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https://doi.org/10.11588/diglit.2325#0166
l8»4
Am 15. Dezember 1884 wurde der Reichs-
haushalts-Etat in zweiter Lesung berathen, und
die Budget - Kommissiou hatte darin u. a. die
Streichung von 20000 Mk. beantragt, welche für
eine zweite Direktorstelle des auswärtigen Amtes
verlangt wurden. Obgleich siiürst Bismarck die
dringende Nothwendigkeit der Forderung nach-
gewiesen hatte und dieselbe aus seincn Diensteid
nahm, obgleich er in wiederholten Auseiuander-
setzungen gegen die freisinnigen Redner L. Löwe,
Hänel und Richter und den Sozialdemokraten
Bollmar die übermüßige Arbeitsbelastuug der vor-
handenen Kräfte uachgewiesen hatte, wurde die
Summe dennoch, durch das Zusammengehen des
Centrums mit den Deutschsreisinuigen, von der
Majoritüt (141 gegen 119) abgelehnt.
Wie sogleich von den besonneneren liberaleu
Blättern vorausgesagt worden, erregte die Beschluß-
sassung in ganz Deutschland die größte Entrüstiing.
Zwar wurde unter diesem Eindruck im Ansang des
solgenden Jahres (bei der dritten Lesung) die jz-or-
derung bewilligt; aber die Unduldsamkeit der beiden
geuannten Z-raktionen gegen die Person deS Neichs-
kanzlers, selbst auf Kosten des allgemeinen Wohles,
war durch das Votum vvni 15. Dezember vor deni
Lande erwiesen.
Der Kladderadatsch brachte in seiner folgenden
dliimmer (vom 21. Dezember) das nachstehende
energischeGedicht, welches der allgemeinen Stimmung
Ausdruck gab. Bon diesem Zeitpunkte au wurde
das Blatt vvn der deutschfreisinnigen Presse in die
Acht erklärt.
Äm iwamigtsulknü Mark.
Der große Banzler, der des Reichs Geschäste
Mit sichrer Lsand geführt durch schwere Zeit,
Um zu vermehren seine Arbeitskräfte,
Lrbittet er sich eine Aleinigkeit.
Das deutsche volk kann solche Last nicht tragen:
Die kleine chunnne wird ihm abgeschlagen.
6) Sxarsamkeit, du trefflich angebrachte,
Als auf die lVahl des Lsauses Lhre kam!
D Rluth des Rlanns, den nicht erbleichen machte
Die Furcht und auch erröthen nicht die chchaml
Du konntest dich sürwahr nicht höher steigern,
Als da es galt, Nothwend'ges zu verweigern.
Gs ist geschehn — o ließ' es sich verschweigen!
Doch weit erscholl es in die Welt hinaus.
U)ir seh'n die Welt mit Fingern aus uns zeigen,
Den chpott des Auslands fordern wir heraus.
„Seht, das ist Deutschland, stets nach solchem trachtend,
N)as Schmach ihm bringt, und seinen Ruhm verachtend!"
Doch nicht gesprochen bat des volkes chtimme,
Mb auch gesprochen die Rlajorität.
Gs hat ihr Urtheil mit gerechtem Grimme
Gehärt der Deutschen !)olk, und brausend geht
Und widerhallend bis zum fcrnsten chtrande
Lin Aufschrei der Lutrüstung durch die Lande.
Großer chieg der sozialistisch - sreisinuig - ultramontanen l)er<
brüderung über den Reichskanzler. Die Führer Windthorst,
Richter und von Vollmar tanzen auf der Tribüne des Reichs-
tages ein „l'as äe trois victorieux" und gehen dann in die
Weihnachtsserien, während nun der Uanzler sür 20000 Rlark
jährlich mehr arbeiten inuß.
Zn Folge dessen entwickelt der
Uanzler eine solche Rälte gegen das
hohe lsaus, daß man allgemein das
Linfrieren der Reichsmaschine be-
sürchtet.
I6t
21
Am 15. Dezember 1884 wurde der Reichs-
haushalts-Etat in zweiter Lesung berathen, und
die Budget - Kommissiou hatte darin u. a. die
Streichung von 20000 Mk. beantragt, welche für
eine zweite Direktorstelle des auswärtigen Amtes
verlangt wurden. Obgleich siiürst Bismarck die
dringende Nothwendigkeit der Forderung nach-
gewiesen hatte und dieselbe aus seincn Diensteid
nahm, obgleich er in wiederholten Auseiuander-
setzungen gegen die freisinnigen Redner L. Löwe,
Hänel und Richter und den Sozialdemokraten
Bollmar die übermüßige Arbeitsbelastuug der vor-
handenen Kräfte uachgewiesen hatte, wurde die
Summe dennoch, durch das Zusammengehen des
Centrums mit den Deutschsreisinuigen, von der
Majoritüt (141 gegen 119) abgelehnt.
Wie sogleich von den besonneneren liberaleu
Blättern vorausgesagt worden, erregte die Beschluß-
sassung in ganz Deutschland die größte Entrüstiing.
Zwar wurde unter diesem Eindruck im Ansang des
solgenden Jahres (bei der dritten Lesung) die jz-or-
derung bewilligt; aber die Unduldsamkeit der beiden
geuannten Z-raktionen gegen die Person deS Neichs-
kanzlers, selbst auf Kosten des allgemeinen Wohles,
war durch das Votum vvni 15. Dezember vor deni
Lande erwiesen.
Der Kladderadatsch brachte in seiner folgenden
dliimmer (vom 21. Dezember) das nachstehende
energischeGedicht, welches der allgemeinen Stimmung
Ausdruck gab. Bon diesem Zeitpunkte au wurde
das Blatt vvn der deutschfreisinnigen Presse in die
Acht erklärt.
Äm iwamigtsulknü Mark.
Der große Banzler, der des Reichs Geschäste
Mit sichrer Lsand geführt durch schwere Zeit,
Um zu vermehren seine Arbeitskräfte,
Lrbittet er sich eine Aleinigkeit.
Das deutsche volk kann solche Last nicht tragen:
Die kleine chunnne wird ihm abgeschlagen.
6) Sxarsamkeit, du trefflich angebrachte,
Als auf die lVahl des Lsauses Lhre kam!
D Rluth des Rlanns, den nicht erbleichen machte
Die Furcht und auch erröthen nicht die chchaml
Du konntest dich sürwahr nicht höher steigern,
Als da es galt, Nothwend'ges zu verweigern.
Gs ist geschehn — o ließ' es sich verschweigen!
Doch weit erscholl es in die Welt hinaus.
U)ir seh'n die Welt mit Fingern aus uns zeigen,
Den chpott des Auslands fordern wir heraus.
„Seht, das ist Deutschland, stets nach solchem trachtend,
N)as Schmach ihm bringt, und seinen Ruhm verachtend!"
Doch nicht gesprochen bat des volkes chtimme,
Mb auch gesprochen die Rlajorität.
Gs hat ihr Urtheil mit gerechtem Grimme
Gehärt der Deutschen !)olk, und brausend geht
Und widerhallend bis zum fcrnsten chtrande
Lin Aufschrei der Lutrüstung durch die Lande.
Großer chieg der sozialistisch - sreisinuig - ultramontanen l)er<
brüderung über den Reichskanzler. Die Führer Windthorst,
Richter und von Vollmar tanzen auf der Tribüne des Reichs-
tages ein „l'as äe trois victorieux" und gehen dann in die
Weihnachtsserien, während nun der Uanzler sür 20000 Rlark
jährlich mehr arbeiten inuß.
Zn Folge dessen entwickelt der
Uanzler eine solche Rälte gegen das
hohe lsaus, daß man allgemein das
Linfrieren der Reichsmaschine be-
sürchtet.
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