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Viertes Kapitel

Lebzeiten Rudolfs II. (1552-1612) am Prager Hof, vielleicht aber auch erst in Augs-
burg.
Am Prager Hof lebte Gundelach in einem geistigen Klima, in dem verschiedene
Wissenschaften, Mathematik, Philosophie, Alchemie, Magie und Cabala nebenein-
ander betrieben wurden. John Dees Einfluß mag noch immer spürbar gewesen sein,
obgleich er bereits 1584 wegen Häresie und Nekromantieverdachts den kaiserlichen
Hof verlassen mußte.636 Gleichzeitig mit Gundelach (1566-1654) lebten Michael
Maier (1568-1622)637 und Raphael Custodis (1590-1651) in Prag. Heinrich Conrad
Khunrath(1560-1605)638 war zeitweilig Leibarzt Rudolfs II. und wird Gundelach
nicht unbekannt gewesen sein.
Im Umkreis dieser Hermetiker und Künstler werden die Such- und Fundgeschich-
ten zur »Tabula Smaragdina«, ihre Verknüpfung mit den Begriffen VITRIOL und
AZOTH, und die Vorstellung von der Alchemie als hermetischer Schatzsuche auch
nach Rudolfs II. Tod rezipiert und weiter verbreitet worden sein.
Gundelachs vielschichtiges Gemälde scheint diesen geistigen Hintergrund zu
reflektieren.
In der Senkrechten wird das Gemälde durch die Gestalt eines kindlichen Mädchens
in zwei etwa gleich breite Bildteile gegliedert. Die dominante Betonung der
Senkrechten wird durch den Kontrast zwischen dunklem Hintergrund und dem hellen,
weißlich rosa gehaltenen Inkarnat des Mädchens verstärkt. Die formale Aufglie-
derung des Bildes bezeichnet verschiedene Bedeutungsebenen.

636 Dee hatte seine »Monas Hieroglyphica« bereits Rudolfs II. Vater gewidmet. Vgl. zu John Dees
Einfluß auf den Prager Hof: Yates, 1975, S. 8f und Yates, 1969. Vgl. Evans, 1980. Vgl.
French, 1972, S. 121, 122.
637 Maier griff Elemente aus John Dees »Monas Hieroglyphica« auf und verarbeitete sie in der
»Atalanta Fugiens«, die 1618 erschien. Vgl. hierzu French, 1972, S. 80, Anm. 3. Vgl. auch
Yates, 1975, S. 70ff. Vgl. vor allem Yates Definition des Begriffes »Rosenkreuzer«, S. 230: »Ich
sagte, der rosenkreuzerischeDenker stehe im Strom der hermetisch-kabbalistischen Tradition der
Renaissance, unterscheide sich aber von den früheren Phasen dieser Bewegung, indem er noch
die Alchemie in sein Interessengebiet hineinnahm. Das änderte nichts an der grundlegenden
Verbundenheit der Rosenkreuzer mit dem Schema der 'okkulten Philosophie’, wie Cornelius
Agrippa sie dargelegt hatte. Ich wies auf John Dee als einen typischen rosenkreuzerischen
Denker hin, der alchemistische und kabbalistische Interessen miteinander vereinigte. Ich erkläre
des weiteren, daß Spuren dieser Weltanschauung bei Francis Bacon und sogar noch bei Isaak
Newton zu entdecken seien.«
638 Vgl. Evans, 1980, S. 143.
 
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