch viel interessanteres
Buch über Bruno Paul denken. Es müssten Zeichnungen
des Karikaturisten darin sein und die ersten Versuche
des kunstgewerblichen Autodidakten; es müsste bio-
graphisch von den Entwicklungsjahren in München er-
zählen, von der Art des künstlerischen Verkehrs mit
Th. Th. Heine und Rudolf Wilke. Nie ist Bruno Paul
im Naturell vielleicht mehr Künstler gewesen als da-
mals. In jener Zeit war ein Funke Genialität in ihm.
Der Bruno Paul, der in diesem Buch dargestellt ist, hat
unsere ganze Achtung, ja Bewunderung, aber es lässt
uns kalt. Bewunderungswürdig ist, dass er sich als Auto-
didakt vom Maler zum Architekten entwickelt, sich in

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