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Schultze. SBonim hat der Tscheche Kramarz eijentlich den Minister
Razak einen Dichter des Pessimismus jenannt?

Müller. Weil ihm dieser einen politischen Dichter jenannt hat,
und Dichter is bei die Tschechen 'ne Veleidijung, weil bet 'n Mensch
is, der sich in der Rejel nich in unjcbundener Rede ausdrückt und nischt
llnjereimtes vorbringt.

Schultze. Na, denn werden sich die beiden nächstens wohl etwas
andichten.

Müller. Natürlich ins landsübliche Versmaß.

Schultze. Na jewiß doch! In Knüttelverse.

Noch immer der Fall Kauffmann

Am 1. November hat der Berliner Magistrat an den Minister des
Innern das Ersuchen gerichtet, dem König über die Wiederwahl Kaufs-
manns zum Bürgermeister einen Immediatvortrag zu halten und eine
Allerhöchste Entscheidung. über die Wiederwahl herbeizusühren. Jetzt
hat Frhr. v. Hamm er stein dem Magistrat geantwortet: „Die in
dem Erlaß des Herrn Ober-Präsidenten zu Potsdam von, 0. October
d. I. vertretene Auslegung des § 33 der Städteordnung erachte ich
auch nach Prüfung der Ausführungen des Magistrats für zutresfend.
Eine Allerhöchste Entscheidung über das Ergebnitz der Wahlhandlung
vom 12. September d. I. ist hiernach nicht herbeizusühren."

Das sieht ja auf den ersten Blick so aus, als ob der Minister das
Ersuchen des Magistrats rundweg abgelehnt hätte, bei reiflicher Er-
Tagung wird man aber erkennen, daß zu dieser pessimistischen Auffassung
noch durchaus kein zwingender Grund vorliegt. Kann nicht in der Ant-
wort des Ministers ein sinnentstellender Schreibfehler stecken?
Gerade die mit Arbeiten aller Art überhäuften Geheimen Räthe in den
Ministerien verschreiben sich begreiflicher Weile sehr oft, und daß die
Herren Minister jedes ihnen vorgelegte Schriftstück unterzeichnen, ohne
sich den Inhalt anzusehen, dürste allgemein bekannt sein. Ist ein
Versehen vorgekommen, wie wir vorläufig annehmen, so handelt es
sich dabei jedenfalls um das entscheidende Wörtchen „nicht", das als
besonders wichtig unterstrichen ist. Es wird aus dem ersten Satze, wo
es durchaus am Platze ist, in den zweiten gerathen sein, in dem es
nichts zu suchen hat. Dann würde die Antwort des Herrn Ministers
lauten: „Die von dem Herrn Ober-Präsidenten vertretene Auslegung
des § 33 der Städteordnung erachte auch ich (so sollen offenbar die
Worte gestellt sein) nach Prüfung der Ausführungen des Magistrats
nicht für zutreffend. Eine Allerhöchste Entscheidung über das Ergeb-
nis der Wahlhandlung vom 12. September d. I. ist hiernach herbei-
zuführen." Damit ist die irrthümliche Auffassung des Ober-Präsidenten
desavouirt, und zwischen dem Herrn Minister und dem Magistrat herrscht
das schönste Einverständnis;.

Die Berliner Stadverordneten sind mit einer an Einstinunigkeit
grenzenden Majorität der Ueberzeugung. daß die eben dargelegte Auf-
fassung der Sachlage die einzig richtige ist. Sie werden, daher in ihrer
nächsten Sitzung folgenden Beschluß fassen: „Magistrat wolle sich mit
einer Eingabe an den Herrn Minister des Innern wenden und sich er-
kundigen, ob nicht bei der Abfassung und schriftlichen Fkirung des
Bescheides vorn 21. November d. I. ein grobes Versehen vorgekommen
ist, durch das die wahre Ansicht des Herrn Ministers genau in ihr
Gegentheil verkehrt wird." Dieser Beschluß zeigt wieder, wie sehr die
Stadwerordneten-Versammlung dem Magistrat an Intelligenz und
Initiative überlegen ist. Folgt der Magistrat, wie das mit Bestimmt-
heit zu erwarten ist, auch diesmal ihrer Führung, so wird man sagen
dürfen, daß die Aussichten der Stadt Berlin im Falle Kaussmann
noch niemals so günstig gewesen sind wie gerade jetzt.

Der undankbare Deutsche

Eine britische Stimme

In englischen Regierungskreisen ist man mit Marschall Roberts
unzufrieden. Er reist umher, läßt sich feiern und vernachlässigt sein
Amt. 2n der vornehmen Gesellschaft flüstert man einander zu: „Ihm
ist der schwarze Adler zu Kopf gestiegen."

Audiatur et altera pars.

Der Deutsche, meist von schlechter Haltung und Mrzsichtig, ist das
undankbarste Geschöpf der Welt. Das drückt sich schon in der deutschen
Sprache aus, in der „Danke schönstens dafltr" soviel bedeutet wie
„Hol's der Teufel!"

Besonders undankbar hat Deutschland sich England gegenüber
bewiesen, das doch wie eine Mutter an ihm gehandelt hat. Niemals,
wenn nicht besondere Vortheile damit verbunden waren, hat England
es mit Deutschlands Feinden gehalten. Gegen unbedeutende in Aftika
ihm gentachte Zugeständnisse hat England das fruchtbare, von Austern
wimmelnde Helgoland dem Deutschen Reich überlassen. Wie eigentlich
die englische Provinz Hannover an die Deutschen gekommen ist, konnte
noch nicht genau aufgeklärt werden. Vermuthlich geschah es in Folge
zu weit getriebener englischer Langmuth.

Was verdankt der Deutsche nicht alles britischer Hochherzigkeit!
Das englische Beefsteak, das englische Pflaster, die englische Krankheit
und die englischen Fräulein! Wenn die vortrefflichen englischen Stoffe
Buckskin, Cheviot und Shoddy nicht da wären, müßten die Deutschen
unbehost gehett wie die Neuseeländer und die schottischen Hochländer.
Die deutschen Ortschaften Bonn, Dresden und Freiburg in Baden, die
durch den dreißigjährigen Krieg gänzlich heruntergekommen waren, sind
durch die vielen Engländer, die sich aus Gutmüthigkeit in ihnen auf-
halten und Unsummen von Geld ausgeben, zu blühenden Städten
geworden. Wäre der übrigens herzlich unbedeutende Rhein so berühmt
geworden, wenn nicht Albions Söhne zu Tausenden ihn beführen?

Und wie beweisen die Deutschen der britischen Nation ihre Er-
kenntlichkeit für so viele Wohllhaten? Indent sie England verleumden,
es vor aller Welt schlecht ntachen und einem notorischen Ehrenmann
wie Chamberlain Schändlichkeiten nachsagen, von denen höchstens die
Hälfte wahr ist.

Aber nie haben die Deutschen etwas getaugt! Die Vandalen, die
im alten Rom wie die Kroaten hausten, waren unzweifelhaft Deutsche.
Der deutsche Nationalheld Hermann, der die Römer im Teutoburger
Walde aus einem Hinterhalt überfiel, war ein arglistiger und grausamer
Patron, und seine Frau — hieß sie nicht Dorothea? — war genau
so. Und war es nicht der in Deutschland populär gewordene Alentanne
Krock, von dem die Redensart stammt, es müsse alles kurz und klein
geschlagen werden?

Nein, die Deutschen taugen dttrch die Bank nichts. Eine Schlange
ist mit ihnen verglichen ein Muster von Dankbarkeit.

l)r. Johamtes Sigl, der Redacteur des „Bayerischen Vaterlands"
ist als geisteskrank entmündigt worden. Das ist sehr betrüblich für ihn,
konnte aber doch kein Grund sein, ihm, wie es thatsächlich geschehen ist
die Redaction des „Bayerischen Vaterlands" 311 entziehen. Keine
Menschenseele würde an dem Blatt eine Veränderung bemerken, wenn
er es ruhig weiter redigirte.

Socialdemokratische Blätter geben die augenblickliche Zahl der
Arbeitslosen in Berlin auf 80 000 an, während Dr. Freund, der Vor-
sitzende der Landesversicherungsanstalt Berlin, der zugleich Vorsitzender
des Centralvereins für Arbeitsnachweis ist, zu dem Resttltal kontmt,
daß es nicht mehr als 35 000 sein können.

Auf den ersten Blick erscheint die Differenz zwischen beiden Zahlen
ja ausfallend, aber sie erklärt sich doch leicht. Offenbar hat Herr
Dr. Freund es bei seiner Berechnung versäumt, die Berliner Rentiers
in Ansatz zu bringen.

Aus dem Campo Infernale zu Monte Carlo sind seit dem Jahre 1860
nicht weniger als 2000 Selbstmörder verscharrt wordett. Fürst Albert
von Monaco, der leicht etwas sentimental wird, äußerte nettlich den
Wunsch, nach seinent Tode selbst dort begraben zu werden. „Ich möchte
doch für mein Leben gerit," sagte er, indem er eine Thräne im linken
Auge zerdrückte, „einmal mitten unter denen liegen, die mich reich und
glücklich gemacht haben.

Schwierige Frage

Es gibt auch einen jungen Chamber laut, der dem alten sehr
ähnlich, ist. Ist nun der Vater oder der Sohn mehr zu bedauern?

Verantwortlicher Redacteur I. Trojan. — Verlag von L. Hcsniann & Comp., 8W. 12. — Lruü von Hempel L Co. ®. nt. b. H. — Eämrntlich in Berlin.

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