sie insbesondere unter Kaiser Konstantin verwirk-
licht sah, also zu einer Zeit, die heute als Spätantike
gilt.
Die Rolle der Buchmalerei in der karolingi-
schen Renovatio bedarf einer kurzen Vorbemer-
kung: Selbstverständlich ist sie nicht die einzige
Bildkunst gewesen, die in größerem Umfang ge-
pflegt worden ist. Auch wenn die Bestände der an-
deren Gattungen durch die Zeiten hin erheblich
größere Verluste erlitten haben, so darf man doch
nicht vergessen, dass viele Kirchen ausgemalt oder
mit Mosaiken verziert waren wie heute noch die
Bauten in Müstair und Germigny-des-Pres, dass
darin große Kreuze, vielleicht sogar mit geschnitz-
tem Corpus, hingen oder standen. Zudem haben
Textilien eine große Rolle gespielt: Aus Rom be-
richten die Quellen von Hunderten Vorhängen und
Tüchern, die die Päpste an die Kirchen gestiftet
hatten und die zum Teil Ereignisse der Heilsge-
schichte zeigten. Sicher haben auch Gold- und Sil-
berschmiede Bilder als Treibarbeiten oder Gravu-
ren geschaffen, so etwa für die Klosterkirche Fulda
und vielleicht an einer von Karl selbst gestifteten
Altarverkleidung im damaligen Kölner Dom. Ge-
radezu in Erstaunen versetzen können die großen
Stuckplastiken, die aus dem spätkarolingischen
Westwerk der Corveyer Klosterkirche in Fragmen-
ten erhalten und aus Kloster Centula durch Schrift-
quellen belegt sind.
Dennoch kann man schon an der großen Zahl
erhaltener illuminierter Codices erkennen, welch
außergewöhnlich große Wertschätzung die Buch-
malerei in karolingischer Zeit genossen hat. Noch
mehr aber drückt der immense materielle, konzep-
tionelle und personelle Aufwand, mit dem in Hof-
skriptorien, in Klöstern und an Bischofssitzen da-
mals Prachthandschriften gestaltet worden sind,
diese herausragende Stellung aus. Damals wurde
nicht selten, so im älteren Teil des Ada-Evangeli-
ars (Trier, Stadtbibliothek, Cod. 22), der gesamte
Buchtext mit Goldtinte auf ornamental gerahmten
Seiten geschrieben (vgl. Abb.29).
Buchmalerei am Hof des Kaisers
Gefördert wurde diese Buchkunst durch die Köni-
ge und Kaiser selbst. Im Umfeld Karls des Großen
sind in zeitlicher Überschneidung mindestens zwei
eigenständige Gruppen von herausragenden
Prachthandschriften entstanden: die von der
Kunstgeschichte etwas missverständlich einer
„Hofschule" zugeschriebene Produktion und die
Gruppe um das Wiener Krönungsevangeliar. Miss-
verständlich ist der Begriff „Hofschule" haupt-
sächlich aus drei Gründen: weil er mit mehr Recht
die am Hof Karls existierende Knabenschule be-
zeichnen würde, weil eine „Malerschule" eine viel
gleichförmigere stilistische Ausrichtung impliziert
und weil er drittens der offensichtlichen personel-
len Durchlässigkeit der Hofwerkstätten nicht ge-
recht wird. Der Begriff ist allerdings zu gut einge-
führt, als dass man ihn hier ersetzen könnte, aber
er sollte nur als Notnamen für diese unbekannte
Institution angesehen werden, die sich bemühte,
eine prachtvolle und dabei unverkennbare, also im
doppelten Sinn „repräsentative" Kunst für den Herr-
scher zu erschaffen.
Ziemlich sicher haben auch Karls Sohn Ludwig
der Fromme und sein Enkel Lothar Handschriften
illuminieren lassen, jedenfalls hat auch Ludwigs
Sohn Karl der Kahle als westfränkischer König eine
Hofschule für sich arbeiten lassen. Am oder für den
Hof geschaffene Buchmalereien waren selbstver-
ständlich besonders vorbildlich. Sie waren außer-
dem eng verbunden mit den von Karl dem Großen,
seinem Vater und seinen Nachfolgern massiv unter-
stützten Reform- und Bildungsbemühungen. Buch
und Schrift spielten dabei eine herausragende Rolle.
Wir wissen etwa, dass zur Zeit Karls des Großen
vom Hof verbesserte oder neue Texte, so die „Dio-
nysio-Hadriana" genannte Kirchenrechtssamm-
lung, die Benediktregel, das Homiliar des Hofge-
lehrten Paulus Diaconus und das Gregorianische
Sakramentar, propagiert worden sind und sogar am
Hof als Vorlage bereitstanden. Auch wenn die gera-
de genannten Werke nur beiläufigen Schmuck ent-
halten haben dürften, demonstrierten sie doch den
Eliten des Reiches die Mühen, die im Umfeld des
Frankenkönigs und späteren Kaisers für die Pflege
von Texten und Büchern aufgewandt wurden.
Evangeliare waren es aber, die neben den für das
Gotteslob wichtigen Psalterien von den Malern
dieser ersten Hofschule am häufigsten illuminiert
wurden. Darin drückt sich eine Wertschätzung für
das Wort Gottes aus, die den karolingischen Hof
und seine Kunst von Anfang an prägte und zweifel-
los zu den Gründen gehörte, dem Buchschmuck
einen so hohen Rang zukommen zu lassen.
Am Anfang der Hofschule Karls des Großen
steht bereits, soweit bekannt, ein Evangelienbuch,
ein Evangelistar zwar für die liturgische Benutzung,
aber doch ganz programmatisch eine Verkörperung
des göttlichen Wortes. Godescalc, der Schreiber
und vermutlich auch Maler, hat in dieser Hand-
schrift (Paris, BnF, nouv. acq. lat. 1203) ein Gedicht
mBuchkunst
56
• im Spiegel
der Zeiten
licht sah, also zu einer Zeit, die heute als Spätantike
gilt.
Die Rolle der Buchmalerei in der karolingi-
schen Renovatio bedarf einer kurzen Vorbemer-
kung: Selbstverständlich ist sie nicht die einzige
Bildkunst gewesen, die in größerem Umfang ge-
pflegt worden ist. Auch wenn die Bestände der an-
deren Gattungen durch die Zeiten hin erheblich
größere Verluste erlitten haben, so darf man doch
nicht vergessen, dass viele Kirchen ausgemalt oder
mit Mosaiken verziert waren wie heute noch die
Bauten in Müstair und Germigny-des-Pres, dass
darin große Kreuze, vielleicht sogar mit geschnitz-
tem Corpus, hingen oder standen. Zudem haben
Textilien eine große Rolle gespielt: Aus Rom be-
richten die Quellen von Hunderten Vorhängen und
Tüchern, die die Päpste an die Kirchen gestiftet
hatten und die zum Teil Ereignisse der Heilsge-
schichte zeigten. Sicher haben auch Gold- und Sil-
berschmiede Bilder als Treibarbeiten oder Gravu-
ren geschaffen, so etwa für die Klosterkirche Fulda
und vielleicht an einer von Karl selbst gestifteten
Altarverkleidung im damaligen Kölner Dom. Ge-
radezu in Erstaunen versetzen können die großen
Stuckplastiken, die aus dem spätkarolingischen
Westwerk der Corveyer Klosterkirche in Fragmen-
ten erhalten und aus Kloster Centula durch Schrift-
quellen belegt sind.
Dennoch kann man schon an der großen Zahl
erhaltener illuminierter Codices erkennen, welch
außergewöhnlich große Wertschätzung die Buch-
malerei in karolingischer Zeit genossen hat. Noch
mehr aber drückt der immense materielle, konzep-
tionelle und personelle Aufwand, mit dem in Hof-
skriptorien, in Klöstern und an Bischofssitzen da-
mals Prachthandschriften gestaltet worden sind,
diese herausragende Stellung aus. Damals wurde
nicht selten, so im älteren Teil des Ada-Evangeli-
ars (Trier, Stadtbibliothek, Cod. 22), der gesamte
Buchtext mit Goldtinte auf ornamental gerahmten
Seiten geschrieben (vgl. Abb.29).
Buchmalerei am Hof des Kaisers
Gefördert wurde diese Buchkunst durch die Köni-
ge und Kaiser selbst. Im Umfeld Karls des Großen
sind in zeitlicher Überschneidung mindestens zwei
eigenständige Gruppen von herausragenden
Prachthandschriften entstanden: die von der
Kunstgeschichte etwas missverständlich einer
„Hofschule" zugeschriebene Produktion und die
Gruppe um das Wiener Krönungsevangeliar. Miss-
verständlich ist der Begriff „Hofschule" haupt-
sächlich aus drei Gründen: weil er mit mehr Recht
die am Hof Karls existierende Knabenschule be-
zeichnen würde, weil eine „Malerschule" eine viel
gleichförmigere stilistische Ausrichtung impliziert
und weil er drittens der offensichtlichen personel-
len Durchlässigkeit der Hofwerkstätten nicht ge-
recht wird. Der Begriff ist allerdings zu gut einge-
führt, als dass man ihn hier ersetzen könnte, aber
er sollte nur als Notnamen für diese unbekannte
Institution angesehen werden, die sich bemühte,
eine prachtvolle und dabei unverkennbare, also im
doppelten Sinn „repräsentative" Kunst für den Herr-
scher zu erschaffen.
Ziemlich sicher haben auch Karls Sohn Ludwig
der Fromme und sein Enkel Lothar Handschriften
illuminieren lassen, jedenfalls hat auch Ludwigs
Sohn Karl der Kahle als westfränkischer König eine
Hofschule für sich arbeiten lassen. Am oder für den
Hof geschaffene Buchmalereien waren selbstver-
ständlich besonders vorbildlich. Sie waren außer-
dem eng verbunden mit den von Karl dem Großen,
seinem Vater und seinen Nachfolgern massiv unter-
stützten Reform- und Bildungsbemühungen. Buch
und Schrift spielten dabei eine herausragende Rolle.
Wir wissen etwa, dass zur Zeit Karls des Großen
vom Hof verbesserte oder neue Texte, so die „Dio-
nysio-Hadriana" genannte Kirchenrechtssamm-
lung, die Benediktregel, das Homiliar des Hofge-
lehrten Paulus Diaconus und das Gregorianische
Sakramentar, propagiert worden sind und sogar am
Hof als Vorlage bereitstanden. Auch wenn die gera-
de genannten Werke nur beiläufigen Schmuck ent-
halten haben dürften, demonstrierten sie doch den
Eliten des Reiches die Mühen, die im Umfeld des
Frankenkönigs und späteren Kaisers für die Pflege
von Texten und Büchern aufgewandt wurden.
Evangeliare waren es aber, die neben den für das
Gotteslob wichtigen Psalterien von den Malern
dieser ersten Hofschule am häufigsten illuminiert
wurden. Darin drückt sich eine Wertschätzung für
das Wort Gottes aus, die den karolingischen Hof
und seine Kunst von Anfang an prägte und zweifel-
los zu den Gründen gehörte, dem Buchschmuck
einen so hohen Rang zukommen zu lassen.
Am Anfang der Hofschule Karls des Großen
steht bereits, soweit bekannt, ein Evangelienbuch,
ein Evangelistar zwar für die liturgische Benutzung,
aber doch ganz programmatisch eine Verkörperung
des göttlichen Wortes. Godescalc, der Schreiber
und vermutlich auch Maler, hat in dieser Hand-
schrift (Paris, BnF, nouv. acq. lat. 1203) ein Gedicht
mBuchkunst
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• im Spiegel
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