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D er brave Würger.

f wei scholl war cs vorbei, da stieg die knarrenden Treppen
Langsam lastenden Schritte-; hinauf der Ircssliche Lehmann.
Langsam lastet' er weiter sich fort: nicht ohne Getöse
Trat in die Kan»»er er ein-, wo die liebende Gattin im Schlummer
Lang« schon lag. Jetzt fuhr sie empor i»id zürnte: „Wie >pa> kommst
Wieder du Heini! Ihr sindet doch nie ein Ende beim Skatjplcl!"

Aber cs zeigte sich nidit verlegen der tresslichc Lehmann,

Wie es so häufig geschieht dem vcrehlichten Manne, wenn spät er
Heimwärts kommt vom Gclag: mit der Ruhe des guten Gewissens
Erst die Kerze cnislamml' er. mit würdiger Ruhe dann trat er
Dicht an das Lager der Gattin und sprach die gewichtigen Worte:
„Mische dich nicht, o Weib, in Männergeichäsle! Wer denkt wohl
Jetzt des vergnüglichen Spieles der wechselnd sallenden Karten'?

Ringsum qahrt cs im Reich. Wo Männer von >rc,er Gesinnung
Nur noch wohne», da scharen sic sich zusammen: cs werden
Resolutionen gefaßt und Petitionen enlworfen.

Wir auch habe» das heute getha» in »nscrm Vereine,

Der die Rechte des Volkes energisch zu wahren gewillt ist.

Uns auch soll man erschau» auf dem Plan, wenn cs gilt, mit denr allen
Mißbrauch auszuräumen, dem lcbengesährdcnden Zweikampf.

Thörichtcr ist doch und alberner nichts, als geladne Pistolen

Gegen einander zu richten! Es fällt ja a» unserem Stammtisch

Auch zuweilen ein schärferes Wort, in der vorigen Woche

Kam cs zu Schlägen sogar, doch wer wird gleich drum sich schießen!

Ruhig bespricht man die Sache am folgenden Tage, ein jeder

Nimmt dann.alles zurück, und cs schließt sich nur enger die Freundschaft.

Gründlich beleuchtet ward heul im Verein der veraltete Ilnsug:

Manches erhebende Wort, von verständige» Bürgern gesprochen.

Weckte srcnetischen Bestall im Kreis srcidenlcndcr Männer.

Ich auch habe manch kräftiges „Hört!", manch schallendes „Bravo!"

In die Debatte geworfen: Es trägt mit den anderen Namen
Meinen die Petition, die morgen schon geht an den Reichstag.

Mag sic stärke» im Kampf die wacker» Vertreter des Volkes!

Mag stc mahnen zur Eile den säumigen Hohenlohe,

Der »och immer erwägt, was er thun soll gegen den Zwciknnips."

Während er also sprach zu der lautlos horchenden Gattin,

Halte der treffliche Mann die gerundete Fülle des Körpers

Mählich befreit von den Kleidern: ins schimmernde Hemde der Nacht fuhr

Jetzt er und ließ sich sallen hinein in die schwellende» Kissen.

Also sinkt in die Flnthcn subtropischer Ströme das Nilpferd.

Daß nichts ivcitcr von ihm als die massige Schnauze, zu sehn ist.

Aber noch dachte der Wackere nicht des erquickenden Schlummers.

Wieder begann er zu reden: „Nicht weniger gründlich erörtert
Wurde der Fall v. Briiscwitz dann. Nie ist ja des Lebens
Sicher der friedliche Bürger. Wenn arglos er im Local sitzt,

Kann ihn in jedem Moment ein blinkender Degen durchbohren.

Nicht darf wahrlich der Kanzler der allgemeinen Entrüstung
Länger verschließen das Ohr, die grollend im Reiche sich Bahn bricht.
Rede und Antwort soll er »ns stehn und sich endlich erkläre»,

Wie er zu bannen gedenkt das Gespenst der soldatischen Ehre.
Schmachvoll ist cs doch wirklich für unser Jahrhiindert, daß stets noch
Umgeht dieses Gespenst »nd.sich nährt vom Blute der Bürger!"
Angstvoll stimmte die Gattin ihm bei und sagte mit Senken:

„Stet? jetzt bin ich in Sorge um dich, so oft du nur ansgehst.

Furchtlos bist du und trotzigen Sinns, manch heftiges Wort fliegt
Dir von den Lippen: wie leicht doch kann es geschehen auch dir da,
Wenn sich ei» Streit entspinnt im Local, daß ein blitzender Degen,

Den ein sinnlos Wüthcnder sührt, durch Leber und Zwcrchsell,

Magcn und Nieren dir dringt, wie wir es mit Schaudern gelesen.

Nicht mehr läßt der Gedanke mich loS! Ich müßte vergehe»,

Brächte» sie so djch gebracht zu mir und den jammernden Kindern!"
Aber cS siihr sie an mit verweisenden Worte» der Gatte:

„Thörichte, sprich kein kindische? Zeug! Wie ost kommt denn io was
Bor'? Zehn Jahre vergehen vielleicht, bis sich Achnliches zulrägt!

Ruhig drnm magst du mich immer und ohne Bcsorgniß erwarten.

Wen» ich gegangen zum Bier. Mit der Lebensgefahr siir den Biirger
Jst's nicht so schlimm, wie ich eben gesagt. Leicht reißt der Gedanken
Schwung den Politiker fort, und zu stark dann wählt er den Ausdruck.
Doch das entbindet imS nicht von der Pflicht, die warnende Stimme
Laut zu erhebe». ES gilt dem Princip! P!ciin saliche P'rincipie»
Herrschen, geräth ins Wanken der Staat! Die rechten Principicn
Können uns rette» allein! Wenn erst die richtigen Prin . .. Prin..."
Plötzlich erstarb ihm im Schnarchen daS Wort, der erquickliche
Schlummer

War ihm genaht »ach den Mühe» des Tags und de» Lasten des Abends.
Aber cs lag »och lange mit offenen Augen die Gattin,

Wägend im staunende» Sinn die bedeutende» Worte des Mannes.

Äus dl'in Hieichstage.

In den Blättern derjenige» Parteien, die im Präsidium des Reichs-
tags nicht vertreten sind, wird nicht ohne Bosheit hervorgehobcn, daß
Frhr. v. Buol bei der kurzen Ansprache, mit der er die Reichsbolcn bei
Eröffnung der ersten Sitzung begrüßte, ein Mannscripl benutzt hat.

Jene Blätter können sich ihren billigen Spott sparen. Herr v. Buol
hat volle vier Monate Zeit gehabt, um die Ansprache, die »och nicht eine
Minute in Anspruch nahm, auswendig zu lernen. Wenn er also trotzdem
nicht frei gesprochen hat, so muß das wohl seinen besonderen Grund habe».
Und den hat cs auch. Das Ablcsen war ein Act der Courtoiste dem
Fürsten Hohenlohe gegenüber, der bekanntlich nnr sehr ungern frei spricht.
Herr v. Buol möchte den Reichskanzler von der peinlichen EmpsiNdung
besreien, daß er mit dem Ablesen seiner Reden im Reichstag ganz allein
dastcht, wenn man nicht etwa als Dritte» im Bunde de» Dr. Conrad
hinzunehmen will, dem bekanntlich „nichts fremd ist".

Die-übrigen Mitglieder des Ccnlrnms, das ja gerade jetzt wieder
ganz besonders gut mit der Reichsrcgiernng steht, werden dem Beispiel
des Präsidenten folgen. Selbst der rebefertige Dr. Lieber wird künftig
immer ein Mannscripl vor sich liegen haben, obgleich er cs doch am
wenigsten nöihig hat. Ob die Redner der übrigen regierungssrciindlichen
Parteien cs ebenso machen werden, ist »och zweifelhaft. Ter rauhe, un-
ritterliche Engen Richter und der hitzige Bebel werden wahrscheinlich
ihre Reden nach ivic vor'in der allen rücksichtslosen Weise improvisiren.

Der Rcdactciir Walter in Königsberg i. Pr. >vll ans Grund der
Criminalordnung von 1805 vor das Commandantur-Gcricht als Zeuge
geladen worden sein. Augenscheinlich liegt eine ungenaue Meldung vor.
Die Ladung ist wahrscheinlich aus Grund der „Peinlichen HalsgcrichtS-
ordnung" von 1532 erfolgt, und mit dem frischen modernen Geist, der
das Verfahren nach obiger Notiz dprchwcht haben soll, ist es wieder
einmal nichts.

Z«s Pom.

Es ist recht still im Vatikan geworden. Nur sclic» stellt sich noch ein
Pilgcrzug ei», gewöhnlich hört man in den Sälen imb Gängen nichts als
den schlnrscndcn Schritt der diciisllhuende» Jesuiten. Gestern wurde
zum ersten Male geheizt.

Vom heiligen Vater ist nicht viel Neues zu melden. Er regiert die
Welt, wozu er täglich nnr wenig Zeit braucht: er läßt sich zu seiner
Erheiterung über de» Teusel Bitru und die Miß Vaughan bcrichlcu,
er dichtet.

Sein Gläschen „Echtes" hat er bcibehalten, die Kneipp-Kur da-
gegen, die ihm nicht sonderlich bekam, gänzlich aufgcgcben. Eine Stunde
des Tages bringt er regelmäßig in de» Gärten des Vaticans zu und zwar
in einem Theil derselbe», der für alle andern, auch 'die vertrautesten
Freunde, vollständig abgesperrt ist. Was er dort thut, war kurze Zeit
ein Geheimniß, kurze Zeit nur, denn die Jesuiten, die ihre Nasen durch
alle Zannlöcher stecken, halten es bald heraus. „Er radelt!" zischelt man
jetzt in der Küche sogar einander z». Ucbrigens stimmen alle darin
überein, daß es ihm gut bekommt.
 
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