Filigranschmuck in seiner ursprünglichen Form kein Schmuck der breiten Schichten war,
sondern vielmehr Bestandteil von kirchlichem Gerät und Schmuck der reichen Bürger. So-
mit muß man - zumindest was die Gmünder Verhältnisse anbelangt - die Aussage von Gis-
lind Ritz, daß bereits im 16. Jahrhundert das Filigran, neben den kostbaren oberschichtli-
chen Filigranobjekten, an Knöpfen und Rosenkranzperlen den Weg in volkstümliche Wa-
renschichten gefunden habe,768 in Frage stellen, vor allem in Hinblick auf die fehlende Spe-
zifikation dieser „volkstümlichen Warenschichten“.
Die Geschichte des Filigranschmuck per se muß immer im Zusammenhang mit der allge-
meinen Schmuckentwicklung betrachtet werden, denn es gab im eigentlichen Sinne keinen
speziellen Filigranschmucktypus, sondern bestimmte Schmucktypen aus Edelmetallen
konnten auch immer in der Technik des Filigrans hergestellt werden. Filigran war somit ein
Motiv, eine Zierform des Schmucks, jedoch keine Schmuckart.
Die ersten Beispiele für Filigran findet man bereits seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. in
Mesopotamien,769 wobei es sich bei diesen frühesten Arbeiten fast ausschließlich um Fili-
granarbeiten aus Gold handelte. Im Altertum kam Silberfiligran nur vereinzelt vor, und zur
ersten nennenswerten Verbreitung kam es in Schweden vom dritten bis vierten nachchristli-
chen Jahrhundert an.770 Erst seit dem späten 15. Jahrhundert wurde Silberfiligran zuneh-
mend auch in Mittel- und Westeuropa gefertigt, vor allem in Form von Perlen für Gebets-
schnüre.771 Danach fand das Filigran als schmückendes Ornament Eingang in die Gefäßbild-
nerei, in die Devotionalien, in den Körper- und Gewandschmuck. Voll zur Blüte kam das
Silberfiligran erst Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, bis schließlich die baroken
Formen erstarrten, nach Auflösung der Kleiderordnungen als Schmuck für die (angeblich)
kleinen Leute bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als Massenware hergestellt und letztend-
lich vom Schaumgoldschmuck in der Biedermeierzeit schrittweise abgelöst wurde. Erst En-
de des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kam Silberfiligranschmuck in Form des soge-
nannten „nordischen“ oder „norwegischen Filigrans“ zu neuen Ehren (vgl. Kapitel C. 2.4.6.
Ausblick auf die Gmünder Filigran im Industriezeitalter).772
768 RITZ 1978, S. 19.
769 WOLTERS 1985/86, Sp. 1078.
770 WOLTERS 1985/86, Sp. 1097.
771 WOLTERS 1985/86, Sp. 1098.
RITZ 1962, S. 40.
772 H. GROSCH: Norwegische Volks-Industrie. In: Kunstgewerbeblatt 1897, S. 18 bis 21. Einer der ersten Arti-
kel, der von norwegischem Schmuck, vor allem aus Filigran, und seiner Wiederbelebung durch zeitgenössi-
sche Goldschmiede berichtete. Danach folgte eine Welle von Veröffentlichungen und schließlich auch Nach-
ahmungen von nordischem Filigran durch deutsche Silberwarenfirmen.
Vgl. Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1903, S. 140. Firma H. Steenaerts, Aachen.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1906, S. 99 a. Norwegischer Filigranschmuck von der Firma Wilhelm Ru-
dolph Nachfahren, A. Kunz Schwäbisch Gmünd.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1907, S. S. 210 bis 211. „Die Filigranarbeit der Norweger“.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1908, S. 227. Nordischer Stil von David Andersen, Juwelier in Christiania.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1908, S. 263. Norwegischer Filigranschmuck der Firma J. Tostrup, Bergen.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1912, S. 134. Nordischer Schmuck der Firma Bödewadt in Tondern (Schles-
wig).
Mit dem Ersten Weltkrieg findet die Mode des nordischen/norwegischen Filigranschmucks ihr Ende.
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sondern vielmehr Bestandteil von kirchlichem Gerät und Schmuck der reichen Bürger. So-
mit muß man - zumindest was die Gmünder Verhältnisse anbelangt - die Aussage von Gis-
lind Ritz, daß bereits im 16. Jahrhundert das Filigran, neben den kostbaren oberschichtli-
chen Filigranobjekten, an Knöpfen und Rosenkranzperlen den Weg in volkstümliche Wa-
renschichten gefunden habe,768 in Frage stellen, vor allem in Hinblick auf die fehlende Spe-
zifikation dieser „volkstümlichen Warenschichten“.
Die Geschichte des Filigranschmuck per se muß immer im Zusammenhang mit der allge-
meinen Schmuckentwicklung betrachtet werden, denn es gab im eigentlichen Sinne keinen
speziellen Filigranschmucktypus, sondern bestimmte Schmucktypen aus Edelmetallen
konnten auch immer in der Technik des Filigrans hergestellt werden. Filigran war somit ein
Motiv, eine Zierform des Schmucks, jedoch keine Schmuckart.
Die ersten Beispiele für Filigran findet man bereits seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. in
Mesopotamien,769 wobei es sich bei diesen frühesten Arbeiten fast ausschließlich um Fili-
granarbeiten aus Gold handelte. Im Altertum kam Silberfiligran nur vereinzelt vor, und zur
ersten nennenswerten Verbreitung kam es in Schweden vom dritten bis vierten nachchristli-
chen Jahrhundert an.770 Erst seit dem späten 15. Jahrhundert wurde Silberfiligran zuneh-
mend auch in Mittel- und Westeuropa gefertigt, vor allem in Form von Perlen für Gebets-
schnüre.771 Danach fand das Filigran als schmückendes Ornament Eingang in die Gefäßbild-
nerei, in die Devotionalien, in den Körper- und Gewandschmuck. Voll zur Blüte kam das
Silberfiligran erst Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, bis schließlich die baroken
Formen erstarrten, nach Auflösung der Kleiderordnungen als Schmuck für die (angeblich)
kleinen Leute bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als Massenware hergestellt und letztend-
lich vom Schaumgoldschmuck in der Biedermeierzeit schrittweise abgelöst wurde. Erst En-
de des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kam Silberfiligranschmuck in Form des soge-
nannten „nordischen“ oder „norwegischen Filigrans“ zu neuen Ehren (vgl. Kapitel C. 2.4.6.
Ausblick auf die Gmünder Filigran im Industriezeitalter).772
768 RITZ 1978, S. 19.
769 WOLTERS 1985/86, Sp. 1078.
770 WOLTERS 1985/86, Sp. 1097.
771 WOLTERS 1985/86, Sp. 1098.
RITZ 1962, S. 40.
772 H. GROSCH: Norwegische Volks-Industrie. In: Kunstgewerbeblatt 1897, S. 18 bis 21. Einer der ersten Arti-
kel, der von norwegischem Schmuck, vor allem aus Filigran, und seiner Wiederbelebung durch zeitgenössi-
sche Goldschmiede berichtete. Danach folgte eine Welle von Veröffentlichungen und schließlich auch Nach-
ahmungen von nordischem Filigran durch deutsche Silberwarenfirmen.
Vgl. Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1903, S. 140. Firma H. Steenaerts, Aachen.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1906, S. 99 a. Norwegischer Filigranschmuck von der Firma Wilhelm Ru-
dolph Nachfahren, A. Kunz Schwäbisch Gmünd.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1907, S. S. 210 bis 211. „Die Filigranarbeit der Norweger“.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1908, S. 227. Nordischer Stil von David Andersen, Juwelier in Christiania.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1908, S. 263. Norwegischer Filigranschmuck der Firma J. Tostrup, Bergen.
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1912, S. 134. Nordischer Schmuck der Firma Bödewadt in Tondern (Schles-
wig).
Mit dem Ersten Weltkrieg findet die Mode des nordischen/norwegischen Filigranschmucks ihr Ende.
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