Erzbischvf Graf Spicgel.
Zwei Perioden der neuere» Geschichte deß kvlner Dombaues liegen hin-
ter uns: die erste Periode von der Uufnahme der Rheinprvvinz in den
preußischen Staatsverband bis zur Wiederbesetzung deß erzbischöflichen
Stuhles in KLln (1815—1825). und die zweite von da an bis zur Lhron-
besteigung Seiner Majestät «nseres jctzt regierenden Königs, Friedrich
Wilhelm lV. (1825—1840). Der dritten Periode. die in der Bollendung
des ganzen inneren Dornes ihren hoffentlich nahen Abschluß finden wird.
gehort Lie tha'tige Lheilnahnre der Gegenwart. Diese Kheilnahme durch
einen Rückblick auf die besonderen Berdienste früherer Lage zu starken.
haben wir in der letzten Nummer dieses Blattes nach einer kurzen histo-
rischen Einleitung an Len Mann erinnert. der für jene erste Periode
vor allen Anderen des Ehrenpreises werth schien. Wir verfolge» unsere
Absicht, indem wir für Lie zweite Periode vorzüglich bei dem Äamen des
Erzbischofs Grafen Spiegel*) vcrweilen.
Die Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhles in Köln war in mehr
als Einer Hinsicht ein Ereigniß auch für Lie Geschicke des Gottesha«>
ses, in dem dieser Stuhl so lange verwais't gestanden. Sie machte die
Erhaltung der wiedergewonneuen Metropolitan-Domkirche zu eincr gc-
meinschaftlichen Pflicht der ganzen Erzdiözese u»d i» weiterer Ausdeh-
nung auch des Metropolitan-Sprengels. und sicherte Lie angelegentlichste
Wahrnehmung dieser Pflicht durch die pcrsönliche Neigung, Lie der neu
ernannte Erzbischof für dcn kölncr Dom mitbrachtc. und Lie er demseb
ben von dcm erste» Angenblicke seiner Amtswirksamkeit an bis zu Lcren
Bollendnng imJahre 1835 ununterbrochen zuwandte. Aeußerst schatzbare
Materialie» zur näheren Kenntnißnahme dieser Theilnahme bieten die
über Len Dombau jener Zeit gepflogenen, in Ler erzbischöflichen Rcgistra-
tur beruhenden amtlichcn Verhandlungen. Wir verdanken es dem leben-
digen Jntereffe, womit der hvchvcrdiente Ehren-Präsident des Dombau-
Vereink, SeineEminenz der Herr Erzbischof, Cardinal von-Geissel,
jede Bestrebung für dcn Dombau bcglcitet, daß wir uns in dcr folgcn-
dcn Mittheilung auf diese Berhandlungen großen Lhcils stiitze» könncn.
Die Ankunft des Grafen Spiegcl in Köln (24. April 1825) sollte in
eine Zeit fallen, die dem Fvrtgange der kaum begonnenen Herstellungs-
Arbeiten am kölner Dome mit uncrwarteter grvßer Gcfahr drvhte. Man
hatte Lie gesammten Kostcn dicser Arbeiten anfänglich zur Summe vpn
wenig mchr als 1W,Wl> Lhlrn. veranschlagt, und die Cabinets-Drdrc vom
21. Januar 1824, in deren Folge die Hcrstcllung dcs kölner Domcs ih-
ren Anfang nahm, war mitZugrundslegung dicses Kosten-Auschlagcs er-
lasscn worden. Jndcß fchon am Schluffe Les Jahres 1824 haite der mit
Ler Führung der Arbeiten beauftragte Königliche Bau-Jnspector Ah lert
die Ueberzeugung gewvnnen, daß, „um Lie Herstellung bloß auf sämmt-
liche, nahem Bcrfalle ausgesetzte Lheile anszudehnen," die vcranschlagte
Summe uuzurcichend sei, und daß „zur Erhaltung der wesentlichen Lheile
des GebäuLes und zur gleichzeitigen, wcnngleich nur vereinfacht aus-
zusührendenWiederherstellung der charakteristischen Berzierungen", Ler bc-
reits dcwilligten Anschlagssumme von 104,921 Khlrn. — wovon jcdoch
zu jener Ieit kaum mehr als 20,000 Lhlr., und zwar theilweise erst zur
Aufrichtung der Baugerüste, verwandt waren — noch eine sernere Summe
von mehreren Hunderttausend Lhalern hiiiziitretcn müffe. Dcr dcmgcmäß
an das Ministerium erstattete Baubericht, wie gut gemeint und in sich
begründet er auch sonst gewesen war, mußte der Förderung Lcs Dom-
baues neue Schwierigkeiten bereiten. Es handelte sich hier mit Einem
Male fast um das Drei- oder Wierfache der Merwendungs-Snmme, die
man vor Deginn der Arbciten zurHerstcllung des Ganzen für zureichcnd
crachtet hatte, und doch lagen erst die Erfahrungen eines ersten Iahrcs
vor. Zu welcher Kostenhöhe konnten hiernach Lie fortschreitenden Erfah-
rungen der nächstcn Zahre führen! Möglich, daß sich auch nvch andere
technische und sonstige Gegenwirkungen geltend machten, da eine Ein-
stimmigkeit „über den Beruf unferer Aeit zum Fortbaue dcs Domes in
Köln und über die Zwcckmäßigkeit eincs solchen Unternehmens," trotz der
Lutorität Schinkel's, Lamals überhaupt noch nicht vorhanden war. Wie
dcm aber auch gewesen. die betreffenden Minister fanden sich endlich in
dem Falle, die Anvrdnung zu ertheilen, „daß alle feriieren Arbciten am
Dome vor Ler Hand einzustellen" seien, und eine Cabinets-Ordre vom
15- März 1825 gab dieser Anordnung ihre, wenngleich Lahin bedingte
Zustimmung, daß die Ermittlung der zur Fortsetzung dcr Herstellungs-
Arbeiten jetzt crforderlichen Fonds von den Ministern und Lem Erzbi-
schofe zu Köln noch gemeinschaftlicher Erwägung unterworfcn, und daß
Lber das Resultat dieser Erwäguiig dcmnächst berichtet werden solle. Als
Schlußtermin dcr einstwciligcn Einstellung dcr Arbeitcn bezeichncte die
höhcrcBaubehö'rdc hieraufden 1. October 1825. bis wvhin denn zur Bollen-
dung der angefangencn Arbeiten noch ein bestimmtcr Bruchtheil der bc-
willigten -ersten Aiischlagssumme übcrwicsen ward. Die Hoffnungcn für
den Dombau, die bereits so schö'n zu reifen angefangen hatten, schienen,
«en» nicht für immcr verlorcn,. doch aufs Nene ins Nngcwiffe hinaus-
gewiesen!
Graf Spicgel überschaute die Gefahr in ihrem ganzen Umfange. War
die bis zum 1. October 1825 einmal angeordnete Einstellung der Arbei-
ten erst in Vollzug gesetzt, die Baurüstung abgetragen und die Stockung
factisch eingetrcten, so mochtc jede kiinstige Anstrengung für die Wieder-
aufnahme der Arbeiten leicht zu spät kommen. Es Halt also, die Zeit, die
noch gegeben war, zu nutzen, und Graf Spiegel säumte nicht. Fremd,
wie er jil AKjn war, wandte er sich zuerst an seinen Kanzler, unseren
Mitbürger Hcrr» Joseph von Groote, um von ihm in dcr „großen,
wichtigen Angclegenheit" mit sachlichen Aufklä'rungen und mit gutacht-
licher Lcußerung über mehrece specielle Anfragen „erfceut" zu werdcn,
und Lie Art und Weise, womit der Kanzler diesem Ersuchc» in einem
erschöpfenden Berichte zu entsprechen wußte, konnte dcm Erzbifchofe al-
lerdings die erfreuliche Ueoerzeugung geben, daß ihm Herzen nahe waren,
dir sein« Liebe für den Dom mitempfandeu und feine Sorgen theiltcn.
*)FerditiandAngustSpiegel, Graf zumDesenbergund
Sanstein, geboren anf Schloß Canstcin in Wcstfalen am 25. De-
cember 1703, consecrirt und inthropisirt als Erzbischof vcr Köin ,
am 11. Jun» 1S2S. >
Jm Besitze des nöthigen factischen Materials beginnt er denn sofort, und
ohne die officielle Eröffnung Seitens Ler Ministerie» ahzuwarten, bei
Personen und den nächsten Lvcal-Behörden auf die durch Unterbrechung
der Arbeiten dem Dombaue drohende Gefahr aufmerksam zu machen und
an ihre Abwehr alle Kraft zu setzen. Da wir diese Lhätigkeit hier nicht
in ihrem ganzen Umfange darlegen können, sv beschränken wir uns auf
die Mittheilung, die er am 15. Iuli 1825 an den Oberbürgermeister Ler
Stadt Köln, den jetzige» Geheimen Regierungsrath Hrn. Stein berger,
richtete. Jn dieser Mittheilung heißt es: „Die Arbeiten deS Königlichen
Bau-Jnspectors Hrn. Ahlert beschränken sich in Gefolge wicderholt er-
haltener Weisung von Hrn. Baurath Frank in Coblenz auf Vorberei-
tung zum Schlusse der unvollendeten Arbeit untzAbbruch Les großen Ge-
rüstes. Dieses Uebel ist nicht mehr abzuwenden, wenn nicht fürs Erste
außerordentliche Mittel gefunden werden, die Bau-Reparaturen, wenn
auch nur langsam, durch den Hrn. Bau-Jnspector Ahlert fortsetzen zu
lassen, und den Abbruch des großen Gerüstes, Lessen Wiederaufrichtung
und Erneuerung mehrcre Lausend Khaler kosten würde, abzuhalten. Nie-
mand kann bei dieser Angelegenheit sich wesentlicher und unmittelbgrer
betheiligt fi'nden, als die Einwohner der Stadt Kö'ln, deren hoher Sinn
und Denkart es eben so wcnig zugebe» wird, daß die Dvmkirche Ruine
werde, der Dom-Gottesdienst aufhöre uud die Domcapitels-Verlegung
abgenö'thigt werde, als andererseits auch Lie Baulast zu drückend fallen
würde, wenn sie auf die Bewohner Kölns allein lasten sollte. Jn Lieser
letzten Beziehnng ist ineine Ansicht, daß nicht nur das Erzbisthum Köln,
sondern auch die sämmtlichen Suffraganeaten Ler Metropolitan-Provinz
ihrer Mutterkirche zu Hülfe kommen müffen. Das Wie Ler Einleitung
muß noch überlegt, die hohen Provincial-.Behörden sür die Sache gewon-
nen wcrden, Lamit Anträge darüber an des Königs Majestät L«rch die
hohen Ministerien, vielleicht durch das gesammte Staats-Ministerium
Eingang fi'nden mögen. Ehe aber hicrüber Einschreitung ausführbar wird,
indem auch die Königliche CabinetS-Ordre vom 15. März 1825, von der
ich zur gcschwinderen 2lnsicht eins Abschrift beilege, mir noch nicht offi'-
ciel mitgetheilt ist, wird von Seiteu Ler Stadt Köln etwas geschehen
müssen; es dürfte Euer Hochwohlgeboren als unumgänglich nöthig er-
scheine», Bangelder ex seriirio civitiilis oder aus sonst Lisponibeln Fonds
auszumitteln und Lber laugsame Fortsetzung der Bau-Reparaturen mit
dem Hrn. Bau-Jnspector Ahlert Rücksprache zu nehmen, damit die
drohende Gefahr abgewendet und der Anschein, als fehle es bei dem Un-
ternchmen der Austechterhaltung der kölner Domkirche, an der wirklichen
Kheilnahme der Stadt, beschwichtigt werde *)."
Am 6. August 1825 setzte dcr Staats-Minister Freiherr vvn Alten-
stein von Bad Kissingen aus Leu Erzbischof von dem Erlasse der Cabi-
nets-Ordre vom 15- März 1825 u»d von Lem, was in Folge derselben
bis jetzt geschehen, in amtliche Kenntniß. „Seine Majestät haben Sich
auf die nähere Anzeige des Kö'iiiglichen Ministeriums des Handels aller-
dings nicht bewogen gefunden, die Bewilligung einer, den friiheren An>
schlag so bedeutend überschreitenden Summe, wie sie nach der Berech-
nuug des Bau-Inspectors Ahlert vom 28. Rovember 1824 sür die bau-
kiche Erhaltung des Dvmes erfordert wird, eintrsten zu lassen, und es
daher gut geheißen, daß die weiteren Bauarbeiten vor der Hand einge-
stellt werden. Zugleich aber haben Allerhöchstdieselben, La die Erhaltung
des GebäuLes, wenu sie erreicht werden kann, wünschenSwerth bleibt, zu
befehlen geruht, daß mit Seiner Erzbifchöftichs!! Gnaden naher erwogen
werden solle, in wie weit die erforderlichen Fonds durch Benutzung der
Kathedralstener und einer Collecte, oder auf andere Weise herbeizuschaf-
fen sein würden, vorausgesetzt, daß die nunmehrige Anschlags-Summc
auch wirklich ausreiche." Der weitere Werlauf Ler Mittheilung beweift,
wie der Minister durch Einholung eines Gutachtens des Geheimen Ober-
Bauraths Schinkel vom 28. Juni 1825 seinerseits bereits bemüht gewe-
sen, „die Sache zu eincm erwünschten, den Allergnädigsten Absichten ent-
sprechenden Ziele zu führe»/' so wie denn aus dem ganzen Erlaffe dis
persönliche Lheilnahme und Neigung dcs Ministers für den Dombau und
der lebhaste Wunsch, die angeordnete Einstellung der Arbeiten wieder
rückgäugig zu machen und sich in seinem desfallsigen cigenen Bemühen
Lurch Lcn Beistand des Erzbischofs krä'ftig uiiterstüHt zu sehen, klar her-
vorleuchtet. „Es scheint mir in der Natur der Sache zu liegen," sagt der
Minister v. Altenstein, „daß die Erhaltung des Dombaues für Euer
Erzbischöflicheii Gnaden ein ganz besonderes Jnteresse hat. Dessen jetzt
besorgter Zusammensturz, so wie eventualiter deffen Erhaltung sind Lhat-
sachen, welche in der Kunstgeschichte treu werden aufbewahrt werden; an
sie wird sich stets die Ecinneruug an Jhren Namen, den ersteu Jnhaber
des erzbischöftichen Stuhles «ach dessen neuer Begründung, kuüpfen.
Jn dicser Hinsicht würde ich es für angemessen erachten, wenn Seine
Majsstät dcr Küiiig, unter Concurrciiz des Kvniglichen Ober-Präsidii,
Euer Erzbischöflicheii Gnaden die fernere spcci-lle Leitung Ler Bau-An-
gelegenheit übertragen." „Suer Erzbischöstichen Gnaden", so schließt
der Minister, „ersuchs ich nunmehr ergebenst, diese Angelegenheit in nähere
Erwägung zu ziehen und mir recht bald Zhre gefällige Erklärung zu-
gehen zu lassen, damit ich hierüber Seiner Majestät dem Kö'nige den nö-
thigen Vortrag halten und-Kie Bewilligung dcr sonach für unerläßlich
zu erachtenden Zuschüsse aus dec Staatscaffe nachsuchen, das Ganze aber
doch so beschleunigen kann, daß vor dem Eintritte des Herbstes die Aller-
höchste Entschließung eingegangeii sei."
Die Antwort des Erzbischvfs an den Minister Freiherrn von Alten-
stein datirt vom 22. August 1825. Der Erzbischof kann die einleitenLe
Versichsrung, daß die hohe, neue Hoffnung gewährende Eröffnung Seiner
Ercellenz vom 6. August 1825 die Gemüther hicr angenehm angespro-
chen habe und nicht ohns gute Ernwirkung auf die Mittel zum Zwecke
bleibe, mit Ler Anzeigc verbinden, daß er ftüher schon, und zwar in der
Ueberzeugung, Seine Ercsllenz würden der angeordneten Einstellung der
Dombau-Arbeiten noch zuvorkommen, eins Geld-Auschaffung zur Abwen-
*) Ein auf den Vortrag des Herrn Oberbürgermeisters crgangener Be-
schluß des Stadtrathö vom 5. Augvst 1825, wodurch znr Fortsetzung
der Bau-Reparaturen am Dome eine bestimmte Zuschußsummc aus
städüichcn Mittel» bcwilligt ward, unterlag bei seiner Ausfübrung
der Ungunst damalö obwaltender Verhaltnisse,
Zwei Perioden der neuere» Geschichte deß kvlner Dombaues liegen hin-
ter uns: die erste Periode von der Uufnahme der Rheinprvvinz in den
preußischen Staatsverband bis zur Wiederbesetzung deß erzbischöflichen
Stuhles in KLln (1815—1825). und die zweite von da an bis zur Lhron-
besteigung Seiner Majestät «nseres jctzt regierenden Königs, Friedrich
Wilhelm lV. (1825—1840). Der dritten Periode. die in der Bollendung
des ganzen inneren Dornes ihren hoffentlich nahen Abschluß finden wird.
gehort Lie tha'tige Lheilnahnre der Gegenwart. Diese Kheilnahme durch
einen Rückblick auf die besonderen Berdienste früherer Lage zu starken.
haben wir in der letzten Nummer dieses Blattes nach einer kurzen histo-
rischen Einleitung an Len Mann erinnert. der für jene erste Periode
vor allen Anderen des Ehrenpreises werth schien. Wir verfolge» unsere
Absicht, indem wir für Lie zweite Periode vorzüglich bei dem Äamen des
Erzbischofs Grafen Spiegel*) vcrweilen.
Die Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhles in Köln war in mehr
als Einer Hinsicht ein Ereigniß auch für Lie Geschicke des Gottesha«>
ses, in dem dieser Stuhl so lange verwais't gestanden. Sie machte die
Erhaltung der wiedergewonneuen Metropolitan-Domkirche zu eincr gc-
meinschaftlichen Pflicht der ganzen Erzdiözese u»d i» weiterer Ausdeh-
nung auch des Metropolitan-Sprengels. und sicherte Lie angelegentlichste
Wahrnehmung dieser Pflicht durch die pcrsönliche Neigung, Lie der neu
ernannte Erzbischof für dcn kölncr Dom mitbrachtc. und Lie er demseb
ben von dcm erste» Angenblicke seiner Amtswirksamkeit an bis zu Lcren
Bollendnng imJahre 1835 ununterbrochen zuwandte. Aeußerst schatzbare
Materialie» zur näheren Kenntnißnahme dieser Theilnahme bieten die
über Len Dombau jener Zeit gepflogenen, in Ler erzbischöflichen Rcgistra-
tur beruhenden amtlichcn Verhandlungen. Wir verdanken es dem leben-
digen Jntereffe, womit der hvchvcrdiente Ehren-Präsident des Dombau-
Vereink, SeineEminenz der Herr Erzbischof, Cardinal von-Geissel,
jede Bestrebung für dcn Dombau bcglcitet, daß wir uns in dcr folgcn-
dcn Mittheilung auf diese Berhandlungen großen Lhcils stiitze» könncn.
Die Ankunft des Grafen Spiegcl in Köln (24. April 1825) sollte in
eine Zeit fallen, die dem Fvrtgange der kaum begonnenen Herstellungs-
Arbeiten am kölner Dome mit uncrwarteter grvßer Gcfahr drvhte. Man
hatte Lie gesammten Kostcn dicser Arbeiten anfänglich zur Summe vpn
wenig mchr als 1W,Wl> Lhlrn. veranschlagt, und die Cabinets-Drdrc vom
21. Januar 1824, in deren Folge die Hcrstcllung dcs kölner Domcs ih-
ren Anfang nahm, war mitZugrundslegung dicses Kosten-Auschlagcs er-
lasscn worden. Jndcß fchon am Schluffe Les Jahres 1824 haite der mit
Ler Führung der Arbeiten beauftragte Königliche Bau-Jnspector Ah lert
die Ueberzeugung gewvnnen, daß, „um Lie Herstellung bloß auf sämmt-
liche, nahem Bcrfalle ausgesetzte Lheile anszudehnen," die vcranschlagte
Summe uuzurcichend sei, und daß „zur Erhaltung der wesentlichen Lheile
des GebäuLes und zur gleichzeitigen, wcnngleich nur vereinfacht aus-
zusührendenWiederherstellung der charakteristischen Berzierungen", Ler bc-
reits dcwilligten Anschlagssumme von 104,921 Khlrn. — wovon jcdoch
zu jener Ieit kaum mehr als 20,000 Lhlr., und zwar theilweise erst zur
Aufrichtung der Baugerüste, verwandt waren — noch eine sernere Summe
von mehreren Hunderttausend Lhalern hiiiziitretcn müffe. Dcr dcmgcmäß
an das Ministerium erstattete Baubericht, wie gut gemeint und in sich
begründet er auch sonst gewesen war, mußte der Förderung Lcs Dom-
baues neue Schwierigkeiten bereiten. Es handelte sich hier mit Einem
Male fast um das Drei- oder Wierfache der Merwendungs-Snmme, die
man vor Deginn der Arbciten zurHerstcllung des Ganzen für zureichcnd
crachtet hatte, und doch lagen erst die Erfahrungen eines ersten Iahrcs
vor. Zu welcher Kostenhöhe konnten hiernach Lie fortschreitenden Erfah-
rungen der nächstcn Zahre führen! Möglich, daß sich auch nvch andere
technische und sonstige Gegenwirkungen geltend machten, da eine Ein-
stimmigkeit „über den Beruf unferer Aeit zum Fortbaue dcs Domes in
Köln und über die Zwcckmäßigkeit eincs solchen Unternehmens," trotz der
Lutorität Schinkel's, Lamals überhaupt noch nicht vorhanden war. Wie
dcm aber auch gewesen. die betreffenden Minister fanden sich endlich in
dem Falle, die Anvrdnung zu ertheilen, „daß alle feriieren Arbciten am
Dome vor Ler Hand einzustellen" seien, und eine Cabinets-Ordre vom
15- März 1825 gab dieser Anordnung ihre, wenngleich Lahin bedingte
Zustimmung, daß die Ermittlung der zur Fortsetzung dcr Herstellungs-
Arbeiten jetzt crforderlichen Fonds von den Ministern und Lem Erzbi-
schofe zu Köln noch gemeinschaftlicher Erwägung unterworfcn, und daß
Lber das Resultat dieser Erwäguiig dcmnächst berichtet werden solle. Als
Schlußtermin dcr einstwciligcn Einstellung dcr Arbeitcn bezeichncte die
höhcrcBaubehö'rdc hieraufden 1. October 1825. bis wvhin denn zur Bollen-
dung der angefangencn Arbeiten noch ein bestimmtcr Bruchtheil der bc-
willigten -ersten Aiischlagssumme übcrwicsen ward. Die Hoffnungcn für
den Dombau, die bereits so schö'n zu reifen angefangen hatten, schienen,
«en» nicht für immcr verlorcn,. doch aufs Nene ins Nngcwiffe hinaus-
gewiesen!
Graf Spicgel überschaute die Gefahr in ihrem ganzen Umfange. War
die bis zum 1. October 1825 einmal angeordnete Einstellung der Arbei-
ten erst in Vollzug gesetzt, die Baurüstung abgetragen und die Stockung
factisch eingetrcten, so mochtc jede kiinstige Anstrengung für die Wieder-
aufnahme der Arbeiten leicht zu spät kommen. Es Halt also, die Zeit, die
noch gegeben war, zu nutzen, und Graf Spiegel säumte nicht. Fremd,
wie er jil AKjn war, wandte er sich zuerst an seinen Kanzler, unseren
Mitbürger Hcrr» Joseph von Groote, um von ihm in dcr „großen,
wichtigen Angclegenheit" mit sachlichen Aufklä'rungen und mit gutacht-
licher Lcußerung über mehrece specielle Anfragen „erfceut" zu werdcn,
und Lie Art und Weise, womit der Kanzler diesem Ersuchc» in einem
erschöpfenden Berichte zu entsprechen wußte, konnte dcm Erzbifchofe al-
lerdings die erfreuliche Ueoerzeugung geben, daß ihm Herzen nahe waren,
dir sein« Liebe für den Dom mitempfandeu und feine Sorgen theiltcn.
*)FerditiandAngustSpiegel, Graf zumDesenbergund
Sanstein, geboren anf Schloß Canstcin in Wcstfalen am 25. De-
cember 1703, consecrirt und inthropisirt als Erzbischof vcr Köin ,
am 11. Jun» 1S2S. >
Jm Besitze des nöthigen factischen Materials beginnt er denn sofort, und
ohne die officielle Eröffnung Seitens Ler Ministerie» ahzuwarten, bei
Personen und den nächsten Lvcal-Behörden auf die durch Unterbrechung
der Arbeiten dem Dombaue drohende Gefahr aufmerksam zu machen und
an ihre Abwehr alle Kraft zu setzen. Da wir diese Lhätigkeit hier nicht
in ihrem ganzen Umfange darlegen können, sv beschränken wir uns auf
die Mittheilung, die er am 15. Iuli 1825 an den Oberbürgermeister Ler
Stadt Köln, den jetzige» Geheimen Regierungsrath Hrn. Stein berger,
richtete. Jn dieser Mittheilung heißt es: „Die Arbeiten deS Königlichen
Bau-Jnspectors Hrn. Ahlert beschränken sich in Gefolge wicderholt er-
haltener Weisung von Hrn. Baurath Frank in Coblenz auf Vorberei-
tung zum Schlusse der unvollendeten Arbeit untzAbbruch Les großen Ge-
rüstes. Dieses Uebel ist nicht mehr abzuwenden, wenn nicht fürs Erste
außerordentliche Mittel gefunden werden, die Bau-Reparaturen, wenn
auch nur langsam, durch den Hrn. Bau-Jnspector Ahlert fortsetzen zu
lassen, und den Abbruch des großen Gerüstes, Lessen Wiederaufrichtung
und Erneuerung mehrcre Lausend Khaler kosten würde, abzuhalten. Nie-
mand kann bei dieser Angelegenheit sich wesentlicher und unmittelbgrer
betheiligt fi'nden, als die Einwohner der Stadt Kö'ln, deren hoher Sinn
und Denkart es eben so wcnig zugebe» wird, daß die Dvmkirche Ruine
werde, der Dom-Gottesdienst aufhöre uud die Domcapitels-Verlegung
abgenö'thigt werde, als andererseits auch Lie Baulast zu drückend fallen
würde, wenn sie auf die Bewohner Kölns allein lasten sollte. Jn Lieser
letzten Beziehnng ist ineine Ansicht, daß nicht nur das Erzbisthum Köln,
sondern auch die sämmtlichen Suffraganeaten Ler Metropolitan-Provinz
ihrer Mutterkirche zu Hülfe kommen müffen. Das Wie Ler Einleitung
muß noch überlegt, die hohen Provincial-.Behörden sür die Sache gewon-
nen wcrden, Lamit Anträge darüber an des Königs Majestät L«rch die
hohen Ministerien, vielleicht durch das gesammte Staats-Ministerium
Eingang fi'nden mögen. Ehe aber hicrüber Einschreitung ausführbar wird,
indem auch die Königliche CabinetS-Ordre vom 15. März 1825, von der
ich zur gcschwinderen 2lnsicht eins Abschrift beilege, mir noch nicht offi'-
ciel mitgetheilt ist, wird von Seiteu Ler Stadt Köln etwas geschehen
müssen; es dürfte Euer Hochwohlgeboren als unumgänglich nöthig er-
scheine», Bangelder ex seriirio civitiilis oder aus sonst Lisponibeln Fonds
auszumitteln und Lber laugsame Fortsetzung der Bau-Reparaturen mit
dem Hrn. Bau-Jnspector Ahlert Rücksprache zu nehmen, damit die
drohende Gefahr abgewendet und der Anschein, als fehle es bei dem Un-
ternchmen der Austechterhaltung der kölner Domkirche, an der wirklichen
Kheilnahme der Stadt, beschwichtigt werde *)."
Am 6. August 1825 setzte dcr Staats-Minister Freiherr vvn Alten-
stein von Bad Kissingen aus Leu Erzbischof von dem Erlasse der Cabi-
nets-Ordre vom 15- März 1825 u»d von Lem, was in Folge derselben
bis jetzt geschehen, in amtliche Kenntniß. „Seine Majestät haben Sich
auf die nähere Anzeige des Kö'iiiglichen Ministeriums des Handels aller-
dings nicht bewogen gefunden, die Bewilligung einer, den friiheren An>
schlag so bedeutend überschreitenden Summe, wie sie nach der Berech-
nuug des Bau-Inspectors Ahlert vom 28. Rovember 1824 sür die bau-
kiche Erhaltung des Dvmes erfordert wird, eintrsten zu lassen, und es
daher gut geheißen, daß die weiteren Bauarbeiten vor der Hand einge-
stellt werden. Zugleich aber haben Allerhöchstdieselben, La die Erhaltung
des GebäuLes, wenu sie erreicht werden kann, wünschenSwerth bleibt, zu
befehlen geruht, daß mit Seiner Erzbifchöftichs!! Gnaden naher erwogen
werden solle, in wie weit die erforderlichen Fonds durch Benutzung der
Kathedralstener und einer Collecte, oder auf andere Weise herbeizuschaf-
fen sein würden, vorausgesetzt, daß die nunmehrige Anschlags-Summc
auch wirklich ausreiche." Der weitere Werlauf Ler Mittheilung beweift,
wie der Minister durch Einholung eines Gutachtens des Geheimen Ober-
Bauraths Schinkel vom 28. Juni 1825 seinerseits bereits bemüht gewe-
sen, „die Sache zu eincm erwünschten, den Allergnädigsten Absichten ent-
sprechenden Ziele zu führe»/' so wie denn aus dem ganzen Erlaffe dis
persönliche Lheilnahme und Neigung dcs Ministers für den Dombau und
der lebhaste Wunsch, die angeordnete Einstellung der Arbeiten wieder
rückgäugig zu machen und sich in seinem desfallsigen cigenen Bemühen
Lurch Lcn Beistand des Erzbischofs krä'ftig uiiterstüHt zu sehen, klar her-
vorleuchtet. „Es scheint mir in der Natur der Sache zu liegen," sagt der
Minister v. Altenstein, „daß die Erhaltung des Dombaues für Euer
Erzbischöflicheii Gnaden ein ganz besonderes Jnteresse hat. Dessen jetzt
besorgter Zusammensturz, so wie eventualiter deffen Erhaltung sind Lhat-
sachen, welche in der Kunstgeschichte treu werden aufbewahrt werden; an
sie wird sich stets die Ecinneruug an Jhren Namen, den ersteu Jnhaber
des erzbischöftichen Stuhles «ach dessen neuer Begründung, kuüpfen.
Jn dicser Hinsicht würde ich es für angemessen erachten, wenn Seine
Majsstät dcr Küiiig, unter Concurrciiz des Kvniglichen Ober-Präsidii,
Euer Erzbischöflicheii Gnaden die fernere spcci-lle Leitung Ler Bau-An-
gelegenheit übertragen." „Suer Erzbischöstichen Gnaden", so schließt
der Minister, „ersuchs ich nunmehr ergebenst, diese Angelegenheit in nähere
Erwägung zu ziehen und mir recht bald Zhre gefällige Erklärung zu-
gehen zu lassen, damit ich hierüber Seiner Majestät dem Kö'nige den nö-
thigen Vortrag halten und-Kie Bewilligung dcr sonach für unerläßlich
zu erachtenden Zuschüsse aus dec Staatscaffe nachsuchen, das Ganze aber
doch so beschleunigen kann, daß vor dem Eintritte des Herbstes die Aller-
höchste Entschließung eingegangeii sei."
Die Antwort des Erzbischvfs an den Minister Freiherrn von Alten-
stein datirt vom 22. August 1825. Der Erzbischof kann die einleitenLe
Versichsrung, daß die hohe, neue Hoffnung gewährende Eröffnung Seiner
Ercellenz vom 6. August 1825 die Gemüther hicr angenehm angespro-
chen habe und nicht ohns gute Ernwirkung auf die Mittel zum Zwecke
bleibe, mit Ler Anzeigc verbinden, daß er ftüher schon, und zwar in der
Ueberzeugung, Seine Ercsllenz würden der angeordneten Einstellung der
Dombau-Arbeiten noch zuvorkommen, eins Geld-Auschaffung zur Abwen-
*) Ein auf den Vortrag des Herrn Oberbürgermeisters crgangener Be-
schluß des Stadtrathö vom 5. Augvst 1825, wodurch znr Fortsetzung
der Bau-Reparaturen am Dome eine bestimmte Zuschußsummc aus
städüichcn Mittel» bcwilligt ward, unterlag bei seiner Ausfübrung
der Ungunst damalö obwaltender Verhaltnisse,