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C^r- Kleine zweite Durchquerung des Mhowplahes.

S]i,eciaCGprid)t bcs Cocrcfponöenten vom ,,3C«mbiunei' ^ofinenDfatt."

Weitem wäre» es gerade vier Jahre, als ich nächtlicher Weile, gejiihrt
vuii einem Milqlieoe der Berliner Frcnidensührer-Gilde, dem Pallisaden-
Karl, die erste Durchquerung des berühmten, damals noch von einem Gewirr
von Holz. Steinen und Kohlen erfuKtcii Lntzowplatzes vollendet halte. Ihre
Leser ,verden >>ch noch erinnern, tvic ich unter beivahrter Führung von der
Canalseite ans in jenes seht geräumte Gebiet eindrang, das damals nur von
zahllosen Hnnden, den Schakals des Westens, bevölkert war, und ivie ich
schließlich den Rest der Nacht unter Verlust »icincs Cicerones aus einer
Filiale der Firma Richlhofen in einer Gesellschaft zubrachte, die, wie zu-
wcilen die „Naiional-Ieitung", ihren iirsprungsort äusterlich nicht erkennen liest.

Dieses Mal leuchtete nicht der Mond Ossians, sondern die Sonne
Wistmanns meinem Unternehmen, als ich pihrerloS von der Maastenstraste
In das Forschuiigsgcbict, eine weite Ebene, cindrang und voii dein gchcimniß-
vollcn Weben der Vorzeit uinschauerl eine Entdeckung nach der ander» machte.
Reste langst entschwundener Cnllur fand ich vor und kouutc nicht umhi», die
Samiiilungen unseres Kaineruner Prähistorischen Museums zu bereichern.

Die Schätze der hiesigen Museen sind bekannt. Warum sollen nicht auch
unsere Landsleute ei» Bild von dem Leben ausgcstorbcner Berliner Generationen
erhalten?

Da trat mein Fnst zunächst auf ein Stück sogenannter ^Dachpappe". Es
halte die Form eines »uregelmäßigen Vierecks, dessen Seiten »ngesähr 1,20,
1,70, 1,40 und 0,60 in lang ivaren. Das ganze Stück erscheint stark ver-
bogen, die Ränder sind Iheilweije ausgezackt, die Dicke beträgt 2 om. Die
chemische llntersuchung der Substanz habe ich veranlastt. Besonders bcachtens-
werlh erscheint mir der Umstand, das; Reste von Eierschalen an der Ober-
fläche klebten. Wie mögen >>e dorthin gelangt >e»i? Hoffentlich unterzieht
unser bewährter Prähistorikcr Sch»us,el diesen Punkt einer genauen Unter-
suchung, wofür ich ihm bemerken ivill, das; die Fundstelle etiva fünf Pariser
Fnst von der südlichsten Ecke des Platzes entfernt, zum Theil mit Stroh (!)
bedeckt war und keine menschlichen Fußspuren auswics. Der spitze Winkel deS
Fnndstücks zeigte nach NNO.

Auster diesem interessanten Belag für europäische Cultur saniincltc ich
noch zwanzig andere der gleichen Art, deren Beschreibung folgen ivird.
Lassen Sie drei Meter hohe Glasschränkc anserligcn und die verschiedenen
Platten nach allen Seiten hin sichtbar ausstellcn. A» der kleinsten Platte,
die mir ein Herr August Nenmaun überreichte, must ein Zettel mit dem
Namen des Geschenkgebers angebracht werden. Ferner erhallen Sie fünf-
undsiebzig ivcistglasirte Thonscherben. Die Zuiaminciyetziing dcr>elben ist
mir leider bisher nicht geglückt. Die ungewöhnliche Dicke der Scherben und

ihre Zugehörigkeit zu einem augenscheinlich quadratischen Ganze» Zäst, «U.
leicht den Schluß zu. daß Reste eines jener wunderbaren Gebilde Boiliegen>
die man hier zu Lande „Ösen" nennt und die in Kamerun, mit Eis p
füllt, zur Erzielung einer angcnchmeu Temperatur benutzt' iverde» tonnten.
Das Gewicht der eiuzelneu Stucke schivaukl zwischei; 1 kg. bis 10 gr. ^
welche», Zwecke die Verkleinerung deS Ganzen vorgenvmmcn wurde, ist ^
läufig räthselhaft. Die Glasur lag bald oben, bald unten; auch hierfür sth»
die Erklärung.

Dreißig Pariser Fuß südlich von dieser an der nördlichen Gienzliiist
belcgencn Fundstelle stieß ich auf einen Hausen kreisrunder grüner GlassillL
Sic sind eigenthümlich gestülpt, und haben Aehnlichkcit mit dem Baden d«
bei uns Übliche» Runiflaschen, aber eine nähere Betrachtung lehrt uns, dast ivi,
cs mit den sogenannten Biitzenscheiben zu thun haben, die jetzt wieder von
den Augenärzten für die Studirzimmer cingesiihrt sind. Ich sende Zhn-n
achtundvierzig Stück und bitte, sie in Blei fassen zu lassen; sie geben ge,-de
ein Fenster.

Auch einige aus Leder augefertigte Fußbekleidungen, die nur zur llnu
rahninng des Fußes gedient und die Sohle sreigelaffcu zu habe» sch-ine»,
füge ich bei. Die anthropologische Gesellschaft hat ivohl die Güte sestzusiellm:

a. ob sie von männlichen oder ivciblichen Individuen getragen würben;

b. von welchem Thier das Leder herrührt; c. ob dies ein männliches ad«
ivciblichcs Thier gewesen ist.

Die beigeschlossenen zehn Hüte lagen zivischen einem Hansen Geröll io
östlichen Winkel des Platzes, theilweise 4-8 Zoll lies vergraben. Das m
mir mit dem Moinentphotvgraphen ansgenoniinene Bild hält die deniwüidige
Stelle fest, denn cs ist zu fürchten, daß der alles nivellircnde Zahn der
Zeit auch vor diesem Denkmal der Vergangenheit nicht Halt machen wird.
Diese Hüte, ivenn ich sic so nennen dars, zeigen die seltensten Formen, mit
man sie nur noch bei Schützenfeste» in kleinen Städten erblicken soll, st«
auf ein enormes Alter schließen läßt. Farbe und Stoff läßt sich voitäajiz
nicht bestimmen. Allen ist jedoch die Zusamnienpressung des oberen Sfctilv
eigenthümlich. Dies hängt vermnlhlich mit einer geheiligten «»germanisch»,
Sitte zusammen, die noch heute in der Neujahrsnacht ausgeübt wird. Zwelstl-
los hat der Fundort einmal als Schaurilokal des boino praedistorieus öo-
rolinensis gedient. Das Antlitz ostwärts gewandt saßen die Liitzowplch
bcivohner da, schauten in Erinanglung von Uhren der ausgehenden Somu
entgegen, um den Jahresanfang festzustcllen, und begrüßten sich unter gegen'
scitigcm Schlagen auf die Kopfbedeckung mit einem jauchzenden
„prosit nsntzlir!"

Kin neuer Kisenbahnmiinster im neuen Kurs.

Von Tag zu Tag stellt sich mehr und mehr die Degencrirung des
Civilstandes in Preußen heraus. Wenn man sich nun auch bemüht hat,
diesem Ucbelstande durch gelegentliche Besördernng von Civilministern zu
Lieutenants, Majors und Rittmeistcm der Landwehr abzuhelfen, so kan» mit
solchen halben Maßregeln doch kein durchgreifender Erfolg erzielt tverden.
Mit Recht verlangt inan daher, daß der Nachfolger des Herrn von Maybach
ein General ivcrdcn soll.

Dann erst wird der richtige Zug in die Sache kommen.

Die -Reisenden werden auf den Bahnhöfen den Fahrklasjcn entsprechend
in Compagnien (I.—VI.) eingelheilt und unterstehen mit dem Lösen der Fahr-
karte dem Militärstrafgejetzbnch. Beim ersten Läuten der Glocke haben sie
aus dem Bahnsteig gut auSgerichtet Stellung und beini zweiten Läuien nach
einem Parademarsch in Compagniesronlen in den Wagen Platz zu nehmen.
Das Aussteigen dars unterwegs nur nach Erthellung einer Urlaubskarte durch
den als Zugführer jungirenden Hauptmann erfolgen. Zuividerhandelnde
ivcrdcn einen bis drei Tage lang in den Arrestwagen gesperrt und haben ihre
Strafzeit abzusahren.

Marketender befinden sich in jedem Zuge.

Wir machen die Regierung darauf ailfmerksain, daß in Afrika in diesem
Jahre die Heuschrecken außerordentlich gut gerathen sind. Man hat dort
lange nicht eine so reiche Heuschreckenernte gehabt. Große Massen dieser ge-
flügelten Frucht, die an Ort und Stelle überaus billig abgegeben ivird,
können in der nächsten Zeit aus Afrika bezogen werden.

Heuschrecken sind sowohl geröstet als auch wie Spinat zubereilet ein
sehr gesundes Nahrungsmittel. Johannes der Täufer aß sic gern mit Honig,
der sie aber schwerer verdaulich macht und deshalb besser sortbleibt.

Auf der Eisenbahn.

In der Nacht vom 2. auf den 6. Juni fuhr ein Manu mit de», öchn-"'
zugc von Berlin nach Köln. Er halle aus dem Bahnhos verschicdciie Abcnd-
zeilnngen gelaust nnd dachte sich die Zeit durch Lese» zu vertreiben. «
glückte ihn, aber nicht, tveil bei der schlechten Beleuchtung ihm bald die . ug
weh thaleu. Der Schaffner, dem er sein Leid klagte, erwiderte hö,stich:

Gas brennt mit vollem Druck. Jeder beschwert sich freilich über die uw
genügeudc Beleuchtung, aber ich kann nichts dabei thun." Ter Reisende ehn e
sich in seine Ecke nnd hing, da er nicht schlafen konnle, seinen Gedanken nach

Als man über Minden hinaus war, ging die Sonne aus. Erstw
nahm der Mann jetzt seine Zeitungen wieder hervor und las, wie »> «
letzte» Sitzung deS Abgeordnclenhaujes vier Redner ans verschiedenen S '
tionen Herrn v. Maybach ihren Dank dafür ausgesprochen hatten, daß
Eisenbahnverwaltung in jeder Hinsicht für die Bequemlichkeit des
Publikums sorge. „Schade," sagte er zu sich selbst, „daß ich das nicht ID
diese Nacht habe lesen können!"

Wie die Zeitungen berichte», hat sich der frühere Elsaß-LothringW
Unlerstaatssekretär Herr v. Mahr an der Straßburger Universität alS Pn«-
dozenl für Nalionalökoncnnic niedergelassen.

Endlich doch mal einer, der abgeht und nicht Oberpräsident wird! W'
schcinlich haben ihm die fürchterlichen Straßburger Moiiopolcigarre» ei>
Geschmack an den Regierungsgcfchästcn für immer verdorben.

Der Prinz von Wales beabsichtigt, ivie man hört, ein Büchlein heraus-
zugeben, welches de» Titel führen soll; „Die Gesellschaft, in dermal«
mogelt." I» Cavalicrkreisenwartet man mit Spannung aus daS Ersche^
des intercssanten Merkchens.
 
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