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JUO

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Die Angriffe auf unsere Armee. ük.

JTrri »ach der „Nveuzzoilung".

^^^Uilitär und Agrarier siche» in inniger Wechselbeziehung z» einander, wie
Rennpferde und Zuchtpferde: gute Rennpferde wählt man zu Zucht-
pferden, und ans diesen gehen wiederum Rennpferde hervor. Besteht also
zwischen diesen Ständen kein Gegerisatz, so ist er nm so größer zwischen
dem gemeinen Civiliste» (civis communis contribuens L.) und dem Agrarier
(hcmo agrarius rapax). Schon zu Adams Zeiten kam dies znm Ausdruck,
als der Agrarier Abel vom Civiliste» Kain erschlagen wurde, und seit
jenen Tagen haben die Verunglimpfungen der Ackerbauer durch die Nach-
komnicn KainS nicht aufgehört. Natürlich hat sich dies Mißvcrhältniß
auch a»f das Militär übertragen.

Wen» man bedenkt, ivelch kümmerliche Stellung der Soldat im Staats-
und Gcfcllschaftslcbcn cinnimmt, so erscheinen die jetzt üblichen Angriffe mit
die wehrlosen Militärpersonen mit und ohne Charge geradczii ungchcncrlich.
'Was hat eigciitlich ein Lieutenant vom Leben! Ilcbclwolle» und Exclusivität
der bürgerlichen Kreise pferchen ihn in sein Casino ein; er ist auf wenige
theurc Kneipen beschränkt; aufs engste sind ihm die Grenzen in der Aus-
wahl unter den Töchtern des Landes gezogen; schließlich ist er znm Halten
der kostspieligsten Pferde und Jagdhunde gezwimgeN.

Welchen wohlwollende» Bcurtheiler nimmt cs da Wunder, wenn ein
so nach allen Richtungen hin beschränkter Mensch sich zum grämlichen
Pessimisten ansbildct und die Tiefen dieser trostlosen Weltanschauung voller
Mißgunst an der Hand des Militärwochenblatts und der Rangliste zu
ergründen sucht! In seiner unglücklichen Stimmung wird er nun noch
obendrein von der allerseits inscenirten Lieuteuantshetze betroffen. In Speyer,
in Mainz, der Hochschule für chevalereskcs Auftreten, in Berlin, der Metropole
des Gardcbcwußtscins, überall, wohin man hört, beginnen die Civiliste«

eine ivüstc Opposition, sobald ein von thatcnloscr Traurigkeit verzehrter
Cavalicr von seiner Höhe herabsteigt und mittelst Degens oder Reitpeitsche
jenen herzlichen Ton anschlägt, der, keine Standesunterschicde anerkennend,
an patriarchalische Zeiten gemahnt. Oder ist cs etwa keine wohlthucnde
Herablassung, wenn ei» Officicr den, Bürger gestattet, über de» vorgehaltcncn
Degen zii springen, wie es der bevorzugte Hund des Herr» Lieutenants »ach
unendliche» Versuchen endlich gelernt hat; wenn er auch dem Civiliste»
mit der Reitpeitsche auf ebenso vertrautem Fuße begegnet ivic einem edlen
Reitpferde? Eine derartige Thätigkcit entspricht eben recht der Prärogative,
die dem Officicr in seinem Patent zugesichert ist. Und was ist der Dank
dafür, daß hier eine 'Annäherung versucht lvird? Tie Hebe.

.»> ähnlicher Weise mehren l>ch die Verfolgungen, die der Ilntcrofsicicr
durch den Civiliste» z» erdulde» hat. Ein harmloser Hieb mit dcni Seiten-
gewehr, eine Ohrfeige werden nicht mehr als correctio kraterna angesehen,
wie sie unter dem Volk in Waffen als selbstverständlich empfangen werden
sollte. In kleinlicher Bekrittelung und Haarspalterei legt man den Maßstab
des Schmerzgefühls an derartige Begegnungen, fubfumirt sie unter den
Begriff der Körperverletzung, und was sonst der Lächerlichkeiten mehr sind,
anstatt anzuerkennen, daß hierin nur eine Vorbereitung auf den Umgang
mit dem Publicum liegt, die mit Rücksicht auf die in Aussicht gestellte Be-
schäftigung des Untcrossiciers im Staatsdienst, wie sie der Civilvcrsorgungs-
schcin zusichert, unerläßlich erscheint. Durch daS Geschrei über diese Art
des Vorbereitungsdienstes kann das harmonische Verhältniß zwischen Militär
und Civil nur getrübt werden. Mögen diese Zeilen dazu beitragen, die
Bürgerschaft zu beruhigen und den Hetzereien einer böswillige» Presse die
Spitze abzubrechen.

Arief des Huartaners Karkche» Meßnick an seinen
Freund Adolar von Stint.

Lieber Adolar!

Mit Vergnügen und 25° Reaumur im Schatten ergreife ich die Feder,
um Dir niitzutheilen, daß die Hundstags-Hitzc bis jetzt recht erfreulich auf
den SchulanSfall und das NationalitätS-Princip eingewirkt hat und die
Losung jetzt heißt: „Berlin für die Deutschen", womit der berühmt gewordene
Dr. Friedrich Lange in der „Täglichen Rundschau" de» Kampf gegen
die lateinischen Schriftzeichcu auf den Straßenschildern Berlins unterstützt-
indeni man sich und andern auch mit kleinen Dinge» ein Vergnügen bereiten
kann, wenn die Kräfte zu großen fehlen: ut desint vires, tarnen est laudanda
voluptas, sagen wir Lateiner. Daß so inferiore Geister wie die Gebrüder
Grimm sich der lateinischen Schrift bedient haben, erklärt sich aus ihrem
mangelnden Nationalitätsbewußtscin, verbunden mit unwürdiger Kriecherei
vor den Ausländern. Auch würden die Schüler durch Ausmerzung des
lateinischen Alphabets viel Zeit ersparen, indem dadurch der kosmopolitische
Zug des deutschen Bürgers schon im Keime erstickt würde, wie Onkel Fritz
erklärte, und die Pantincnschüler, sobald sic später einmal etwas in einer
andern Sprache lesen sollen, mit gutem Gewissen sagen könnten, das haben
wir nicht gehabt. Gestern bei der großen Parade ans dem Tempelhofer
Feld haben mehrere ans unserem Cötus eine Wette verloren, da sic glaubten,
die Schulen würden, wie neulich in Spandau, zur Belebung des kriegerischen
Geistes akarmirt werden, weshalb mir die Schulmappen wieder anspackcn
mußten und nun die Meinung verbreitet ist, daß die Schulreform iiis Stocken
gcrathen ist, womit ich dich grüße als

dein ewiger Freund und
Quartaner Karl Mießnick
Coetus B.

Die Versammlung der Heilsarmee, welche Gcneral Booth am 29. Mai
in Berlin berufen hatte, ist nur sehr schwach besucht gewesen. „Tic große
Hitze ist daran Schuld", trösteten die Frciinde.

„Ich fürchte vielmehr, daß cs noch nicht heiß genug gewesen ist", er-
widerte der General mit schlauem Lächeln.

Gras Hohenthal »t. wie aus feinen Aeußcrungen hcrvorgcht, im
Begriff, den Glauben an den preußische» Staat zu verlieren.

Wir können dazu leider nichts sagen als: du arnier, armer preußischer

Jür die Fesuite».

Da durch den Gelehrten Dr. Nik. Th o ein es und den Abgeordneten
Dr. Ernst Lieber mit vollständiger Sicherheit erwiesen worden ist, daß
Preußen seine ganze Herrlichkeit den beiden Jesuiten Vota und Wolf
verdankt, liegt cs wohl nahe, diesem schwarzen Bismarck und Moltic
früherer Zeit ein Denkmal z» setzen. Von denkenden Künstlern, an die
wir uns gewendet haben, sind uns bereits einige Entwürfe vorgelcgt
worden. Der eine stellt die beiden bezeichueten Männer zu Fuße dar, zu-
sammen auf einem Sockel stehend. Unwillkürlich denkt man an Schiller
und Goethe, aber die breitkrempigen Hüte und die Fuchsgesichter darunter
belehren »ns, daß wir cs mit lvc.it größeren Genies zu thun haben.

Der zweite Entwurf zeigt
uns Vota und Wolf zu
Pferde. D. h. sic sitzen beide
auf demselben Pferde mit
einander zügekehrte» Rücken.
Ein sehr guter Gedanke in
dcr That! An den vier Ecke»
des Sockels hat der Künstler
als Wasserspeier vier ver-
schiedene Thicrc, Haifisch,
Viper, Wolf und Fuchs, an-
gebracht. Auf der einen
Seite trügt der Sockel die
Inschrift „Den Gründern
Preußens", auf der andern
lesen wir: „Der Zweck

lautet bekanntlich der berühmte
der zuerst von den
Jesuiten entdeckt, darauf von
der Diplomatie und der Bör-
senwelt zum Dogma erhoben
worden ist.

Außerdem ist uns noch ein Entwurf zugegangen, der den Jesuiten
Wolf allein i»t Schafpelz darstellt.

Schade, daß diese herrlichen Kunstlverke nicht frühe genug fertig ge-
worden sind, um die diesjährige akademische Kunstausstellung in Berlin
zieren zu können!
 
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