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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0101
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dem Tode ihres Ehemannes die Werkstatt weiterbetrieben.488 Die vier Visitationen von
1748, bei denen 121 Goldschmiede überprüft wurden, ergaben, daß 31 Goldschmiede ohne
Arbeit waren, und dies entsprach einem Anteil von über 25 Prozent!489 Aus dem Jahre 1752
sind zwei weitere Listen erhalten: erstens eine Liste mit den Gmünder Bürgern, welche als
Impetranten ad Protocollum notariatus sich declarieret haben und gegen die kaiserlichen
Rezesse klagten; zu den Klägern gehörten auch 175 Goldschmiede.490 Die zweite Liste be-
traf die Wahl der fünf bürgerlichen Syndici, ein vom Kaiser eingesetztes Überwachungsor-
gan über die Finanzverwaltung der Stadt.491 Über die Kandidaten wurde viritim, also nament-
lich, abgestimmt, und unter den Wählern befanden sich 170 Goldschmiede.492 Es muß je-
doch davon ausgegangen werden, daß diese Zahlen nicht die Gesamtheit der Meister umfas-
sen.
Im Jahre 1765 stand die Wahl eines neuen Achtmeisters an: Herr Oberachtmeister Urbon
producirt die angestern mit denen Goldschmidten vorgenommene Wahl eines Achtmeisters,
wobey in allem nur 79 gewesen (. . .). Der Rat erkannte das Ergebnis dieser Auswahl nicht
an, weilen kaum das 5tel (!) derer Goldschmidten anwesendt gewesen. Die Wahl solle wie-
derholt werden, wobey alle Goldschmidt insgesambt erscheinen, und viritim ihre Stimm ad
protocollum geben sollend93 Dieses Protokoll ist jedoch leider nicht mehr vorhanden. Wenn
nach Aussage des Ratsprotokolls 79 Goldschmiede kaum ein Fünftel aller waren, so müßte
es zu dieser Zeit annähernd 400 Goldschmiede gegeben haben. Vermutlich zählten zu dem
Fünftel aber nicht nur die Meister, sondern auch die Gesellen. Da seit 1762 im Höchstfall
ein Meister nur zwei Gesellen beschäftigen durfte (vgl. Kapitel B. 2.2.3. Lehrjungen und
Gesellen) und man davon ausgehen muß, daß in dieser Zeit, wo viele Goldschmiede arbeits-
los waren, nicht jeder Meister sich einen Gesellen leisten konnte, so läge die Zahl der Mei-
ster wiederum bei weit über 200.
Für die Zeit um 1800 erstellte der Chronist Dominikus Debler ein Verzeichnis der Gmünder
Bürger und ihrer Berufe. Er kam dabei auf 878 Bürger, was der Zahl der Haushaltungen ent-
sprach;494 davon waren 285 Gold- und Silberschmiede und vier Silberdrechsler.495 Der Pfar-
rer Joseph Alois Rink schrieb in seiner „Kurzgefaßten Geschichte, und Beschreibung der
Reichsstadt Schwäbisch Gmünd“ von 1802, daß die Zahl der Goldarbeiter und Goldschmie-
de gegenwärtig bey 300 seyn soll. 496

488 (Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 836), Visitation vom 19. Dezember 1747.
(Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 837), zweimal zwei Visitationen vom 8. und 10. November 1748.
(Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 839), Visitation vom 28. Mai 1749.
489 (Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 837). Zweimal zwei Visitationen am 8. und 10. November 1748.
490 (Sta Gd) GBO H: 1752 bis 94. Liste vom 21. Juli 1752.
491 LAURENTZSCH 1984, S. 295 bis 296.
492 (Sta Gd) GBO H: 1752 bis 94, Wahl vom 28. Juli 1752.
493 (Sta Gd) RP 1764 bis 653, 23. Mai 1765, S. 53 bis 54.
494 Nach Auskunft von Herrn Dr. Klaus Jürgen Herrmann, Leiter des Stadtarchivs Schwäbisch Gmünd, lag die
Einwohnerzahl seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts relativ kon-
stant zwischen 4000 und 4500. Der kleinste Teil der Einwohner besaß aber das aktive Bürgerrecht, der Rest
gehörte zu den Beisassen oder Beisitzern, oder es waren Bedienstete, Gesellen, Kinder und Frauen. Da Aktiv-
bürger fast ausschließlich Männer waren und Singlehaushalte unüblich, entsprach die Zahl der Aktivbürger
der Zahl der Haushalte.
Joseph Alois Rink schrieb 1802 (siehe Anmerkung 496), daß es gegenwärtig 5026 Einwohner innerhalb den
Stadtmauern gebe, davon seien 1020 Aktiv Bürger und gewerbetreibende Wittfrauen (S. 73).
495 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 1/2, S. 139 bis 155 und 164. Für das Jahr 1807 berichtete Debler, daß
die Goldschmiedemeister über ein neues Wirthaus abgestimmt hätten. Insgesamt seien 281 Stimmen abgege-
ben worden (D. DEBLER: Chronica. Bd. 6/2, S. 501, 27. November 1807).
496 RINK 1802, S. 74.

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