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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0045
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Schlossern, Büchsen- und Uhrmachern, Kantengießern, Spenglern, Maurern, Steinhauern
und Steinmetzen gehörten die Goldschmiede zur Schmiedezunft.167 Als „Goldschmied“
wurde damals nicht nur der Schmied bezeichnet, der den Rohstoff Gold verarbeitete, son-
dern auch Silber, Semilor (d.i. eine Kupfer-Messing-Zinn-Legierung als Goldimitation),
Tombak (d. i. eine Kupfer-Zink-Legierung, ebenfalls eine Goldimitation), Messing (d. i. ei-
ne Kupfer-Zink-Legierung mit einem geringeren Kupferanteil als beim Tombak) und Zinn,
wobei die Verarbeitung von Silber und Messing im 17. und 18. Jahrhundert überwog. Den
hierarchischen Aufbau des Mittels - also auch des Mittels der Goldschmiede - regelte die
neue Verfassung von 1552. Nach der Abschaffung der Zunftmeister oblag die Verwaltung
des Mittels seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einem Oberachtmeister und zwei
Achtmeistern, letztere bezeichnete man auch als „Mit-“ oder „Unterachtmeister“. Im Ge-
gensatz zu den Zunftmeistern, die von der Meisterschaft eigenverantwortlich gewählt wor-
den waren, durften die Goldschmiedemeister jetzt lediglich eine Person auswählen und sie
dem Rat als „Vorschlag“ unterbreiten; die letzte Verfügungsgewalt lag aber beim Rat, der
den Vorschlag ablehnen oder ihm zustimmen konnte. Unter Punkt 18 im Hauptrezeß von
1723 heißt es dazu: Die subjecta, so bey Abkömmling eines Acht- und Zunftmeisters^ dem
Magistrat um einen neuen Achtmeister daraus zu erwählen pflegen vorgeschlagen zu wer-
den, sollen nicht nur von den noch übrigen Achtmeistern (...), sondern von dem gantzen
Handwerck per Majora ernennt, auch so dann einer von den Denominirten von dem gan-
zen Magistrat ebenmäßig per Majora zum Achtmeister erwählt werdend69 Diese Anord-
nung wurde im Vereinigungsrezeß von 1753/58 erneuert.170 Am 21. Mai 1765 forderte zum
Beispiel der Magistrat den neuen Oberachtmeister und bisherigen Achtmeister171 Dominikus
Urbon auf, dem löbl. professions gebrauch nach die goldschmidte wegen der Unteracht-
meister-Aufstellung einige votanclo in Vorschlag zu bringen und bey einem hochlöbl. Magi-
strat ziemendt es (zu) produciren.m Zwei Tage später unterbreitete Urbon dem Rat das
Auswahlergebnis der Meisterschaft, wobey in allem nur 79 Meister anwesend gewesen und
auf Franz Holbein 28, auf Franz Kaiser 22 Stimmen entfallen seien. Der Rat wies die Aus-
wahl mit der Begründung zurück, weilen kaum das 5telm derer goldschmidten anwesendt
gewesen, alß solle in beysein des ZwayerHerren noviter eine Wahl vorgenommen, wobey
alle goldschmidt insgesambt erscheinen, und viritim ihre stimm ad protocollum geben sol-
len.1''4 Am gleichen Tag mußten sämtliche Goldschmiede im Zunfthaus der Schmiede er-
scheinen, und in Anwesenheit des Zweiers - einer aus dem Rat dem Handwerk zur Seite ge-
stellten Aufsichtsperson - wurde die Wahl wiederholt und jede Stimmabgabe zu Protokoll
genommen.175
Das Ziel, das ursprünglich hinter dieser Verfügung zur Besetzung des Vorstandes stand,
nämlich die Lenkung aller Organe und Entscheidungen vom Rathaus aus, erübrigte sich im
Verlauf des 18. Jahrhunderts, da das Mittel immer mehr repräsentativen beziehungsweise
exekutiven Charakter annahm und letztendlich zum verlängerten Arm des Magistrats wurde,

167 (Sta Gd) JEGER: Periphrasia 1707, S. 378 f.
168 Die Terminologie folgte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch dem alten Sprachgebrauch.
169 (Sta Gd) GBO G: Hauptrezeß vom 9. April 1723.
170 (Sta Gd) GBO H: Vereinigungsrezeß von 1753/58. Wörtliche Wiederholung von Punkt 18 des Hauptrezesses.
171 Ein neuer Oberachtmeister wurde immer aus den zwei Achtmeistern ausgewählt.
172 (Sta Gd) RP 1764 bis 653, 21. Mai 1765, S. 48 bis 49.
173 Vgl. dazu Kapitel B. 2.2.1. Zahl der Goldschmiede.
174 (Sta Gd) RP 1764 bis 653, 23. Mai 1765, S. 53bis 54.
175 (Sta Gd) RP 1764 bis 653, 23. Mai 1765, S. 56.

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