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Schultze.I.Die Oldenburjcr sind jcsährlich. Neulich halt.» se sojar
im Landtag de», Minister Flor 'n Mißtrauensvotum ausjesprochen!
Müller. Und wenn er n» dcniissionirt hätte?

Schnitze. Na, die Trauer wäre ooch »ich sehre jroß jewesen
Müller. Det stimmt: kecn Mensch würde mit Flor jcjangen sein.

Immer langsam voran.

Avbeilsauaschuhlieb der Verlinev Gewerbeausstellung.

Immer langsam voran, immer langsam voran,

Die Ausstellung Ivird fertig, nur fragt uns nicht, wann.

Mit den Ausstellungen grad' hat man oft sich geirrt —

Vielleicht wird'S Octobcr, ehe fertig sie Ivird.

Roch stehen überall die Gerüste umher.

Doch ist daS kein Schade, denn sie zieren so sehr.

Und wer nicht hübsch ausweicht, kriegt eins vor den Kopf
Mit dem Balken, mit dem Brett, mit dem Oclfarbcntopf.

Immer langsam voran, immer langsam voran,

Die SluSstellung wird fertig, nur fragt uns nicht, wann.

Die elektrische Bahn — ei, ist die mal schön!

Da kriegt man doch mal was von der Gegend zu sehn.

Jetzt geht cs, jetzt häll'S, jetzt geht'S wieder ein Stück,
lind dann kann's nicht vorwärts und kann nicht zurück.

Das ist ja kein Unglück und thut keinem leid,

Man kommt ja nach Treptow noch immer zur Zeit.

Immer langsam voran, immer langsam voran,

Die SluSstellung wird fertig, nur fragt uns nicht, wann.

Stöcker behauptet, wenn ihm die rechte Hand abgehauen würde, so
würde er sofort mit der linken seine Dkutze schwenken und ausrusen: „Es
lebe der König!"

So sagt er, immerhin würde ihm der Verlust der einen Hand nicht
sehr angenehm sein. Nicht so schlimm wäre es für ihn, wenn er nur mit
dem Verlust der Zunge bestraft würde. Da dieses Organ bei ihm doppelt
vorhanden ist/ so behielte er immer noch eine Nescrvezunge im Mund'.

Jeder der Hunderttausende von Dclegirten, die aus dem weiten
russischen Reich zur Kaiserkrönung entboten werden, erhält als Andenken
einen emaillirten und mit Goldstreifen und roth-blauen Länderornamcnten
verzierten Trinkbecher. Vorläufig sind 600 000 Stück hcrgestcllt, von denen
einer völlig dem andern gleicht; jeder faßt genau ein halbes Liter.

Aus der letzten Angabe geht hervor, daß man in Rußland den Schnaps
aus erheblich größeren Gesäßen zu trinken pflegt als bei un8. Die Sache
erklärt sich wohl auS dem rauhen Klima des Landes, das den Bewohnern
eine stärkere Zufuhr von Alcohol zur Pflicht macht.

Zwei bekannte Agrarier besuchten vor einige» Tagen die Gewerbe-
Ausstellung und sahen, um welchen geringen Preis in der Volksküche und
in der Speiseanstalt der Vegetarier schmackhafte Kost verkauft wird. Das
erregte bald ihren Zorn. „Was kann uns das Margarincgesetz nützen —
sagte der eine — wenn hier für zwanzig Pfennig eine Wurst und eine
Portion Sauerkraut dargeboten werden? Wird das Volk uns die Butter
besser bezahlen, so lange ihm hier für ein Spottgeld ein warmes Mittag-
essen vorgcsctzt wird?" „Diese Volksküchen müffen verboten werden",
entgegnete der andere. „Wir werden im Reichstage einen dabin zielenden
Antrag stellen!" Dann gingen die beiden Herren zu Drcssel frühstücken.

Or. Peters hat — nach der Meldung einer Wiener Zeitung — der
italienischen Regierung seine Dienste für Eritrea angcbotcn, ist aber ab-
schlägig beschiedcn worden. Die italienische Regierung hat sich eben gesagt,
man dürfe den Abessyniern nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.

HZrief der Krau Amtsrath Auguste Mothmann in Merliu
an ihre Schwester Louise in Wernigerode.

Liebe Louise!

Nein, dieses Frühjahr! Nicht etwa des schlechten Wetters wegen; das
wollte ich gern ertragen, da wir ja unser Gut glücklich verkauft haben und
nicht mehr von der Witterung abhängig sind. Aber diese Gewerbe-Aus-
stellung und dieser Logirbesuch, den sic mit sich bringt! Wir haben cs ja
Gottlob dazu; auf zwanzig Mark braucht cs uns nicht anzukommen, und
unsere Wohnung ist auch ziemlich groß. Aber man will denn doch nicht
ganz und gar sei» Heim zum WirthShause gemacht sehen; dazu hat man
sich doch wahrhaftig nicht zur Ruhe gesetzt. Und so ist cs jetzt. Seit Ei-
öfsnung der Ausstellung, seit vollen drei Wochen, haben wir beständig
Besuch, jetzt schon das fünfte Ehepaar. Und für die erste Hälfte des Juni
hatten sich Schulzens aus Paderborn gleich auf vierzehn Tage angemeldct,
und als ich ihnen schrieb, mein Mann und ich wären sehr nervös und
würden wahrscheinlich bald ins Seebad fahren, antwortete die Schulzen
ganz unverfroren, dann möchten wir ihnen wenigstens unsere Wohnung
auf zwei bis drei Wochen zur Verfügung stellen. Da habe ich aber
energisch abgewinkt und ihr vorgelogen, unser Mädchen hätte die Pocken
gehabt und die Wohnung müßte erst dcsinficirt werden. Ob sie das be-
greifen wird?

Auch mein Mann hat das Leben nachgrade satt, und das ist kein
Wunder. Denn ich schütze Müdigkeit vor, er aber muß mit jedem Besuche
die alte Ausstellung immer wieder durchmustern und kennt sie beinahe schon
auswendig. Und das ginge noch; aber nach dem Besuche der Ausstellung
werden die Frauen, weil sie abgespannt sind, nach Hause geschickt zu mir,
' die Männer wandern ins Theater, und wohin sie später gehen, das
mag Gott wissen. Mein Alter aber kommt nie vor drei Uhr nach Hause
und dann mit einem rothen Kopfe, und er ist doch jetzt auch schon fünfzig
und muß anfangen, sich in Acht zu nehmen. Ra, er ist ja denn auch, wie
gesagt, dieses Lebens überdrüssig, und wir haben deshalb heute beschlossen,
dem ganzen Schwindel zu entfliehen und den Sommer in Wernigerode zu
verleben. Ich bitte Dich deshalb, uns schnell im Christianenthale eine
Wohnung von drei Zimmern zu miethen für die Zeit vom 1. Juni bis

15. Octobcr, wo die Ausstellung vorüber ist, aber ja recht schnell,
damit sich mein Mann nicht erst anders besinnt. Meinen Dank im voraus.

Mit herzlichem Gruße

»-„In. d-n 23. Sil 1896. '

Auguste.

P.S. In Eile. Sollte mein Mann doch noch zurückhaken wolle», dann
schreib nur, Du hättest die Wohnung fest gemiethct, und die Vermiether
;en auf ein Abstandsgeld nicht ein. Auf Wiedersehen!

Imitations-Krankheiten.

Aus Ungarn wird gemeldet, daß ein Theil der Schülerinnen eines
Pensionats an einer eigenthümlichcn Nervenerkrankung gelitten hat; die
Betroffenen stießen von Zeit zu Zeit hustcnähnlichc Laute aus, die dem
Gebell eines HundeS glichen. In einer andern Anstalt brachten zwölf er-
krankte Schülerinnen heftige Tonexplosionen hervor, die große Slehnlichkcit
mit dem Wiehern und Prusten der Pferde hatten.

Diese Beobachtungen werden für zahllose Litcraturfrcundc von Interesse
sein, die beim Vorlesen mancher Gedichte unseres „jüngsten Deutschlands"
immer deutlich das Grunzen und Quicken eines Schweins zu vernehmen
glauben. _

Wie die Blätter mitthcilen, sind seit der Eröffnung der Gewerbe-
Ausstellung die Preise in vielen Berliner Hotels nicht unwesentlich in die
Höhe gegangen.

I» unzähligen Berliner Familien hat diese Nachricht hellen Jubel
erregt, weil sie geeignet ist, den Zufluß schaulustiger Verwandten und
Freunde etwas einzudämmen, Noch gestern äußerte ein Gehcimrath, der
drei Tage lang als Fremdenführer Dienste gethan hatte: „Unsere ganze
Verwandt- und Bekanntschaft weiß, daß wir uns auf Logirbesuch nicht
cinlassen. Wenn also erst in jedem Hotel das kleinste Zimmer pro Tag
zwanzig Mark kostet, so ist die Gefahr ziemlich vorüber."

Ein Vertreter der ultramonlancn Presse, Herr Nicnkemper, hat bei
der Feier des Jubiläums der Centrumspartei sich zu der Aenßerung ver-
stiegen: „Das Ausland beneidet uns eigentlich nicht um vieles; aber um
eines beneidet eS uns sicherlich, um die Centrumsfraction." Könnte dem
Auslande nicht geholfen und die ganze Fraction ihm geschenkt werden? Neid
zeugt Feindschaft, und feindselige Gesinnung der Völker gebiert leicht den
Krieg; der Abschub des Centrums in das Ausland würde also den Frieden

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Hierzu zwei Beilagen.
 
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