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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 4
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Auktionsnachrichen
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Scheffler, Karl: Ernst Barlach
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0170

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Früchtekranz von ihm kostet 21 Joo Mark. Eine Land-
schaft wahrscheinlich des achtzehnten Jahrhunderts, die
einmal dem Isack von Ostade zugeschrieben wurde, weil
der gefälschte Name draufsteht, wurde mit 30000 Mark
zugeschlagen, brachte also mehr als ein gutes Stilleben
von Abraham von Beijeren. Ist bei solchen Zuständen
der unerhörte Preis von 30000 Mark für ein Skizzen-
blatt von Watteau eigentlich teuer oder muss man so
etwa nun auch schon „angemessen" nennen? — Gekauft
haben auf dieser Versteigerung im wesentlichen Kunst-
händler und neue Sammler, die man nicht kennt. Der
Stamm der alten Sammler und die Museen verzichteten
fast sämtlich. — Hier die Hauptpreise für die besseren

Stücke. Rubens, Männerbildnis: 83 000 Mark. — A. v.
Beyern, Tischstilleben: 21 joo M. — Frans Hals, zwei
lachende Knaben: ujooo'M. Frans Hals, Bildnis eines
jungen Mannes: 162 000 M. —Willem Kalf, Stilleben:
25:5:00 M. — Jordaens, der Satyr bei jden Bauern:
60000M.—Lucas Cranach(?), Männerbildnis: 275'ooM.—
Thomas de Keyser, Bildnis: 90000 M.— Barth, Bruyn,
Männerbildnis: 305:00. M.— Francesco Guardi(?), Kirch-
platz: 73000 M. — Franz Snyders, Stilleben: 205:00
M. —A. Pesne, Mädchenbildnis: 32000 M.

Zeichnungen von Boucher kosteten 10 000 Mark,
von Watteau von 6000 bis 31 000 Mark.

E. W.

ERNST BARLACH

Der Kunstsalon Paul Cassirer hat im November eine
Sammelausstellung von Bildwerken, Zeichnungen
und Steindrucken Barlachs veranstaltet, nachdem er
eine nicht eben erfreuliche Monopolstellung den Ar-
beiten dieses Künstlers gegenüber lange Zeit nicht zum
besten benutzt hat.

Die Veranstaltung war sehr eindrucksvoll. . Sie be-
stätigt, die günstigen Urteile, die vor den einzelnen
Holzplastiken in den Sezessionsausstellungen gewonnen
worden sind, ja, sie macht diese Urteile hier und dort
noch unbedingter. Nur die Zeichnungen und Litho-
graphien halten nicht ganz stand. In ihnen ist oft eine
gewisse Leere und. Systematik; es sind Bildhauerzeich-
nungen mit illustrativen Ansprüchen, zwei Dinge, die
nicht recht zueinander passen.

Barlach befreit sich offenbar von dem was ihn peinigt,
indem er es plastisch gestaltet. Und ihn peinigt vieles,
ihm ist das Leben an sich leidvoll. Barlach handelt als
Bildhauer ungefähr so, wie Böcklin als Maler handelte,
als er, zum Beispiel, die drückende Unfreiheit der Ehe
in dem Bild „Odysseus und Kalypso" gleichnishaft dar-
stellte :. Odysseus — der Mahn — blickt sehnsuchtsvoll
aufs weite Meer hinaus, während in seinem Rücken
Kalypso — das Weib — mit lachenden Gebärden zum
Genuss der sinnlichen Gegenwart lockt. In dieser Weise
wachsen auch bei Barlach höchst subjektive Empfindun-
gen ins Allgemeingültige hinein. So sind offenbar Bild-
werke entstanden, wie „Der Schwertzieher", „Der
Sterndeuter", „Der Einsame", „Der Wüstenprediger",
„Der panische Schrecken" oder „Der Ekstatiker".
Barlach lebt und denkt in Symbolen. Ähnlich ist es bei
den Gestalten, die mehr objektiv dem Leben nach-
gebildet worden sind. In diesen Fällen hat der Künstler
die seiner Empfindung antwortenden Gegenbilder in
der Natur gefunden. Bezeichnend ist, dass jene erste

Gruppe fast nur männliche Gestalten, dass sie sozusagen
nur dramatisierte Selbstbildnisse enthält, dass in der
zweiten Gruppe aber die Frauengestalt überwiegt. In
allen Fällen aber sind Menschen dargestellt, die das
Leben gewaltsam erleiden, Opfer des Lebens und zu-
gleich Vertreter eines mehr passiven als aktiven Helden-
tums. Wichtig ist schon das Stoffliche. Die Modelle
sind Bettler, Vagabunden, Wanderer; oder man begeg-
net einer „sorgendenFrau", einer„alten Frau amStock",
einem „frierenden Mädchen", einer Gruppe „Verlasse-
ner", und zwei Bildwerke heissen sogar ganz allegorisch
„Trauer" und „Hunger". Das Merkwürdige und Neue
ist, dass Absichten, wie sie sich in diesen Titeln schon
aussprechen, von einem Bildhauer verwirklicht worden
sind. In der Malerei begegnet man ähnlichen Tendenzen
ja häufig genug. Bemerkenswert ist, dass es hier ge-
lungen ist,- man darf sagen, zum ersten Mal seit Riemen-
schrieider oder doch seit der volkstümlichen Holzbild-
hauerei des Barock, dichterischen Stimmungen und grüb-
lerischen Weltgefühlen eine genau zusagende plastische
Form und eine überzeugende Technik zu finden, dass
eine schöne, stets beängstigte, leicht verletzliche Künst-
lernatur, die die Einsamkeit sucht, den Beweis der
Möglichkeit erbringt, innerhalb der Skulptur zu dichten,
Stimmungen zu gestalten, auf das schwankende Ge-
heimnis hinter aller Erscheinung hinzuweisen und doch
in den Grenzen der plastischen Kunst zu bleiben, ja,
diese Grenzen sogar mit streng beschränkender Kraft
neu zu bezeichnen. Barlach wäre problematisch ohne
sein starkes, ursprüngliches plastisches Formgefühl,
um so mehr als er vielseitige Interessen hat, als er auch
ein romantisch monumentalisierender Illustrator und
ein Dramatiker des Gespenstischen sein möchte. Ohne
dieses bestimmte und zur äussersten Bestimmtheit
drängende Formgefühl hätte sich der dichtende

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