RICHARD KURT DONIN, Die Bettelordenskirchen in Österreich.
Zur Entwicklungsgeschichte der österreichischen Gotik. Baden bei Wien,
1935.
Ein erster Versuch, die Baukunst der Bettelorden zu würdigen (von
F. Scheerer, 1910), beschränkte sich auf Thüringen und kam zu keinen
klaren Ergebnissen, weil Mitteldeutschland, als Kreuzungsgebiet der Ein-
flüsse der umliegenden Landschaften, das Studium jener anderen Provinzen
voraussetzte. Dehio widmete 1921 der Bettelordensarchitektur in seiner Ge-
schichte der deutschen Kunst (in Band II) zweieinhalb Seiten (S. 21-—23);
seihe Zusammenfassung ist knapp, großzügig, enthält gewiß viele richtige
Sätze, ist aber im ganzen negativ, lieblos. Eigentlich sagten diese Kirchen
ihm nichts, sein Maßstab war die Gotik der Kathedralen, d. h. die Kunst der
reichen Leute. Eine erste in das Positive gewandte Einstellung zu den Bettel-
ordenskirchen fand R. Krautheimer (1925); er bot nicht nur eine Fülle
von berichtigenden Untersuchungen zur Baugeschichte der einzelnen Bettel-
ordenskirchen, sondern zog aus den überraschenden Frühdaten vieler Bauten,
die man für Umbauten der Spätgotik zu nehmen geneigt war, die Folgerungen
für die richtige Einschätzung dieser Strömung als Auftakt der Spätgotik
(schon im 13. Jahrhundert!) und „verstand" die Bauwerke: als künstlerischen
Ausdruck der Weltanschauung der Franziskaner und Dominikaner. War
Dehio trotz seines umfassenden Geistes in seiner Wertung noch abhängig
vom Wert des ausgedrückten Sinnes (was ein außerkünstlerischer Gesichts-
punkt ist), so wertete Krautheimer das Verhältnis der Form zum ausge-
drückten Sinn, richtig ahnend, daß die Kunst weder Form allein noch Sinn
allein ist, sondern ein bestimmtes wechselseitiges Verhältnis beider und daß
die Wertung der Kunst sich deshalb weder aus dem Wert der Form allein,
noch aus dem des Sinnes allein ergeben kann, sondern — zum Teil wenig-
stens — aus der Intensität, mit der ein Sinn durch eine Form zum Ausdruck
gebracht wird. Liegt dies bei Krautheimer unausgesprochen zwischen den
Zeilen, so ist seine Energie entschieden sowohl auf die Erfassung der For-
men der Bettelordensbauten, ihren Stil, gerichtet, als auch der Versuch ge-
wagt, ihren tiefsten Sinn, sofern er künstlerisch zum Ausdruck gebracht
wurde, in klare Begriffe zu fassen. Mag sein, daß manches in diesem Versuch
unvollkommen blieb, aber er verpflichtet die Nachfolger, das erreichte gei-
stige Niveau zu wahren. Keinerlei Anspruch auf eine solche tiefere Erfas-
sung der Aufgabe machte das Buch von Joh. Oberst über die Schweizer Bettel-
ordenskirchen (1927); Krautheimer hat in der Besprechung dieses Buches
(Ztschr. f. Kunstwissensch. I, 1932, S. 54) den Ertrag an braver Einzelforschung
anerkannt und das Fehlen von über Kärnerarbeit hinausgehenden Gedanken
mit Resignation festgestellt.
Auf dieser Grundlage ist Donins Buch zu beurteilen. Zunächst ist es
ebenfalls eine Kärnerarbeit und als solche ausgezeichnet. Sonderbarerweise
wirft Donin Krautheimer vor, daß er die österreichischen Bettelordensbauten
21
Zur Entwicklungsgeschichte der österreichischen Gotik. Baden bei Wien,
1935.
Ein erster Versuch, die Baukunst der Bettelorden zu würdigen (von
F. Scheerer, 1910), beschränkte sich auf Thüringen und kam zu keinen
klaren Ergebnissen, weil Mitteldeutschland, als Kreuzungsgebiet der Ein-
flüsse der umliegenden Landschaften, das Studium jener anderen Provinzen
voraussetzte. Dehio widmete 1921 der Bettelordensarchitektur in seiner Ge-
schichte der deutschen Kunst (in Band II) zweieinhalb Seiten (S. 21-—23);
seihe Zusammenfassung ist knapp, großzügig, enthält gewiß viele richtige
Sätze, ist aber im ganzen negativ, lieblos. Eigentlich sagten diese Kirchen
ihm nichts, sein Maßstab war die Gotik der Kathedralen, d. h. die Kunst der
reichen Leute. Eine erste in das Positive gewandte Einstellung zu den Bettel-
ordenskirchen fand R. Krautheimer (1925); er bot nicht nur eine Fülle
von berichtigenden Untersuchungen zur Baugeschichte der einzelnen Bettel-
ordenskirchen, sondern zog aus den überraschenden Frühdaten vieler Bauten,
die man für Umbauten der Spätgotik zu nehmen geneigt war, die Folgerungen
für die richtige Einschätzung dieser Strömung als Auftakt der Spätgotik
(schon im 13. Jahrhundert!) und „verstand" die Bauwerke: als künstlerischen
Ausdruck der Weltanschauung der Franziskaner und Dominikaner. War
Dehio trotz seines umfassenden Geistes in seiner Wertung noch abhängig
vom Wert des ausgedrückten Sinnes (was ein außerkünstlerischer Gesichts-
punkt ist), so wertete Krautheimer das Verhältnis der Form zum ausge-
drückten Sinn, richtig ahnend, daß die Kunst weder Form allein noch Sinn
allein ist, sondern ein bestimmtes wechselseitiges Verhältnis beider und daß
die Wertung der Kunst sich deshalb weder aus dem Wert der Form allein,
noch aus dem des Sinnes allein ergeben kann, sondern — zum Teil wenig-
stens — aus der Intensität, mit der ein Sinn durch eine Form zum Ausdruck
gebracht wird. Liegt dies bei Krautheimer unausgesprochen zwischen den
Zeilen, so ist seine Energie entschieden sowohl auf die Erfassung der For-
men der Bettelordensbauten, ihren Stil, gerichtet, als auch der Versuch ge-
wagt, ihren tiefsten Sinn, sofern er künstlerisch zum Ausdruck gebracht
wurde, in klare Begriffe zu fassen. Mag sein, daß manches in diesem Versuch
unvollkommen blieb, aber er verpflichtet die Nachfolger, das erreichte gei-
stige Niveau zu wahren. Keinerlei Anspruch auf eine solche tiefere Erfas-
sung der Aufgabe machte das Buch von Joh. Oberst über die Schweizer Bettel-
ordenskirchen (1927); Krautheimer hat in der Besprechung dieses Buches
(Ztschr. f. Kunstwissensch. I, 1932, S. 54) den Ertrag an braver Einzelforschung
anerkannt und das Fehlen von über Kärnerarbeit hinausgehenden Gedanken
mit Resignation festgestellt.
Auf dieser Grundlage ist Donins Buch zu beurteilen. Zunächst ist es
ebenfalls eine Kärnerarbeit und als solche ausgezeichnet. Sonderbarerweise
wirft Donin Krautheimer vor, daß er die österreichischen Bettelordensbauten
21