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Körte, Gustav; Körte, Alfred; Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Gordion: Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1900 — Berlin, Band 5.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.29677#0246
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220 Excurs I. Die phrygischen Felsdenkmäler.

Kachelmuster, die Lotospalmettenstreifen, die griechischen Greifen, so verbindet sie
mit diesen vor allem der Krieger auf dem Jagdrelief. Ich gebe zu, daß die Stilisierung
des Löwen am zerbrochenen Löwengrabe von Hairan-veli5 ursprünglich aus dem
Orient stammt und daß man bei ihm zweifeln könnte, ob er direkt auf orientalische
Vorbilder zuriickgeht oder von orientalisierender hellenischer Kunst abhängt, aber
eben deshalb gibt nicht der Löwe, sondern der reinhellenische Krieger das ent-
scheidende Kriterium für die stilistische und zeitliche Bestimmung des Denkmals.
Die vollständige Übereinstimmung der nachweislich nichtphrygischen6, sondern
griechischen Bewaffnung auf dem Grabmal und dem Tonrelief zieht unweigerlich
das Grab in die Zeit des Tempels, also in das VI. Jahrhundert7.

Sind aber die geometrischen Fassaden in derselben Epoche entstanden wie
die Kammergräber, so können zwei so grundverschiedene Anlagen unmöglich demselben
Zwecke gedient haben, und ich brauche kaum noch einmal die triviale Wahrheit zu
betonen, daß bei einem Grabe ein Platz für die Leiche das Wichtigste ist und daß
ein solcher Platz bei der Mehrzahl dieser Fassaden durchaus fehlt8. Der sakrale
Charakter der Detikmäler wird nun auch durch die Verwandtschaft mit der gordischen
Tempelfassade in sehr erwünschter Weise bestätigt. Als man gelernt hatte, den
Göttern Häuser zu bauen mit stattlichem Giebeldach und farbigem Kachelschmuck,
da ahmte man deren Fassade am Felsen nach zu Ehren der alten Muttergottheit und
ihrer Sippe, die man sich am liebsten doch noch immer im Berginnern thronend
dachte. Diese tempelähnlichen Fassaden mit ihren Nischen sind etwas durchaus
Sekundäres gegenüber den natürlichen Höhlen, in denen die Göttermutter ursprünglich
verehrt wurde. Seit Andersons schöner Entdeckung9 des von Pausanias X, 32, 3 an
die Spitze der merkwürdigen Höhlen gestellten Heiligtums der Myjttjp i'xiuvrp/] bei
Aizanoi kennen wir wenigstens eine dieser primitiven Kultstätten, leider noch nicht
so genau wie wünschenswert wäre. Am innersten Ende der natürlichen Höhle fand
Anderson einen behauenen Stein mit zwei Einarbeitungen für die Kultbilder10: da
saß die große Mutter ganz ähnlich wie in der künstlichen Nische des Arslan-kaja
bei Düver11, bei dem die Erschließung ihres verborgenen Reichs durch die geöffneten
Torflügel zu sinnfälligem Ausdruck gebracht ist.

Auch für das konstruktive Verständnis der Felsfassaden sind die gordischen
Funde wertvoll. Die Nachahmung von Wänden mit Kachelverkleidung, die zuerst

5) Athen. Mitt. XXIII, Taf. 3.

6) Herodot VII, 73.

7) Reber setzt dies schönste und sorgfältigste phry-
gische Grab seltsamerweise gerade in die Zeit der
Kimmerierwirren »bald nach 700«, a. a. O. S. 111.

8) Daß man einen Toten in die Schächte am Mal-

tasch, Deliklitasch und dem Denkmal von Bak-

schisch hineinstopfen kann, muß ich zugeben,
aber nachweislich bestatteten die Phryger ihre

Toten sonst liegend, und es wäre auch in höch-
gtem Maße unklug, den Fels gerade vor der

Ruhestätte des Toten durch Anlage einer Nische
so zu schwächen, daß jeder Grabräuber mit
wenigen Hammerschlägen die Wand durchbrechen
konnte. Ich halte deshalb an der Erklärung de
Schächte als Opfergruben fest.

9) Annual of the Brit. school ai Ath. IV, S. 56h

10) Welche Gottheit dem von Pausanias bezeugten
Kultbild der Göttermutter beigesellt war, ist un-
bestimmt.

") Athen. Mitt. XXIII, Taf. 2, S. 90ff., Reber, Abh.
der bayer. Akad., hist. Kl. XXI, Taf. III, S. 559 ff.
 
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