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122

Kon der ZKose k.

Gin neuer Dreibund.

I» ausfallender Weise stellen sich jetzt bei vielen Bewohnern der Um-
gegend von Trier allerlei Krankheiten ein, von denen früher niemand etwas
bei ihnen bemerkt hat. Namentlich handelt es sich dabei um Lähmungen
aller Art.

In Dudeldorf im Kyllthal liegt seit acht Tagen eine stämmige Kuh-
magd, der früher nie etwas gefehlt hat, zu Bette, iveil sie kein Glied zu
rühren vermag. Fromme Bewohner des Ortes versorgen sie mit Speise und
Trank, was um so mehr anzuerkennen ist, als sie einen unglaublichen Appetit
entwickelt. Jeden Tag erkundigt sich die Kranke, ob in Trier der heilige
Rock noch nicht ansgehangen sei.

In Flaschenberg bei Zeltingen wurde ein Bauer plötzlich von einer
totalen Lähmung des rechten Arms befallen, was ihm besonders deshalb
schmerzlich war, weil er nun Abends int Wirlhshaus sich nicht mehr am
Kartenspiel betheiligen konnte, sondern zusehen mußte. Neulich erklärte er
beim Nachhausegehen: „Das halt' ich nicht länger aus!" Am nächsten Morgen
war die Lähmung auS dem rechten Arm in das linke Bein gezogen. Jetzt
läßt er sich von seinem ältesten Sohn ans der Schiebkarre zum Wirlhshaus
fahren und kann doch wenigstens sein Spielchen machen.

In Uzdorf bei Piesport hat ein Weinlvirth unter einer schweren
Störung des Sehverinögens zu leiden. Wenn seine Gäste bezahlen, so gibt
er ihnen fast immer zu wenig heraus, iveil er die Münzen nicht mehr zu
unterscheiden vermag. Ebenso irrt er sich in seinen Cigarren; wenn eine
bessere bestellt ist, greift er oft in die Kiste, welche die billigen enthält. Vor-
läufig iväscht er sich die Augen ans den Rath des Ortsschäscrs mit Moselwein,
seine Haupthoffnung setzt er aber auf Trier.

In Proppenberg bei Trarbach wurde der Ortsvorsteher plötzlich an
beiden Beine» lahm, nachdem er noch am Abend vorher dem Herrn Pfarrer
einen Besuch gemacht hatte. Es ist ein ergreifender Anblick,. >vic der sonst
so rüstige Manu sich mühsam aus Krücken sortschlcppt. Jüngst hatte er sie
allerdings eines Abends spät im Wirthshause stehen lasse», aber die Besserung
ging leider bald vorüber. Als ihn am nächsten Morgen seine Frau fragte,
>vo er denn die Krücken gelassen habe, stellte sich plötzlich die Lähmung wieder
ein, und die Hölzer mußten schleunigst auS deni Wirthshause geholt werden.

Auffallend ist es, mit welcher Entschiedenheit alle diese Leidenden den
Beistand der Acrztc, der ihnen doch nicht helfen könne, zurückweisen. Mit
rührendem Vertrauen blicken sic der Ausstellung des heiligen Rockes entgegen
und envarteu von dem Anblick der Reliquie mit felsenfester Geivißhei! ihre
Heilung. Möge bei keinem von ihnen dieser fromme Glaube getäuscht werden!

Ein Ztrtheil über Kerrn von Wollmar.

Uus socialdemokratischen Rreisen.

Es geht immer weiter bergab mit ihm. Nun braucht er bloß de» Adel
noch auszugcben, dam, ist er der Bourgeois, wie er im Buch steht.

Don Kiriacy - ZIairtrup f.

Nicht soll es heißen, daß wir dessen
Gedächte» nicht, dem so viel Dank
Wir schuldig sind, daß wir vergessen
Ihn, der ins Grab so eben sank.

Manch Lied und Bild war's, das ivir brachten
Ans ihn, als er »och eifrig stritt.

All unsre Leser, wie sie lachten!

Er selber aber lachte mit.

Nachdem er lang uns war entschwunden,

Taucht srcundlich jetzt sein Bild hervor,

Und für sein Grab sei ihm gewunden
Ein voller Kranz von dem Humor.

In Paris ist der Weizcnpreis seit dem Eintritt der Zollermäßigung
gesunken, und zwar um mehr, als diese Ermäßigung beträgt. Natürlich
suchen die Gegner der Getreidezölle bei uns hieraus Capital zu schlagen, aber
zum Glück ist es den Bemühungen einiger agrarischen Bolkswirthe schon ge-
lungen, die wirkliche Ursache dieses Preisrückgangs nachzuweisen.

Danach erllärt sich die Sache ganz einfach und natürlich. Die großen
französischen Spekulanten verkaufen den Weizen zu Schleuderpreisen, nur um
der deutschen Reichsrcgierung etivas am Zeuge flicken und höhnisch sagen zu
können: „Seht, ivic Herr von Caprivi sich geirrt hat!" Also hübsch ruhig,
ihr Freihändler!

Wie wir aus sicherer Quelle erfahren, hat sich ein neuer Dreibund
zivische» Deutschland, England und dem Sultan gebildet. Er verfolgt natür-
lich da-:- Ziel, der Welt dauernden Frieden zu geben. Er begreift, daß jU
dem Zwecke zunächst Frankreich und Rußland zufrieden zu stellen sind, und
schlügt deshalb folgende Aenderungen des jetzigen Besitzstandes vor:

1. Deutschland tritt an Frankreich das ganze linke Rheinufer ab, sorgt auch,
nölhigenfalls mit Gewalt, dafür, daß Belgien und Holland sich der
sranzösischc» Republik unlerordnc». Frankreich macht dagegen den
Bischof Korum zum Bey von Tunis und läßt ihn den heiligen Rock
in seiner neuen Residenz ausstellen. Damit beruhigt man die evange-
lischen Gewissen.

2. Deutschland tritt Posen an Rußland ab und erhält dafür das Recht des
freien Fischsangs aus der Wolga, soivie 100 Quadrat-Desjatinen besten
Caviarbodens am Ostuser des Kaspischen Meeres.

3. Deutschland tritt Schlcstvig-Holstein an Dänemark ab und erhält dasiir
einen gleichgroßen Landstrich in Grönland.

4. England tritt Indien an Rußland ab und erhält dasiir Sibirien östlich
von, Jenissei.

5. England tritt die normannische» Inseln und Irland au Frankreich ab.
Frankreich gibt alsdann dem Papst in Londonderrh freie Wohnung,
wogegen dieser sich verpflichtet, in Zukunft nur von Kartoffeln zu leben
und der katholischen Christenheit den Pclerspseunig zu erlassen.

6. Der Fürst von Monaco ivird verjagt. Das Fürstenthum erhält der
Prinz von Wales.

7. Der Sultan tritt Konstantinopel an Rußland ab und darf dasiir seinen
Harem ausgeben.

8. Der Sultan tritt Arabien an Frankreich ab, das sich verpflichtet, ihm
jährlich drei Sack Mokka zu licscni.

9. Endlich setze» cs die vereinten Mächte durch, daß der junge König von
Serbien für fünfzig Jahre aus Reisen geht. Der Fürst von Montenegro
verwaltet in dieser Zeit Serbien.

Zl n st e r n.

llnstern, dieicm guten Junge»,

Hat es seltsam sich geschickt,

Manches >vär' ihm säst gelungen,
Manches ivär' ihm schier geglückt,
Alle Ordcnssler»' im Bunde
Hätten strahlend ihm gelacht
Hätte nur zur frühem Stunde
Er zum Kanzler es gebracht.

Gerne hält' des Schutzzolls Gaben
Er dem deuljchen Volk verlieh»,

Doch cs thät dieselben haben
Lange Zeit schon ohne ihn.

Selbst das Centrum zu gewinnen
Für das coloniale Fach,

Wär' ein rühmliches Beginnen —
Doch citi andrer that es — ach!

Auch mit England anzubandeln,

Ein Verdienst wär's, nicht gering,
Müßte man nicht Pfade wandeln,

Die ein anderer schon ging.

Unstern ivill den Dreibund gründen,
Kinder, denkt euch, ivas geschah:

Den auch mußt' er ,crtig linden,
Längst schon stand der Dreibund da.

Und als die Gelreidepreisc
Stiegen, ivie sie'S nie gclhan,
Wandelt nach der alten Weise
Unstern ruhig seine Bahn.

Täglich ivird die Schrippe kleiner
Doch der gute Unstern spricht:
„Nach der Ernte kann uns keiner!"
Aber, iveh, so kam es nicht.

Denn die Spekulautenbande
Läßt es regnen Tag für Tag.

Das Getreide in dem Lande,

Sagt doch, wo cs bleiben mag!

Und das Volk voll Aberglaube»
Meint, daß Hunger wehe thut.
Unstern sieht die Emte rauben
Hagclschlag und Regen,luth.

Schreit nur lauter stets, ihr Tropft.
Daß der Kornzoll endlich sällt;
Unstern zählet seine Knöpse,

Ob er ihn noch bcibehält:

„Ja, nein, ja, nein" — 's ist !cinZw«ft>
Denn stets gleich die Knopfzalfl M#-
„Ach, da hol' mich gleich der Teuse.
Unstern, nein, das thut er nicht.

Die „Kreuzzeitung" behauptet von den Nationalliberalen, daß „f>® "“1
dem freisinnigen Bruder, dem sic sonst nur im m-itternächtliche»
Schatten ihre Liebe zu gestehen wagten, bei Hellem Tage Arm >«
Arni über die Straße spazieren."

Hoffentlich handelt es sich nur um „reine Schwesterliebc." -

Wenn die Kreuzzeitungspartei sich nicht mit ihrem srciconservaliven Bru »
öffentlich zeigt, so hat das wohl seinen Grund darin, daß er der beste Bru er
auch nicht ist.

Die Königin von Rumänien ist in Venedig eingetroffen und zwar >">
strengsten Jncognito. Etwa als Carmen Shlva?
 
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