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Die Madonna mit der Meerkatze

bildung 9 wiedergegebene Marienbild, das wegen des darauf befindlichen Affen
— eine müßige Beigabe, wie sie die Künstler jener Zeit gern anbrachten, um die
Vielseitigkeit ihrer Geschicklichkeit zu zeigen — die Bezeichnung „Madonna mit der
Meerkatze" führt. Die Ungeübtheit im technischen Verfahren verrät sich hier an
manchen Stellen. Aber über dem Ganzen liegt eine Stimmung von echt Dürer-
scher Poesie. Wir empfinden in dieser Landschaft die Luft eines kühlen deutschen
Sommerabends. Wolken steigen geballt empor; aber der Wind, der die Köpfe
der alten Weiden beugt, vertreibt sie wieder. Es geht ein fröstelnder Schauer
durch die Natur, und in leiser Schwermut schweifen die Gedanken. Mit stillem,


Abb. tg. Adam und Eva. Federzeichnung mit angetuschtem Hintergrund,
in Sepia. In der Albertina zu Wien. (Zu Seite 4V)

ahnungsvollem Leid betrachtet die junge Mutter ihr Kind, das sorglos mit einem
Vogel spielt. Zu der Landschaft, die diesem Blatte die Stimmung gibt, in der
sein künstlerischer Wert liegt, hat Dürer eine noch vorhandene Naturaufnahme
aus der Umgegend von Nürnberg benutzt. Sie befindet sich im Britischen Museum
zu London und trägt von Dürers Hand die Aufschrift „Weier-Haus"; es ist einer
jener mit Wasserfarben gemalten Ausschnitte aus der landschaftlichen Wirklichkeit.
— In der realistischen Umgebung liegt auch der besondere, uns heute wieder so
unmittelbar ansprechende Reiz des gleichfalls zu Dürers frühen Kupferstichen ge-
hörigen Blattes: „Der verlorene Sohn." Unregelmäßige, teilweise verwahrloste
Bauernhäuser und Stallungen, feuchter Erdboden, ein Misthaufen, in dem ein
Hahn herumpickt: das ist der Schauplatz, in dessen Poesielosigkeit gerade die er-

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