Kuustgefchichtliches.
Lutzüge auS d«n Baurechnungen der St. BictorSkirche zu Lante». Lon
l>. L. C. Scholten. Mit einem Borwort von 0. W. Junk-
man». Berlin. bei GropinS, 1852. 8. 95 Seiten.
Mit eiuem schmerzlichen Gefühle gehen wir an die Besprechung vor-
stehender Schrift. Zhr Berfasser wurde. alS er sich zu Berkin al« Lb-
geordneter befand, mitten aus seinen Lrbeiten und Entwürfen von hin-
nen gerufen, »achdem er auf dem Krankenbette die letzte Hand an diese
Schrift gelegt hatte; er ruht i» dem Boden der ihm so theuren rheini-
schen Heimat. Seine Geschichte König Ludwig'S deS Heiligen, deren zwei-
ter Band sich unter Ler Preffe befindet, würde schon genügen, um dar-
zuthun, daß die Geschichtschreibung durch seinen Lod einen erheblichen
Berlust erlitten hat. ES war seine, dem Einsender gegenüber mehrfach
gea'ußerte Lbsicht, demna'chst seine ganze Kraft auf die Geschichte der
StadtKöln zu verwendeu, in Belreff welcher der vorhandeneReichthum
an Materialien «ben so hemmend zu wirken scheint, «ie anderwärtS die
Lrmuth. Wohl ohne es zu wollen, hat der Berf. bereits in vorliegen-
der Schrift mit der Berwirklichung jenes Planes den Lnfang gemacht.
So manche Fäden laufen von dem kölner und dem xantener Dombaue
herüber und hinüber, daß gewiffer Maße» die beiden Werke Ein Gewebe
bilden.
ES ist schon mehrfach darauf hiugewiesen worde», welchen reichen Luf-
schluß, nicht bloß über das Bauwesen, sondern über dak gesammteLedeu
LeS Mittelalters solche Rechnungen gewähren. Dieselben gestatten unS
eineu Blick in jenes anscheinend geriugfügige Detail, welches Ort, Zeit
und Berhältnisse gerade am treffendsten charakterisirt und nicht selten
den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen liefert. Die großen
Züge sind den meisten Zeitperioden gemein und springen allzu sehr in die
Lugen, um auf die Sänge übersehen zu werdcn. So hat man dcnn auch,
in demMaße, «ie dieWürdigung und dat Dtudium deS Mittelalters im-
mer mehr an Liefe und Lusbreitung gewonnen, immer eifriger den Do-
rumenten der in Rede stehenden Lrt, so «ie den dieselben vielfach er-
gänzenden Kirchen-Jnventarien auf die Spur zu kommen gesucht. Die
durch daS, vom Unterrichrs- und SultuS-MinisterreffortirenLe, 6-mü« b>,-
rorjgii« ü«, »et, m 1-oa-me», z« Pari« herausgegebencn BulletinS (biS jetzt
sechSBLnde) sind sehr reich an solchemMateriale, «nb in neuester Zeit hat
die französische Regierung sich sogar veranlaßt gesehen, ein großartigeS
Prachtwerk publiciren zu lassen *), welches in die Serie der so überaut
werthvollen Oolleclion se öocllment, ineilit» snr I'biiloire äe icrsllce gehört,
die »nter de» Luspicien de« Unterrichts-Ministeriums «rscheint. Luf ein
noch großartigere« Sivilbauwerk beziehen sich die Rechuunge», welche
Brayley und Britton in ihrer U -lorx vk «kv »nci,nt p»Isce snt Iste bou-
se, ok ?»rl!»ment st VVestminsler (tzondon, Weale, 1836) von S. 150 biS
201 mittheilen; allein da« angeführte franzöfische Werk zeichnet sich, ab-
gesehen »on seiner bei Weitem größeren Reichhaltigkeit, Ladurch vor dem
englischen aus, daß eS durch Register seinen Reichthum leicht zugänglich
macht und in einer Einleitung eine lichtvolle Zusammenstellung der ge-
wonnenen Resultate gibt.
Unseres Wissens ist für Deutschlaud die vor unS liegende Schrist von
Scholten der erste bedeutcndere Versuch, auS solchen Quellen zu schöpfen.
Um das Buch nicht allzu sehr zu vertheuern, hat der Berfasser aus »en
im rantener Kirchen-Lrchive aufbewahrten, denZertraum von 1356—1555
umfaffenden lateinisch geschriebenen Daurechnungen nur Auszüge mit-
getheilt, und dazu eine Zusammenstellung der Haupt-Ergebnisse gefügt.
Wir fehen hier den prachtvollen Ba« nebst allem Zubehör durch zwei
Jahrhunderte gleichsam seine JahreSringe ansetzen; wir sehen bis auf
die kleinsten Znfälligkeiten herab, wie die Gunst und Ungunst der Der-
hältnisse bald fördernd, bald störend einwirke», wie die Meister und ihre
rüstigen Gesellen Stein für Stein zurechtmachen und einfügen; ja, wir
verfolgen Lie Steine auf Weg und Steg bis z« ihren Geburtsstätten
hin, zum Drachenfels, wo der Burgherr von jedem Sckstein (oirirteen)
ein Gefälle bezog (S. 58), in die Drüche am Laacher-See oder in die
Ruhrderge, welche sie zunächst nach Mülheim hinlieferten.
Eine ganze Genealogie von Meistern der verschiedenen Künste tritt
»nS hier entgegen, darunter mehrere Steiumctzmeister (m-g sier-lspiciä,.
srcbilspicic!» S. 31, vergleichc die Rote auf S. 49 über den LuSdrnck
„Mllgisicr k-bricse") aus Köln, von welchen der letzte, Johannes Langen-
berg (f 1522), den Bau in seiner Bvllenbung sah; sein Lndcnken ehrte
das Eapitel dadurch, daß es seiner Witwe auf kebenszeit einHauS über-
lieb. Das Jahrgehalt dieseS MeisterS bcstand in 18 Goldgulden und
jährlich einem ueuen Rock; LberdicS erhiclt er a» Sommertagen noch
sech«, im Winter vier Stüber Lagelvhn. Scholten macht in der Einlei-
tung die Bemerkung, wie bewundernswcrth in damaliger Zeit die Kühn-
heit (und man darf wohl hinznfügen: das Gottvertrauen) der Menschen
war folgende: Jch wünschte Köln seiner ganzen Lage nach a« Strome
;u zeigen, Lahin gehö'rt der Zusammenhang mit Deutz; sodann den
Strom in seinem Lauf vortheilhaft anzudeuten, die Gegend umher
sehsn zu lassen, besonderS daS Siebengebirge, den Dom vorzüglich
hervorstechend zu stellen, und einen verdeckenden ni'chtS bedeutenden
Vordergrund zu vermeiden, der z. B. bei einer Aufnahmevon Deutz
auS Gtatt findet, weil man dort einen breiten Streifen Wasser und
einen schmalen Streifen Stadt erhält. Die Lussicht von der Cuni-
bertskirch« hinab schien mir am vortheilhaftesten. Man sieht hier
links Deutz, den Rhein in seinen großen Schwunglinien bis zum
Siebengebirge folgend, auf Lemselben ist die fliegende Bcücke und ein
Rheinfloß bemerkbar. RechtS breitet sich die Stadt auS, in der Mitte
erhebt sich der Dom ; dre Wasserstraße mit ihren Schiffen, Thürmen,
Bastionen «nd Lhoren ist ganz zu verfolgen. Die belaubten Gärten
«m Cunibert herum, in die man hinabsicht, machen die nächste Um-
gebung freundlich uird reich; ganz i» ber Ferne über der Stadtsieht
man die Lnfange der Eifel und de» spitzen Berg von Kloster Laach."
kowpteo «I üepenses äc I» constrnclion «ll Obslesll 6o ksillon, pllblies
ä'spiiss !o» logistl», illSllllzcrit, äos tröivrier» äll Osräilllll ä'-4mdoise,
psr L. voeillo. ksri», impriw. os». 1850. Quartband von 559 Seiten,
mit vielen Kupfer-Beilagen.
gewesen sei, daß sie mit so geringen Mitteln so Großes zu unternehmen
gewagt. 2» der Lhat ist es kaum zu glauben, wie spärlich und wie we-
nig verla'Og die Zuflüsse zu dem Dauunternehmeu waren- HLtte man,
wie heutzutage zu geschehen pflegt, einen Kostenanschlag gemacht und
denstlbeu im BoranS zu decken gesucht, so würde zweifelsohne der erste
Etein noch immer zu legerr sein. Lllein so verfuhr da« Mittelalter über-
haupt nicht. Es bauete getrost mit demjenige», was ihm gerade zur
Berfugung stand, auf den Grund, den es für unerschütterlich erachtete,
und vermachte die Ehrenschuld der Bollendung auf die kommenden Ge-
schlechter. Mehrere Generationen sehen wir denn auch an dieser Schuld
getreulich abtragen ; ein Jeder halfdazu in seiner Weise. DerEine bringt
demSchaffner„,Werkme!ster"(m»g!steiksbr!osv)ein Bett,eineSchale,Getrei-
de, ein Lnderer einen Rock (tsbsräam S. 56, cspucism S. 59), Dicser ein ak-
tes Waffenstück (z. B. unsm loiicsm ,llIii;llissi,«L,», G. 64, vgl. S. 55),
Jener Baumaterialie»; eine Gesellschaft briugt den Erlv'S eines Kegek-
spiels (äe Illcko Icvxclorum S. 21). ei'n Grundherr den Preis für die Ent-
lassnng von Hörigen (S. 2 u. 26); selbst die Lirmsten blieben nicht zn-
rück (z. B. S. 32 „äe «zusäsm psllpercllls XIIII äe,.") ; auch die Stein-
mctzen selbst uicht, welche oft mit der andern Hand als Opfer darbrach-
te», «as sie mit dcr eineu so eben für ihre Lrbeit empfangen hatte»
(G. 9) u. s. w. u. s. w.
Es ist eine weit verbreitete Meinung, daß bei solchen Bauten VieleS
dnrch freiwilli'ge Verrichtungen geschehen sei. Jn Bezug auf den rante-
ner Kirchenbau findet sich Lavon keine Spur, wie bereits Scholten iu
seiner Einleitung bemerkt hat. Zm Gegentheil wurde auch für die klern-
sten Dienste eine Bergütung geleistet. So ward z. B. de» Schülern der
lateinischen Schule, einem jeden ein, genau verrechneteS, mitKäse beleg-
tes Butterbrod verabreicht, um an der Bcck Dachschiefer aus einem
Schiffe zu tragen. Lrinkgelder („pro bibsübus" S. 31) und sonstigeGra-
tificationen, befonders an Kleidungsstücken („pro ourisliiste et bonesisio
ecelesise") wurden nicht selten außer dem bedungenen Lohne gegeben. Da
jene Zcit noch nicht das Glück hatte, eine Ober-Baudeputatioii zu be-
sitzen, so half man sich in Lanten Ladurch, daß man eineu angeseheuen
Steinmetzmeister auS der kölner Hütte kvmmen ließ, um die Arbeiten zu
revidireu („ltem äiclu» msxisler Lersräus bioies äeseenäit äe 6oloui»-
sä vi-itslläum opus et reßenäum III üor. curr. eto." S. 42), und zwar,
wie es scheint, gegen sehr bescheidene Diäten. Luch aus Wesel verschrieb
man sich einmal einen Meister Heinrich Blankebüell als Rathgeber und
honorirte ihn mit einem Florin (S. 48), den Wein ungerechnet. ES
würde weit über die natürlichen Gränzen einer solchen Anzeige hinaus-
gehen, wollten wir alle die frappanten Züge hier zusammenstellen, welche
sich aus dieser so schlichten Buchführring ergeben. Von besonderem 2n-
teresse würde eine vergleichende Zusammeustelluiig solcher Rechnungen
aus verschiedenen Ländern sein, beispielsweise der oben im Eingange er-
wähnte», und zwar nicht bloß in kunst- und sittengeschichtlicher, sonderrr
auch selbst in national-ökonomischer Hinsicht. Llleia hier tritt die Ver-
wirrung im Müuzwesen überaus hemmend iu dcn Weg. Ju unsereu
xantener Rechnungen allein figuriren scho» so vielerlei Sorten, daß es
eine« besondercn Studiums bedarf, um sich da heraus zu finderi. Wenn-
glcich, wie bereits angeführt, Lie Rechnungen lateinisch gesührt find, so
laufen doch häufig deutsche Wörter mitunter, besonderS technische Lns-
drücke, welche theilweise zur Wiederaufnahme in die heutige Sprache
wohl geeignet wären. Es ist angemessen, daß mit den Dingen auch die
denselbe» entsprechenden Wörter im Leben wieder Wurzel fassen, Die
Schreibweise der einzelnen Wörter wechselt natürlich in den fortlaufen-
den Rechnungen. So wird für Gesims Geseimtz, Geseimpst und Ge-
seempt« gebraucht und ist von großem irnd klernem Gesims die
Rede (S. 73). Vvn Kunstausdröcken mögen die folgenden hier bei-
spielsweise erwähnt werden: Loefwerk, Wynsterpost (Fensterpfosten),
Klockenspyker, Lutza (Steinmetzen-Werkstätte, Litsch?), Streibaegen,
Streefbaegen oder Streyfbaegen (Strebebogen), Streefpylre, Steigerholt
(Gerüstholz), Gaetsteen (Rinnstein), Oirtsteen (Eckstein), Stewynge
(Stabwerk), Naesen (die untergeordneten vorspringendeu Glieder in deu
Fenster-Krönungen), Schinkelen (Gewölbrippen) u. s. w- Wir hoffen,
daß die Schrift nach mehr als Einer Seite hin anregend wirken wird;
fie erscheint namentlich gecignet, uns klar zu machen, wie sehr es zu be-
klagen ist, daß mit den alten Kirchen-Lrchiven so heillos gewirthschaftet
worden, wie unersetzlich insbesondere der Verlust unseres Dom-LrchiveS
ist. Der Wunsch wird dabei vielleicht inManchem aufsteigen, daßhierzu
geeignete Personen die letzten Schicksale dieses Lrchives näher beleuchten
möchten; wir unsererseits theilen diesen Wunsch auss lebhasteste, zu-
mal sich die, wenn auch nur schwache, Hoffnring daran knüpft, daß jener
Veclust, wenigstens zum Theile, noch wieder gut gemacht werdeir kö'nire.
Wir schließe» Liese Lnzeige mit den Worten, mit wclchen v. Scholten
seine Einleitung geschlossen hat, den letzten, welche vielleicht aus seiner
Feder geflossen sind:
„Uns aber mahne die alte Zeit zum Lusharren im gnte» Bcgin-
nen; hat doch auch der letzte Meister dreißig Jahre gxarbeitet und
gewartct, bis er den Ban in seiner Bollcndung gesehen, und wie
er sein schwereS Wcrk gednldig zu Ende gesührt, so wollen auch wir
nns unsere geringer« Mühe nicht verdrießen lassen, die, weil sie auf
ein grvßes uud eiles Ziel gerichtet ist, ohnehiu ihren Lohs schon in
sich selber trägt."
Wenngleich drese Worte znnächst an den rantener Derein zur Wicder-
)erstellnng der St. Victorskirche, dessen Vvrfitzender Herr v. Scholten
war, gerichtet find, so werden dreselben doch auch gewiß immer lanteren
Lnklang iii denjenigen finden, welche sich um die hohe Metropole dieser
Kirche, den Dom zu Köln, geschart haben.
L. Reichensperg er.
Verantwortlicher Herausgeber: I. I. Nelles in Köln.
EommissionS-Verlag des BerlegerS der Köln-Ztg.: Jos. DuMont in Köln.
Druck von M. DuMont-Schanberg in Köln.
Lutzüge auS d«n Baurechnungen der St. BictorSkirche zu Lante». Lon
l>. L. C. Scholten. Mit einem Borwort von 0. W. Junk-
man». Berlin. bei GropinS, 1852. 8. 95 Seiten.
Mit eiuem schmerzlichen Gefühle gehen wir an die Besprechung vor-
stehender Schrift. Zhr Berfasser wurde. alS er sich zu Berkin al« Lb-
geordneter befand, mitten aus seinen Lrbeiten und Entwürfen von hin-
nen gerufen, »achdem er auf dem Krankenbette die letzte Hand an diese
Schrift gelegt hatte; er ruht i» dem Boden der ihm so theuren rheini-
schen Heimat. Seine Geschichte König Ludwig'S deS Heiligen, deren zwei-
ter Band sich unter Ler Preffe befindet, würde schon genügen, um dar-
zuthun, daß die Geschichtschreibung durch seinen Lod einen erheblichen
Berlust erlitten hat. ES war seine, dem Einsender gegenüber mehrfach
gea'ußerte Lbsicht, demna'chst seine ganze Kraft auf die Geschichte der
StadtKöln zu verwendeu, in Belreff welcher der vorhandeneReichthum
an Materialien «ben so hemmend zu wirken scheint, «ie anderwärtS die
Lrmuth. Wohl ohne es zu wollen, hat der Berf. bereits in vorliegen-
der Schrift mit der Berwirklichung jenes Planes den Lnfang gemacht.
So manche Fäden laufen von dem kölner und dem xantener Dombaue
herüber und hinüber, daß gewiffer Maße» die beiden Werke Ein Gewebe
bilden.
ES ist schon mehrfach darauf hiugewiesen worde», welchen reichen Luf-
schluß, nicht bloß über das Bauwesen, sondern über dak gesammteLedeu
LeS Mittelalters solche Rechnungen gewähren. Dieselben gestatten unS
eineu Blick in jenes anscheinend geriugfügige Detail, welches Ort, Zeit
und Berhältnisse gerade am treffendsten charakterisirt und nicht selten
den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen liefert. Die großen
Züge sind den meisten Zeitperioden gemein und springen allzu sehr in die
Lugen, um auf die Sänge übersehen zu werdcn. So hat man dcnn auch,
in demMaße, «ie dieWürdigung und dat Dtudium deS Mittelalters im-
mer mehr an Liefe und Lusbreitung gewonnen, immer eifriger den Do-
rumenten der in Rede stehenden Lrt, so «ie den dieselben vielfach er-
gänzenden Kirchen-Jnventarien auf die Spur zu kommen gesucht. Die
durch daS, vom Unterrichrs- und SultuS-MinisterreffortirenLe, 6-mü« b>,-
rorjgii« ü«, »et, m 1-oa-me», z« Pari« herausgegebencn BulletinS (biS jetzt
sechSBLnde) sind sehr reich an solchemMateriale, «nb in neuester Zeit hat
die französische Regierung sich sogar veranlaßt gesehen, ein großartigeS
Prachtwerk publiciren zu lassen *), welches in die Serie der so überaut
werthvollen Oolleclion se öocllment, ineilit» snr I'biiloire äe icrsllce gehört,
die »nter de» Luspicien de« Unterrichts-Ministeriums «rscheint. Luf ein
noch großartigere« Sivilbauwerk beziehen sich die Rechuunge», welche
Brayley und Britton in ihrer U -lorx vk «kv »nci,nt p»Isce snt Iste bou-
se, ok ?»rl!»ment st VVestminsler (tzondon, Weale, 1836) von S. 150 biS
201 mittheilen; allein da« angeführte franzöfische Werk zeichnet sich, ab-
gesehen »on seiner bei Weitem größeren Reichhaltigkeit, Ladurch vor dem
englischen aus, daß eS durch Register seinen Reichthum leicht zugänglich
macht und in einer Einleitung eine lichtvolle Zusammenstellung der ge-
wonnenen Resultate gibt.
Unseres Wissens ist für Deutschlaud die vor unS liegende Schrist von
Scholten der erste bedeutcndere Versuch, auS solchen Quellen zu schöpfen.
Um das Buch nicht allzu sehr zu vertheuern, hat der Berfasser aus »en
im rantener Kirchen-Lrchive aufbewahrten, denZertraum von 1356—1555
umfaffenden lateinisch geschriebenen Daurechnungen nur Auszüge mit-
getheilt, und dazu eine Zusammenstellung der Haupt-Ergebnisse gefügt.
Wir fehen hier den prachtvollen Ba« nebst allem Zubehör durch zwei
Jahrhunderte gleichsam seine JahreSringe ansetzen; wir sehen bis auf
die kleinsten Znfälligkeiten herab, wie die Gunst und Ungunst der Der-
hältnisse bald fördernd, bald störend einwirke», wie die Meister und ihre
rüstigen Gesellen Stein für Stein zurechtmachen und einfügen; ja, wir
verfolgen Lie Steine auf Weg und Steg bis z« ihren Geburtsstätten
hin, zum Drachenfels, wo der Burgherr von jedem Sckstein (oirirteen)
ein Gefälle bezog (S. 58), in die Drüche am Laacher-See oder in die
Ruhrderge, welche sie zunächst nach Mülheim hinlieferten.
Eine ganze Genealogie von Meistern der verschiedenen Künste tritt
»nS hier entgegen, darunter mehrere Steiumctzmeister (m-g sier-lspiciä,.
srcbilspicic!» S. 31, vergleichc die Rote auf S. 49 über den LuSdrnck
„Mllgisicr k-bricse") aus Köln, von welchen der letzte, Johannes Langen-
berg (f 1522), den Bau in seiner Bvllenbung sah; sein Lndcnken ehrte
das Eapitel dadurch, daß es seiner Witwe auf kebenszeit einHauS über-
lieb. Das Jahrgehalt dieseS MeisterS bcstand in 18 Goldgulden und
jährlich einem ueuen Rock; LberdicS erhiclt er a» Sommertagen noch
sech«, im Winter vier Stüber Lagelvhn. Scholten macht in der Einlei-
tung die Bemerkung, wie bewundernswcrth in damaliger Zeit die Kühn-
heit (und man darf wohl hinznfügen: das Gottvertrauen) der Menschen
war folgende: Jch wünschte Köln seiner ganzen Lage nach a« Strome
;u zeigen, Lahin gehö'rt der Zusammenhang mit Deutz; sodann den
Strom in seinem Lauf vortheilhaft anzudeuten, die Gegend umher
sehsn zu lassen, besonderS daS Siebengebirge, den Dom vorzüglich
hervorstechend zu stellen, und einen verdeckenden ni'chtS bedeutenden
Vordergrund zu vermeiden, der z. B. bei einer Aufnahmevon Deutz
auS Gtatt findet, weil man dort einen breiten Streifen Wasser und
einen schmalen Streifen Stadt erhält. Die Lussicht von der Cuni-
bertskirch« hinab schien mir am vortheilhaftesten. Man sieht hier
links Deutz, den Rhein in seinen großen Schwunglinien bis zum
Siebengebirge folgend, auf Lemselben ist die fliegende Bcücke und ein
Rheinfloß bemerkbar. RechtS breitet sich die Stadt auS, in der Mitte
erhebt sich der Dom ; dre Wasserstraße mit ihren Schiffen, Thürmen,
Bastionen «nd Lhoren ist ganz zu verfolgen. Die belaubten Gärten
«m Cunibert herum, in die man hinabsicht, machen die nächste Um-
gebung freundlich uird reich; ganz i» ber Ferne über der Stadtsieht
man die Lnfange der Eifel und de» spitzen Berg von Kloster Laach."
kowpteo «I üepenses äc I» constrnclion «ll Obslesll 6o ksillon, pllblies
ä'spiiss !o» logistl», illSllllzcrit, äos tröivrier» äll Osräilllll ä'-4mdoise,
psr L. voeillo. ksri», impriw. os». 1850. Quartband von 559 Seiten,
mit vielen Kupfer-Beilagen.
gewesen sei, daß sie mit so geringen Mitteln so Großes zu unternehmen
gewagt. 2» der Lhat ist es kaum zu glauben, wie spärlich und wie we-
nig verla'Og die Zuflüsse zu dem Dauunternehmeu waren- HLtte man,
wie heutzutage zu geschehen pflegt, einen Kostenanschlag gemacht und
denstlbeu im BoranS zu decken gesucht, so würde zweifelsohne der erste
Etein noch immer zu legerr sein. Lllein so verfuhr da« Mittelalter über-
haupt nicht. Es bauete getrost mit demjenige», was ihm gerade zur
Berfugung stand, auf den Grund, den es für unerschütterlich erachtete,
und vermachte die Ehrenschuld der Bollendung auf die kommenden Ge-
schlechter. Mehrere Generationen sehen wir denn auch an dieser Schuld
getreulich abtragen ; ein Jeder halfdazu in seiner Weise. DerEine bringt
demSchaffner„,Werkme!ster"(m»g!steiksbr!osv)ein Bett,eineSchale,Getrei-
de, ein Lnderer einen Rock (tsbsräam S. 56, cspucism S. 59), Dicser ein ak-
tes Waffenstück (z. B. unsm loiicsm ,llIii;llissi,«L,», G. 64, vgl. S. 55),
Jener Baumaterialie»; eine Gesellschaft briugt den Erlv'S eines Kegek-
spiels (äe Illcko Icvxclorum S. 21). ei'n Grundherr den Preis für die Ent-
lassnng von Hörigen (S. 2 u. 26); selbst die Lirmsten blieben nicht zn-
rück (z. B. S. 32 „äe «zusäsm psllpercllls XIIII äe,.") ; auch die Stein-
mctzen selbst uicht, welche oft mit der andern Hand als Opfer darbrach-
te», «as sie mit dcr eineu so eben für ihre Lrbeit empfangen hatte»
(G. 9) u. s. w. u. s. w.
Es ist eine weit verbreitete Meinung, daß bei solchen Bauten VieleS
dnrch freiwilli'ge Verrichtungen geschehen sei. Jn Bezug auf den rante-
ner Kirchenbau findet sich Lavon keine Spur, wie bereits Scholten iu
seiner Einleitung bemerkt hat. Zm Gegentheil wurde auch für die klern-
sten Dienste eine Bergütung geleistet. So ward z. B. de» Schülern der
lateinischen Schule, einem jeden ein, genau verrechneteS, mitKäse beleg-
tes Butterbrod verabreicht, um an der Bcck Dachschiefer aus einem
Schiffe zu tragen. Lrinkgelder („pro bibsübus" S. 31) und sonstigeGra-
tificationen, befonders an Kleidungsstücken („pro ourisliiste et bonesisio
ecelesise") wurden nicht selten außer dem bedungenen Lohne gegeben. Da
jene Zcit noch nicht das Glück hatte, eine Ober-Baudeputatioii zu be-
sitzen, so half man sich in Lanten Ladurch, daß man eineu angeseheuen
Steinmetzmeister auS der kölner Hütte kvmmen ließ, um die Arbeiten zu
revidireu („ltem äiclu» msxisler Lersräus bioies äeseenäit äe 6oloui»-
sä vi-itslläum opus et reßenäum III üor. curr. eto." S. 42), und zwar,
wie es scheint, gegen sehr bescheidene Diäten. Luch aus Wesel verschrieb
man sich einmal einen Meister Heinrich Blankebüell als Rathgeber und
honorirte ihn mit einem Florin (S. 48), den Wein ungerechnet. ES
würde weit über die natürlichen Gränzen einer solchen Anzeige hinaus-
gehen, wollten wir alle die frappanten Züge hier zusammenstellen, welche
sich aus dieser so schlichten Buchführring ergeben. Von besonderem 2n-
teresse würde eine vergleichende Zusammeustelluiig solcher Rechnungen
aus verschiedenen Ländern sein, beispielsweise der oben im Eingange er-
wähnte», und zwar nicht bloß in kunst- und sittengeschichtlicher, sonderrr
auch selbst in national-ökonomischer Hinsicht. Llleia hier tritt die Ver-
wirrung im Müuzwesen überaus hemmend iu dcn Weg. Ju unsereu
xantener Rechnungen allein figuriren scho» so vielerlei Sorten, daß es
eine« besondercn Studiums bedarf, um sich da heraus zu finderi. Wenn-
glcich, wie bereits angeführt, Lie Rechnungen lateinisch gesührt find, so
laufen doch häufig deutsche Wörter mitunter, besonderS technische Lns-
drücke, welche theilweise zur Wiederaufnahme in die heutige Sprache
wohl geeignet wären. Es ist angemessen, daß mit den Dingen auch die
denselbe» entsprechenden Wörter im Leben wieder Wurzel fassen, Die
Schreibweise der einzelnen Wörter wechselt natürlich in den fortlaufen-
den Rechnungen. So wird für Gesims Geseimtz, Geseimpst und Ge-
seempt« gebraucht und ist von großem irnd klernem Gesims die
Rede (S. 73). Vvn Kunstausdröcken mögen die folgenden hier bei-
spielsweise erwähnt werden: Loefwerk, Wynsterpost (Fensterpfosten),
Klockenspyker, Lutza (Steinmetzen-Werkstätte, Litsch?), Streibaegen,
Streefbaegen oder Streyfbaegen (Strebebogen), Streefpylre, Steigerholt
(Gerüstholz), Gaetsteen (Rinnstein), Oirtsteen (Eckstein), Stewynge
(Stabwerk), Naesen (die untergeordneten vorspringendeu Glieder in deu
Fenster-Krönungen), Schinkelen (Gewölbrippen) u. s. w- Wir hoffen,
daß die Schrift nach mehr als Einer Seite hin anregend wirken wird;
fie erscheint namentlich gecignet, uns klar zu machen, wie sehr es zu be-
klagen ist, daß mit den alten Kirchen-Lrchiven so heillos gewirthschaftet
worden, wie unersetzlich insbesondere der Verlust unseres Dom-LrchiveS
ist. Der Wunsch wird dabei vielleicht inManchem aufsteigen, daßhierzu
geeignete Personen die letzten Schicksale dieses Lrchives näher beleuchten
möchten; wir unsererseits theilen diesen Wunsch auss lebhasteste, zu-
mal sich die, wenn auch nur schwache, Hoffnring daran knüpft, daß jener
Veclust, wenigstens zum Theile, noch wieder gut gemacht werdeir kö'nire.
Wir schließe» Liese Lnzeige mit den Worten, mit wclchen v. Scholten
seine Einleitung geschlossen hat, den letzten, welche vielleicht aus seiner
Feder geflossen sind:
„Uns aber mahne die alte Zeit zum Lusharren im gnte» Bcgin-
nen; hat doch auch der letzte Meister dreißig Jahre gxarbeitet und
gewartct, bis er den Ban in seiner Bollcndung gesehen, und wie
er sein schwereS Wcrk gednldig zu Ende gesührt, so wollen auch wir
nns unsere geringer« Mühe nicht verdrießen lassen, die, weil sie auf
ein grvßes uud eiles Ziel gerichtet ist, ohnehiu ihren Lohs schon in
sich selber trägt."
Wenngleich drese Worte znnächst an den rantener Derein zur Wicder-
)erstellnng der St. Victorskirche, dessen Vvrfitzender Herr v. Scholten
war, gerichtet find, so werden dreselben doch auch gewiß immer lanteren
Lnklang iii denjenigen finden, welche sich um die hohe Metropole dieser
Kirche, den Dom zu Köln, geschart haben.
L. Reichensperg er.
Verantwortlicher Herausgeber: I. I. Nelles in Köln.
EommissionS-Verlag des BerlegerS der Köln-Ztg.: Jos. DuMont in Köln.
Druck von M. DuMont-Schanberg in Köln.