ches Manuskript mit dem Titel „Bemerkungen über die Industrie und den Nahrungszustand
der hiesigen Stadt und einige der vorzüglichsten Hindernisse, die diesen im Weg stehen,
nebst einigen weitern die Stadt und ihre Einwohner betreffenden Notizen“.683Während Klaus
Vogel in seiner Magisterarbeit von 1986684 die Abhandlung ohne Angabe von Gründen
Bernritter zuschrieb, ist wohl eher zu vermuten, daß das Schriftstück von dem Kanzleiadvo-
katen Sattler stammt, der am 3. Dezember 1802 Bernritter in Schwäbisch Gmünd ablöste,685 686
beziehungsweise von einem von Sattler aus Stuttgart angeforderten Substituten*^. Letztend-
lich wird der Schreiber wohl anonym bleiben. Wichtiger als der Name des Autors sind des-
sen Beschreibungen über den Zustand der Stadt und seine Ideen zur Verbesserung der wirt-
schaftlichen Situation. So heißt es bei ihm: Der vorzüglichste Nahrungszustand der Stadt ist
Handel a) mit Waaren von Gold, Silber, Similor, Tomback, Zinn, Messing und anderen
Metallen mit oder ohne Steine in dichter oder Filigran-Arbeit, welche durch die hiesigen
Gold- und Silberarbeiter verfertiget werden und b) mit Baumwolle. (. . .) Da der Handel
dieser hiesigen Waaren durch die bisherig kriegerischen Zeiten, den allgemein herrschen-
den Geldmangel und durch den denselben ntmmeh.ro verwehrten Eingang in allen österrei-
chischen Staaten seit einigen Jahren sehr gesuncken ist, so hat dieß auf den ehemaligen
Wohlstand der hiesigen Stadt und auf die Nahrungsquellen der Arbeiter und Handelsleuthe
den nachtheiligsten Einfluß, so daß viele der erstem wenige oder gar keine Geschäfte mehr
zu machen finden. Als Möglichkeit, die bestehende Arbeitslosigkeit unter den Goldschmie-
den einzudämmen, schlug der Schreiber die Errichtung einer besonderen Bijouterie-Fabrik
in hiesiger Stadt vor, wozu sich das Lokcde von einem oder dem anderen der vorhandenen
Gebäude von den hier aufgehobenen Klöstern leicht anbieten würde. Durch eine solche
Maßnahme möchte zwar die Klasse der unbeschäftigten und armen Gold- und Silberarbei-
tern die sich nach Arbeit und Dienst sehnen, villeicht auf einmal am besten aufzuhelfen
seyn, allein, es wäre hiebey zu überlegen, ob nicht durch Ausführung dieses Projekts die
Klasse der vielen hiesigen Kauf- und Handelsleuthe, die sich bisher von dem Verkauf die-
ser Arbeiten fast ausschließend ernährt haben, vollends gänzlich zu Grunde gerichtet wer-
den würde. Der Schreiber erkannte zwar die starke Lobby, die die Kauf- und Handelsleute
in Gmünd innehatten, doch er meinte, daß der eine Berufszweig nicht auf Kosten des ande-
ren zu erhalten sei, und daß in erster Linie die ökonomische Situation der Goldschmiede
verbessert werden müsse. Dies sei, so der Schreiber weiter, zum einen durch die einge-
schränkte Zulassung von Auszubildenden, durch ein Hinauszögern der Gesellenzeit und
durch das Heraufsetzen des heiratsfähigen Alters687 zu erreichen, zum anderen durch einen
niveauvolleren Unterricht an der „Zeichnungsschule“, zu dessen Besuch jeder Lehrjunge
verpflichtet sein müsse (vgl. Kapitel B. 2.2.3. Gesellen und Lehrjungen und Exkurs: Die
„Zeichnungsschule“, Kapitel B. 2.2.4. Jungmeister). Um die Goldschmiede autark von Or-
ten zu machen, die bezüglich der Bearbeitung von Silber und Gold den Weg in die Techni-
sierung eingeschlagen hatten, schlug der Schreiber vor, solle auf Kosten des Staates (weil
sich bisher keiner der hiesigen Partikuliers zu diesem Aufwand verstehen wollen) eine
683 (StA LB) Bü 2 D 24 (= Bü 93 D 93).
684 Klaus VOGEL: Industrialisierung in Schwäbisch Gmünd. Unveröffentlichte masch. Magisterarbeit, Tübingen
1986.
685 LAURENTZSCH 1984, S. 306.
686 (StA LB) Bü D 1, 997: Schreiben Sattlers an den Herzog von Württemberg vom 23. Dezember 1802.
687 Die Heiratserlaubnis und die Befähigung, als Meister selbständig zu arbeiten, waren immer miteinander ge-
koppelt. Doch diese Forderungen waren in Gmünd nicht neu!
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der hiesigen Stadt und einige der vorzüglichsten Hindernisse, die diesen im Weg stehen,
nebst einigen weitern die Stadt und ihre Einwohner betreffenden Notizen“.683Während Klaus
Vogel in seiner Magisterarbeit von 1986684 die Abhandlung ohne Angabe von Gründen
Bernritter zuschrieb, ist wohl eher zu vermuten, daß das Schriftstück von dem Kanzleiadvo-
katen Sattler stammt, der am 3. Dezember 1802 Bernritter in Schwäbisch Gmünd ablöste,685 686
beziehungsweise von einem von Sattler aus Stuttgart angeforderten Substituten*^. Letztend-
lich wird der Schreiber wohl anonym bleiben. Wichtiger als der Name des Autors sind des-
sen Beschreibungen über den Zustand der Stadt und seine Ideen zur Verbesserung der wirt-
schaftlichen Situation. So heißt es bei ihm: Der vorzüglichste Nahrungszustand der Stadt ist
Handel a) mit Waaren von Gold, Silber, Similor, Tomback, Zinn, Messing und anderen
Metallen mit oder ohne Steine in dichter oder Filigran-Arbeit, welche durch die hiesigen
Gold- und Silberarbeiter verfertiget werden und b) mit Baumwolle. (. . .) Da der Handel
dieser hiesigen Waaren durch die bisherig kriegerischen Zeiten, den allgemein herrschen-
den Geldmangel und durch den denselben ntmmeh.ro verwehrten Eingang in allen österrei-
chischen Staaten seit einigen Jahren sehr gesuncken ist, so hat dieß auf den ehemaligen
Wohlstand der hiesigen Stadt und auf die Nahrungsquellen der Arbeiter und Handelsleuthe
den nachtheiligsten Einfluß, so daß viele der erstem wenige oder gar keine Geschäfte mehr
zu machen finden. Als Möglichkeit, die bestehende Arbeitslosigkeit unter den Goldschmie-
den einzudämmen, schlug der Schreiber die Errichtung einer besonderen Bijouterie-Fabrik
in hiesiger Stadt vor, wozu sich das Lokcde von einem oder dem anderen der vorhandenen
Gebäude von den hier aufgehobenen Klöstern leicht anbieten würde. Durch eine solche
Maßnahme möchte zwar die Klasse der unbeschäftigten und armen Gold- und Silberarbei-
tern die sich nach Arbeit und Dienst sehnen, villeicht auf einmal am besten aufzuhelfen
seyn, allein, es wäre hiebey zu überlegen, ob nicht durch Ausführung dieses Projekts die
Klasse der vielen hiesigen Kauf- und Handelsleuthe, die sich bisher von dem Verkauf die-
ser Arbeiten fast ausschließend ernährt haben, vollends gänzlich zu Grunde gerichtet wer-
den würde. Der Schreiber erkannte zwar die starke Lobby, die die Kauf- und Handelsleute
in Gmünd innehatten, doch er meinte, daß der eine Berufszweig nicht auf Kosten des ande-
ren zu erhalten sei, und daß in erster Linie die ökonomische Situation der Goldschmiede
verbessert werden müsse. Dies sei, so der Schreiber weiter, zum einen durch die einge-
schränkte Zulassung von Auszubildenden, durch ein Hinauszögern der Gesellenzeit und
durch das Heraufsetzen des heiratsfähigen Alters687 zu erreichen, zum anderen durch einen
niveauvolleren Unterricht an der „Zeichnungsschule“, zu dessen Besuch jeder Lehrjunge
verpflichtet sein müsse (vgl. Kapitel B. 2.2.3. Gesellen und Lehrjungen und Exkurs: Die
„Zeichnungsschule“, Kapitel B. 2.2.4. Jungmeister). Um die Goldschmiede autark von Or-
ten zu machen, die bezüglich der Bearbeitung von Silber und Gold den Weg in die Techni-
sierung eingeschlagen hatten, schlug der Schreiber vor, solle auf Kosten des Staates (weil
sich bisher keiner der hiesigen Partikuliers zu diesem Aufwand verstehen wollen) eine
683 (StA LB) Bü 2 D 24 (= Bü 93 D 93).
684 Klaus VOGEL: Industrialisierung in Schwäbisch Gmünd. Unveröffentlichte masch. Magisterarbeit, Tübingen
1986.
685 LAURENTZSCH 1984, S. 306.
686 (StA LB) Bü D 1, 997: Schreiben Sattlers an den Herzog von Württemberg vom 23. Dezember 1802.
687 Die Heiratserlaubnis und die Befähigung, als Meister selbständig zu arbeiten, waren immer miteinander ge-
koppelt. Doch diese Forderungen waren in Gmünd nicht neu!
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