nen kulturellen und wissenschaftlichen Aufschwung
mündete. Nachhaltige Folgen hatte die nach Papst
Gregor VII. benannte gregorianische (Kirchen-)Re-
form, die alles bekämpfte, was den Reformern als
unzulässige weltliche Verstrickungen von Klerus
und Mönchtum erschien. Die Reformbemühungen
von Papst, römischer Kurie und anfangs noch vom
deutschen Kaiser führten zum Investiturstreit, der
im Wesentlichen mit den Regierungszeiten von
HeinrichlV. (1054-1106) und Heinrich V. (1106-
1125) zusammenfällt und an der Auseinanderset-
zung zwischen Königtum und Papsttum über das
Recht der Einsetzung von Bischöfen und Reichsäb-
ten entbrannte. Er zog schließlich eine insgesamt
geistlich-politische Machtverschiebung nach sich,
da mit dem Verbot der Investitur durch den König
auch das traditionelle Reichskirchensystem, die
Einheit von Königtum und Reichskirche und die sa-
kral überhöhte Stellung des Königs in Frage gestellt
wurde. Am Ende des Konflikts stand eine Befreiung
des geistlichen Amtes von den weltlichen Hoheits-
rechten, wobei Priestertum und Papst einen höhe-
ren Rang für sich beanspruchten. In Deutschland
erhielten die Reichsbischöfe die Stellung geistlicher
Fürsten, die sich neben den weltlichen Fürsten nun
eigene Territorien aufbauten.
Mit als Folge des Investiturstreits gaben die
letzten Salier und die staufischen Könige allem An-
schein nach keine Prachthandschriften mehr in
Auftrag. Vereinzelt traten regionale Fürsten wie die
mächtigen Welfen oder die Grafen von Flandern an
ihre Stelle. Die Städte, deren Bevölkerung, wirt-
schaftliche Kraft und politisches Selbstbewusstsein
während der romanischen Periode stark anwuch-
sen, haben die Buchmalerei damals anscheinend
noch nicht gefördert. Allerdings kamen in der
zweiten Hälfte der romanischen Epoche die ersten
Rechtsschulen auf, die Vorläufer der Universitäten,
in deren Umfeld theologische und juridische Werke
bald in steigender Zahl benötigt wurden. Auch auf
der Seite der Buchherstellung weitete sich der Kreis
der beteiligten Personen aus, da zur Bewältigung
der Nachfrage im 12. Jahrhundert immer öfter
schreibende und malende Laien beschäftigt wur-
den, die ihre Dienste gegen Lohn anboten. Die häu-
figsten Besteller von illuminierten Handschriften
waren Bischöfe und Klöster. Dabei sind die Bücher
wie schon in ottonischer Zeit vor allem in klöster-
lichen Skriptorien hergestellt worden. Hier war die
notwendige Infrastruktur zur Beschaffung und Be-
reitstellung der Materialien sowie die handwerkli-
che Tradition vorhanden, und hier war auch der
Rückgriff auf ikonografische Vorbilder und darü-
ber hinaus der Zugriff auf Vorlagentexte in eigenen
und fremden Klosterbibliotheken am leichtesten
möglich. Auch wenn Außenstehende, wie oft etwa
Bischöfe und lokale Adelige, die Kosten übernah-
men, orientierten sich die Buchmaler überwiegend
an den Gewohnheiten der eigenen Kommunität.
Für die Buchmalerei der Zeit lassen sich selbst
auf engstem Raum unterschiedliche stilistische
Strömungen ausmachen, die aber immer auch cha-
rakteristische Gemeinsamkeiten besitzen. Überall
löste sich der Figurenstil schrittweise von der otto-
nisch-salischen Tradition und es bildeten sich durch
die Übernahme byzantinischer und daneben anti-
ker Formen eigene Formensprachen heraus. An
den Niederrhein mit Köln als Zentrum wurden by-
zantinische Muster zum Teil durch die eher grafisch
wirkenden Malereien Roms und Mittelitaliens und
über das heute hessische Helmarshausen vermittelt.
Wie ein zwischen 1130 und 1140 entstandenes
Evangeliar aus Sankt Vitus in Mönchengladbach
zeigt, griff man ältere Motive auf, veränderte sie
und überführte sie in einen neuen Stil (Abb.42). Als
typische Merkmale des neuen Stils erweisen sich
die festen, dunklen Bogenstriche, die die Körper-
formen umreißen, die einzelnen Parzellen trennen
und etwa das Gewand an Knie und Unterschenkel
mit geometrisierenden, häufig ovalen Formen oder
hier beim Mönchengladbacher Evangelisten mit V-
Formen rhythmisieren. Dabei erscheinen solche
Figuren monumental und gewinnen durch die Hell-
und Dunkel-Modellierung des über den Körper ge-
spannten Gewandes an Plastizität und Volumen.
Hinzu kommt der in romanischer Zeit beliebte
zweifarbige, Tiefe suggerierende Hintergrund, bei
dem oft ein hellerer grüner Rahmen eine blaue Flä-
che umgibt; man spricht hier von Kastengrund.
Diese Prinzipien sind auch noch an jenen Beispie-
len sichtbar, bei denen sich schon der Übergang zur
Zeit der Gotik mit neuen Tendenzen und Aus-
drucksformen ankündigt, wie die teilweise kantige
Gestaltung des Gewandsaums beim Propheten Esra
in einer um 1220 entstandenen Bibel aus Weding-
hausen bezeugt (Abb.43) (vgl. auch „Facetten der
Gotik" in Kap. 111,4). Jedoch kann man bei der by-
zantinisierenden Figurengestaltung der Romanik
meist nur von einer bedingten Körperlichkeit spre-
chen. Allzu oft werden die Gewänder von der Geo-
metrisierung dominiert, wie es in Ansätzen der
Gladbacher Evangelist zeigt, dessen Beine vor al-
lem durch eben diese V-Formen und eine Rundung
für das Knie definiert sind.
81 3. Aufschwung und
Vielfalt romani-
scher Buchkunst
mündete. Nachhaltige Folgen hatte die nach Papst
Gregor VII. benannte gregorianische (Kirchen-)Re-
form, die alles bekämpfte, was den Reformern als
unzulässige weltliche Verstrickungen von Klerus
und Mönchtum erschien. Die Reformbemühungen
von Papst, römischer Kurie und anfangs noch vom
deutschen Kaiser führten zum Investiturstreit, der
im Wesentlichen mit den Regierungszeiten von
HeinrichlV. (1054-1106) und Heinrich V. (1106-
1125) zusammenfällt und an der Auseinanderset-
zung zwischen Königtum und Papsttum über das
Recht der Einsetzung von Bischöfen und Reichsäb-
ten entbrannte. Er zog schließlich eine insgesamt
geistlich-politische Machtverschiebung nach sich,
da mit dem Verbot der Investitur durch den König
auch das traditionelle Reichskirchensystem, die
Einheit von Königtum und Reichskirche und die sa-
kral überhöhte Stellung des Königs in Frage gestellt
wurde. Am Ende des Konflikts stand eine Befreiung
des geistlichen Amtes von den weltlichen Hoheits-
rechten, wobei Priestertum und Papst einen höhe-
ren Rang für sich beanspruchten. In Deutschland
erhielten die Reichsbischöfe die Stellung geistlicher
Fürsten, die sich neben den weltlichen Fürsten nun
eigene Territorien aufbauten.
Mit als Folge des Investiturstreits gaben die
letzten Salier und die staufischen Könige allem An-
schein nach keine Prachthandschriften mehr in
Auftrag. Vereinzelt traten regionale Fürsten wie die
mächtigen Welfen oder die Grafen von Flandern an
ihre Stelle. Die Städte, deren Bevölkerung, wirt-
schaftliche Kraft und politisches Selbstbewusstsein
während der romanischen Periode stark anwuch-
sen, haben die Buchmalerei damals anscheinend
noch nicht gefördert. Allerdings kamen in der
zweiten Hälfte der romanischen Epoche die ersten
Rechtsschulen auf, die Vorläufer der Universitäten,
in deren Umfeld theologische und juridische Werke
bald in steigender Zahl benötigt wurden. Auch auf
der Seite der Buchherstellung weitete sich der Kreis
der beteiligten Personen aus, da zur Bewältigung
der Nachfrage im 12. Jahrhundert immer öfter
schreibende und malende Laien beschäftigt wur-
den, die ihre Dienste gegen Lohn anboten. Die häu-
figsten Besteller von illuminierten Handschriften
waren Bischöfe und Klöster. Dabei sind die Bücher
wie schon in ottonischer Zeit vor allem in klöster-
lichen Skriptorien hergestellt worden. Hier war die
notwendige Infrastruktur zur Beschaffung und Be-
reitstellung der Materialien sowie die handwerkli-
che Tradition vorhanden, und hier war auch der
Rückgriff auf ikonografische Vorbilder und darü-
ber hinaus der Zugriff auf Vorlagentexte in eigenen
und fremden Klosterbibliotheken am leichtesten
möglich. Auch wenn Außenstehende, wie oft etwa
Bischöfe und lokale Adelige, die Kosten übernah-
men, orientierten sich die Buchmaler überwiegend
an den Gewohnheiten der eigenen Kommunität.
Für die Buchmalerei der Zeit lassen sich selbst
auf engstem Raum unterschiedliche stilistische
Strömungen ausmachen, die aber immer auch cha-
rakteristische Gemeinsamkeiten besitzen. Überall
löste sich der Figurenstil schrittweise von der otto-
nisch-salischen Tradition und es bildeten sich durch
die Übernahme byzantinischer und daneben anti-
ker Formen eigene Formensprachen heraus. An
den Niederrhein mit Köln als Zentrum wurden by-
zantinische Muster zum Teil durch die eher grafisch
wirkenden Malereien Roms und Mittelitaliens und
über das heute hessische Helmarshausen vermittelt.
Wie ein zwischen 1130 und 1140 entstandenes
Evangeliar aus Sankt Vitus in Mönchengladbach
zeigt, griff man ältere Motive auf, veränderte sie
und überführte sie in einen neuen Stil (Abb.42). Als
typische Merkmale des neuen Stils erweisen sich
die festen, dunklen Bogenstriche, die die Körper-
formen umreißen, die einzelnen Parzellen trennen
und etwa das Gewand an Knie und Unterschenkel
mit geometrisierenden, häufig ovalen Formen oder
hier beim Mönchengladbacher Evangelisten mit V-
Formen rhythmisieren. Dabei erscheinen solche
Figuren monumental und gewinnen durch die Hell-
und Dunkel-Modellierung des über den Körper ge-
spannten Gewandes an Plastizität und Volumen.
Hinzu kommt der in romanischer Zeit beliebte
zweifarbige, Tiefe suggerierende Hintergrund, bei
dem oft ein hellerer grüner Rahmen eine blaue Flä-
che umgibt; man spricht hier von Kastengrund.
Diese Prinzipien sind auch noch an jenen Beispie-
len sichtbar, bei denen sich schon der Übergang zur
Zeit der Gotik mit neuen Tendenzen und Aus-
drucksformen ankündigt, wie die teilweise kantige
Gestaltung des Gewandsaums beim Propheten Esra
in einer um 1220 entstandenen Bibel aus Weding-
hausen bezeugt (Abb.43) (vgl. auch „Facetten der
Gotik" in Kap. 111,4). Jedoch kann man bei der by-
zantinisierenden Figurengestaltung der Romanik
meist nur von einer bedingten Körperlichkeit spre-
chen. Allzu oft werden die Gewänder von der Geo-
metrisierung dominiert, wie es in Ansätzen der
Gladbacher Evangelist zeigt, dessen Beine vor al-
lem durch eben diese V-Formen und eine Rundung
für das Knie definiert sind.
81 3. Aufschwung und
Vielfalt romani-
scher Buchkunst