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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0239
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Goldschmiede mit Edelmetallwaren Handel treiben durften, sondern auch "gelernte" Kauf-
leute.
Für Schwäbisch Gmünd lassen sich nun verschiedene Stufen des Vertriebes in den Händen
der Goldschmiede nachweisen, die einerseits sich entwicklungsgeschichtlich bedingten, an-
dererseits aber auch parallel auftauchen konnten. An erster Stelle stand der Goldschmied,
der sowohl produzierte als auch seine eigenen Produkte verkaufte. Dies funktionierte in der
Praxis wohl so, daß der Meister ständig auf Reisen war und dabei das verkaufte, was seine
Gesellen, sein Lehrjunge und unter Umständen seine Töchter und Mägde in der Zwischen-
zeit fertigten. Das verlangte jedoch nach einer gut organisierten Werkstatt mit Personal, das
selbständig und zuverlässig arbeiten konnte, und nach einer Ehefrau, die über alles wachte
und eine gehörige Portion Autorität besaß, um zu Hause die Geschäfte abzuwickeln und
überhaupt alles am Laufen zu halten. Untersucht man die Archivalien nach dieser Art des
Vertriebes, so kommt man zu dem Ergebnis, daß sie wohl die absolute Ausnahme gewesen
sein mußte; so wie im Falle des Goldschmiedes Johann Michael Reiß, der seine eigenen
Produkte 1708 in Weingarten verkaufte1244. Häufiger kam es vor, daß ein in eigenen Sachen
reisender Goldschmied zusätzlich fremde Ware auf Kommissionsbasis mit sich führte: Er
übernahm Ware in Kommission, um diese auswärts zu verkaufen. Nach Rückkehr erhielt
der produzierende Goldschmied den Verkaufserlös und die nicht veräußerte Ware. Es ist
wohl zu vermuten, daß ein reisender Goldschmied bald schon mehr fremde Kommissions-
ware als eigene bei sich hatte und verkaufte und von den daheimgebliebenen Goldschmie-
den eine Art Aufwandsentschädigung für den Vertrieb empfing.1245 Auch zog diese Art des
Handels viele Streitfälle nach sich, sei es, weil der reisende Goldschmied unrechtmäßig
Geld einbehielt oder unterschlug, sei es, weil er nicht den nötigen Ehrgeiz entwickelte, die
ihm anvertraute Ware zu veräußern, oder weil der Verkäufer ein zusätzliches Risiko trug,
wenn der arbeitende Goldschmied ihm geringlötige Ware überließ. 1246 Um solche Streitfäl-
le, die durch das Führen von Kommissionsware entstanden, zu vermeiden, war es für beide

1244 (Sta Gd) RP 1707 bis 11, 23. August 1708, S. 82.
1245 (Sta Gd) RP 1702 bis 07, 21. Juli 1702, S. 53. Der Goldschmied Anton Debler übernahm Silberwaren der
Goldschmiede Caspar Seybold und Caspar Debler im Wert von 1000 fl, um sie in Mariazell in Kommission
zu verkaufen.
1246 (Sta Gd) RP 1711 bis 142, 28. März 1713, S. 34 a bis 36. Der reisende Goldschmied Johann Anton Ziegler er-
hielt Ware von seinem Kollegen Jakob Mayer, (der außerdem Ratsherr war; aus diesem Grunde konnte May-
er wohl selbst nicht auf Reisen gehen) um diese auf der Messe in Frankfurt/Main zu verkaufen. Ziegler er-
hielt von Mayer drei Pfund Benediktuspfennige im Wert von 2 fl 24 x, drei Pfund Hubertuspfennige zu 2 fl
24 x, vier Pfund „gelbe Messingware“ zu 2 fl 54 x, zwei Pfund Messingware zu 2 fl 36 x, elf Dutzend An-
hänger zu 1 fl 17 x, silberne Kreuze im Wert von 11 fl und silberne Gürtel im Wert von 14 fl, doch Ziegler
enthielt Mayer den Verkaufserlös vor. Ähnliche Klage zwischen Ziegler und Mayer: (Sta Gd) RP 1702/1704
bis 07/1716 bis 23, 11. Februar 1721, S. 75 bis 76 a, 3. April 1721, S. 85 und 16. Oktober 1721, S. 94 a.
(Sta Gd) GP 1705 bis 11, 13. Dezember 1709, S. 53 bis 54. Der Goldschmied Jakob Schleicher verklagt die
beiden reisenden Kollegen Michael Mayer und Johann Georg Franz wegen des Verlust von Silberwaren im
Wert von 200 fl. Beklagte Excipiendo sagen, die wahren seyn Ihnen (. . .) von dem Hochfürstl: Württem-
berg: Commissario ohnweith Hall hinweg genommen worden. 2do Seye die Silber wahr allainig 8löthig zue
Stuettgarth erfunden worden.
(Sta Gd) RP 1707 bis 11, 11. März 1710, S. 164. Betrifft dieselbe Klage. Schleicher erläutert: Die war seye
commisso wahr gewesen undt auff widerbringen gegeben (. . .) wordten.
(Sta Gd) GRP 1715 bis 22, 21. Oktober 1719, S. 131 bis 131 a. Die Goldschmiede Johann Georg Bulling und
Philipp Hartmann fordern von der Witwe des verstorbenen Goldschmieds Johann Georg Franck die Bezah-
lung der in Kommission übernommenen Waren oder die Rückgabe derselben. Da die Waren sich in Wien be-
fänden, müßten sich die Gläubiger gedulden, bis sie hiehero remitirt worden.
(Sta Gd) GRP 1749, 5. März 1749, S. 37. Der Goldschmied Franz Franz verklagte die beiden reisenden Kol-

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