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sich, sondern für das Birgittenkloster Marienforst
bei Bonn, wo man sogar noch im 18.Jahrhundert
im Vorderspiegel des 2. Bandes einen Eintrag er-
neuerte, in dem des Stifters gedacht wurde.
Im europäischen Raum war das Christentum
im Mittelalter nicht die einzige Buchreligion. Auch
in der jüdischen Religion nahmen Bücher einen
zentralen Platz ein. Dabei stand die möglichst treue
Bewahrung der hebräischen Texte noch stärker im
Vordergrund als bei den Christen; allerdings wur-
den sie oft in einer bestechend schönen Kalligrafie
dargeboten. Eigentliche Buchmalereien, insbeson-
dere Bilder, hat es in den Torah-Rollen wohl nicht
gegeben und wurden auch im Talmud nicht gerne
gesehen. Gegeben hat es sie trotzdem, allerdings
vor allem in den liturgischen Büchern wie den Hag-
gadot und Machsorim. Dabei gehörten hebräische
Bücher meistens keinen Institutionen, sondern Pri-
vatpersonen. Selbst der Machsor, das Buch für den
Gemeindegottesdienst, machte davon keine Aus-
nahme. Im älteren Wormser Machsor von 1272 (Je-
rusalem, Jewish National and University Library,
Ms. Hebr. 4° 781/1, fol. 54r) notierte der Schreiber
auf Jiddisch Segenswünsche für denjenigen, der das
Buch von seinem Eigentümer abhole und zum Got-
tesdienst in die Synagoge trage. Außerdem gab es
keine Klöster, die für Weitertradierung sorgten.
Stattdessen wurden spezialisierte Schreiber und
Schreiberinnen mit dem Kopieren der Texte beauf-
tragt.
Die Darmstädter Handschrift Cod. Or. 8 ist
eine Haggadah und damit ein Buch für die rein fa-
miliäre Pessach-Feier. Geschrieben wurde sie von
dem in Heidelberg geborenen Israel ben Meir, der
allem Anschein nach aus einer angesehenen Familie
von Kalligrafen kam. Für die Ausmalung, deren
Höhepunkte die beiden Architekturseiten fol.37v
und 48v (Abb.6) bilden, wurde zweifellos ein
christlicher Maler beauftragt, der in einer oberrhei-
nischen, vielleicht Freiburger Tradition stand. Da-
mit kam wiederum das Problem auf, dass der Maler
etwas illustrieren musste, was er gar nicht oder
kaum verstand. Auf der gezeigten Seite behalf er
sich damit, dass er die Beschäftigung mit dem gött-
lichen Wort selbst, die Lektüre und die Diskussion
über das Gelesene zum Gegenstand des Bildes
O Beginn der Gesänge für den ersten Seder-Abend.
Pessach-Haggadah, geschrieben von Israel, Sohn
des Meir, Oberrhein, um 1430. Ms. Or. 8, fol. 48
(35,5 x 24,5 cm).

machte. Leicht kann man sich vorstellen, dass die
Familie, die dieses Buch besaß, sich mit den Frauen
und Männern in diesem Haus um die Schrift herum
identifizieren sollte.
3. Sammlungen und
Bibliotheken
Die meisten Handschriften des Mittelalters dürften
den Heiligen gehört haben (vgl. Abb.3). Sie befan-
den sich nämlich in Kirchen und Klöstern, denen
die Heiligen als Patrone vorstanden, und nur zum
kleineren Teil in den Händen von Laien. Die oft be-
sonders prachtvollen liturgischen Handschriften
kamen dabei gar nicht in die Bibliothek, sondern
befanden sich in der Sakristei, der Schatzkammer
oder in verschließbaren Schränken direkt im Kir-
chenraum. Die eigentliche Kloster- oder Stiftsbib-
liothek war in kleineren Institutionen in der Nähe
des Kreuzgangs untergebracht, wo man oft auch
die Bücher allein oder in kleinen Gruppen studiert
hat. Allerdings kennen schon karolingische Klos-
terbibliotheken separate große Räume, in denen die
Bände aufgestellt waren und vor Ort gelesen wer-
den konnten. Aus der Bibliothek ausgeliehene Bü-
cher haben die Mönche nach Aussage der Bene-
diktregel auch im Dormitorium gelesen; liturgische
Bände und Psalterien sind auch im Mönchschor in
der Kirche studiert worden.
Eine kontinuierliche Ergänzung einer solchen
Kirchenbibliothek durch ein hauseigenes Skriptori-
um hat es an vielen Orten gegeben, doch erfolgte
der Ausbau mit neuen Büchern gewöhnlich in Schü-
ben. So wurde etwa nach Einrichtung des Klosters
ein bestimmter Grundbestand an theologischen und
anderen Werken angeschafft oder kopiert, dem viel-
leicht Jahrzehnte später engagierte Äbte, Äbtissin-
nen oder Kanoniker neue Werke hinzufügen ließen.
Die berühmte und für das Mittelalter sehr große
Bibliothek des Reichsklosters Fulda ist vor allem in
karolingischer Zeit bestückt worden, unter den Äb-
ten Ratger, Eigil, Hatto und vor allem Hrabanus
Maurus (822-842), und dann wieder vom ottoni-
schen Skriptorium. Allerdings sind schon damals
fast keine zeitgenössischen Werke abgeschrieben
worden, sondern vor allem die Kirchenväter sowie
Isidor und Beda. Enttäuscht wurde von der For-
schung festgestellt, dass im Spätmittelalter gerade
einmal kirchenrechtliche Schriften neu beschafft
wurden. Die Fuldaer Bibliothek soll um die 2000
Bände besessen haben, auch wenn sich aus den Ver-

21 3. Sammlungen
und
Bibliotheken
 
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