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Eine wunderliche V erurtl) ei lun g.

Wieder einmal erregt die wunderliche Entscheidung eines Gerichts die
allgemeine Aufmerksamkeit. In Berlin ist der Generalsecretär des
„Union-Clubs", Rittmeister a. D. v. AuerSwald, vom Schössengericht
zu einer Geldstrafe von 300 Mark verurtheilt worden, weil er eine
Telcphongehilsin, die den verlangten Anschluß nicht schnell genug Herstellen
konnte, durch den Zuruf beleidigt haben soll: „Was sagen Sie, Sie
dummes Schwein?" Herr v. A. erklärte, er habe seinem Hund, der gegen
seinen Willen in das Zimmer gekommen sei, zugerusen: „Was willst du
dummes Schwein?"

Wir müssen gestehen, daß wir die Berurtheilung nicht begreifen.
Spricht doch in diesem Falle fast alles für die Darstellung des Angeklagten.
Der Gerichtshof hat selbst erklärt, Herr v. A. „halte gewiß seine eigene
Ehre sehr hoch." Wird ein solcher Mann, der in den besten Kreisen
verkehrt, gegen eine junge Danic, und wenn sie auch nur eine Telepho-
nistin ist, einen so häßlichen Ausdruck gebrauchen? Und wenn er wirklich
in feiner Erregung sich dazu hat hinreißen lassen, wird er da nicht gleich
sagen: „DaS Schwein ist mir so herausgesahren, ich nehme es zurück und
bitte um Entschuldigung."

DaS Gericht hält cs für bewiesen, daß Herr v. A. nicht „du",
sondern „Sie" gesagt hat, und legt hieraus ein ganz besonderes Gewicht.
Aber wenn es sich auch wirklich so verhält, so spricht das noch durchaus
nicht gegen ihn. Herr v. A. verkehrt Tag und Nacht im ersten Club von
Berlin, in der vornehmsten Gesellschaft, wo keine Brüderschaften getrunken
werden, wo jeder den anderen mit „Sie" anredet. So kennt Herr v. A.
überhaupt kein anderes Fürwort. Nun denken wir uns de» Hergang so.
Als Herr v. A. vor dem Apparat steht und die Hörmuscheln vor de»
Ohren hat, drängt sich der Hund ins Zimmer und bellt, wie das Hunde
zu Ihn» pflegen. Herr v. A. will ihm das verbieten, und gewohnt, immer
nur Per „Sie" zu sprechen, rust er dem Ruhestörer zu: „Was sagen Sie.
Sie dummes Schwein!" Da er den Mund dicht am Apparat hat, hört
das auch die junge Dame, für die eS gar nicht berechnet war.

Nach unserer Ansicht hätte der Gerichtshof die Pflicht gehabt, dem
Herrn v. AuerSwald beim Finde» dieser Erklärung, die doch aus der
Hand liegt, behilflich zu sein. Hoffentlich wird in der zweiten Instanz das
Versehen des Schöffengerichts wieder gut gemacht.

Aas Kerz des Jinanzministers.

Wer als Finanzminister
Millionen täglich zählt,

Von keinem Herzen ist er
Geplagt mehr und gequält.

ES hängt an seiner Stelle
Ein großer Sack mit Gold.

Wie klingen oft so helle
Die Stücke und so hold!

Und wird der Sack allmählich
Recht voll und prall und rund,
Spricht der Minister selig:
„Wie fühl' ich mich gesund!"

Doch soll daraus er blechen,
Was leider auch kommt vor,

So will das Herz ihm brechen,
Das er schon längst verlor.

I» der letzten Versammlung der Berlin-Charlvtlcnburger Colonial-
freunde hat sich ein peinlicher Zwischcnsall zngetragen. AlS Professor
Virchow, der vom Vorstande besonders cingcladc» war, einen Vortrag
über die inicctlo>cn Tropenkrankheitcn hielt, wurde er von einem der Zu-
hörer durch den Ruf: „Zur Sache!" unterbrochen, waS ihn veranlaßtc,
seine Rede sofort abzubrechen.

Wie wir hören, ist dem Rufer, der ungenannt zu bleiben wünscht,
die Störung nicht allzu schwer anzurechnen. Er ist zwar nicht selbst in
unseren Cvlonien gewesen, hat sich aber durch seinen intimen Verkehr mit
Asrikareisenden den Tropenkoller zugezogen, der bekanntlich sehr ansteckend
ist. Wenn di« Anfälle kommen, ist er ganz unberechenbar.

Aer Kkuch der Hisenöahnen.

freiwillig» Nvbeil von Ravlchen Miefinilii.

Indem ich in der „Deutschen Tageszeitung" lese, daß nur die großen
Städte von den StaalScisenbahnen Vortheil haben, daß diese Bahnen dem
Landmanne mehr geschadet als genutzt haben, daß sie an der grauenhaften
Verödung des Landes schuld sind und durch sie viele kleine Städte ver-
kümmert sind, möchte ich die weiteren Nachtheile hervorheben, die von den
Eisenbahnen der Cultur zugefügt worden sind. Kaum ein Jahr vergeht,
wo man nicht hört, daß eine Kuh von einem Zuge überfahren und den,
Platten Lande eine tiefe Wunde geschlagen worden ist, ohne daß wenigstens
mit einem kleinen Mittel Balsam aus die schmerzende Stelle gcthan wurde
und auch der Eisenbahnminister sich bei solchen Gelegenheiten nicht mit
trostreichem Zuspruch einsindct. Viele Quadratmeilcn Landes werden ferner
der Bebauung durch die Eiscnbahnanlagen entzogen, während der Grund-
herr gezwungen ist, die erste Klasse der Schnellzüge zu benutzen, wenn er
nicht mit seinen Landarbeitern in demselben Zuge fahren will. Ebenso
entzieht diese moderne Ersindnng dem Lande die Nahrung, indem Kartoffeln
und Getreide »ach den Städten verschleppt werde», während doch der Land-
mann alles dies selber sehr gut brauchen könnte und selbst die Erzeugung
der dicksten Kartoffeln keine Gewähr mehr bietet, in de» Landtag gewählt
zu werden. Nicht zu vergessen ist, daß mittelst der Postzüge das Land
mit Zeitungen aus den Städten überschwemmt wird und viele Botenfrauen
brotlos geworden sind und man auch häufig ans dem Bahnhof zu spät
kommt und das Beschwerdebuch ans den kleinen Stationen meistens vei-

Die Journalisten.

Leckert, der lockre, und Lützow, der lose.

Nun aus dem Bänklei» beichten sic beide,

Wie sic mit Lust und Liebe gelogen,

Wie sie erfunden so fein und gefälscht.

Was die Verbrecher beichten, das bringen
Zwanzig Reporter prompt zu Papiere.

Mancher wohl flüstert beim Fliegen der Feder:

„Wehmuth stimmt heute beim Werke mich weich!

Leckert und Lützow, ihr lieben College»,

Euch, die so sein und so falsch und jo findig,

Darf nun der rohe, rauh redende Richter
Zausen und zerren, die Zierden der Zunft!"

Aer doppelte Liebknecht.

In einem Wachsfiguren.ülavinel.

Die Erklärerin: Hier, meine Herrschaften, haben Sie den alte»
Liebknecht, wie er mit giftiger Tinte den „Vorwärts" zusammenschmierl,
dabei seitwärts in ein Commersbuch hineinschiclt und auf die verrohte
deutsche studentische Jugend schimpft, ein „oller Jesuwitter", vergrämeltcr
Philister und scheinheiliger Duckmäuser, der er ist.

lind hier sehen Sie denselben in seiner Jugend, wie er als „altes
HauS", aber noch nicht bejahrt, beim CommcrS auf den Tisch schlägt,
Bierreisen macht, Laternen einwirst, Schilder umhängt, Spießbürger an-
»III »nd mit wahrer Inbrunst die schönen Verse singt:

„Ob ich auch Collegia schwänzte,

Fehlt' ich im CommerShaus nie re."

Nun sagen Sie, meine Herrschaften, aufrichtig, welcher von den beiden
Lieb knechten Ihnen sympathischer ist, und welcher von beiden Ihnen
„verrohter" erscheint.
 
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