KURT WEITZMANN, Die byzantinische Buchmalerei des
9. und 10. Jahrhunderts. Berlin, Gebr. Mann, 1935.
Gegenüber der Kunst der Spätantike und des frühen Christentums ist die
der mittelbyzantinischen Zeit in den letzten Jahrzehnten von der Forschung
etwas vernachlässigt worden. Neues wichtiges Material ist kaum zu Tage
getreten, unsere Auffassung vom Ablauf der Entwicklung hat sich nicht all-
zu sehr geändert; und die zahlreichen zusammenfassenden Darstellungen
über byzantinische Malerei, die in den letzten Jahren erschienen sind, geben
wenig mehr als eine Wiederholung der Anschauungen, die uns schon von den
großen Handbüchern der Vorkriegszeit her geläufig sind. Die Datierung ein-
zelner wichtiger Monumente schwankt oft noch um Jahrhunderte. Erst seit
kurzem hat man den Weg eingeschlagen, der von der spätantiken Kunstge-
schichte schon seit einiger Zeit so erfolgreich beschritten wird, nämlich durch
Monographien über die hervorragendsten Einzeldenkmäler oder -Gruppen
eine neue Basis für die weitere Forschung zu schaffen.
Weitzmann ist in den letzten Jahren schon durch mehrere wertvolle Einzel-
untersuchungen über besonders interessante Teilgebiete der mittelbyzanti-
nischen Malerei und durch seine Mitarbeit am Korpus der byzantinischen
Elfenbeinskulpturen hervorgetreten 9. Auf den Ergebnissen dieser früheren
Arbeiten baut er in dem vorliegenden Buche auf. Er greift einen verhältnis-
mäßig kurzen Zeitabschnitt heraus, der in sich eine Einheit bildet: den vom
Ende das Bilderstreits bis zur Jahrtausendwende. Es ist die höchste Blüte-
zeit des mittelbyzantinischen Stils und zugleich die Übergangszeit, die sozu-
sagen von den letzten Ausläufern spätantiker Malerei zu der uniformen, er-
starrten Kunst des byzantinischen Hochmittelalters führt. Für diese Zeit wird
vor allem die Vollständigkeit eines Korpus erstrebt, und hierin liegt auch das
größte Verdienst von W.s Publikation: unsere Materialkenntnis hat eine ganz
außerordentliche Bereicherung erfahren. Die systematische Bereisung ost-
europäischer Bibliotheken hat eine ganze Anzahl bisher unbekannter Hand-
schriften zu Tage gefördert; viele andere Manuskripte, die bisher nur an
schwer zugänglichen Stellen veröffentlicht und dadurch so gut wie unbekannt
waren, sind hier zum ersten Male in die kunsthistorische Betrachtung einbe-
zogen. Das wichtigste Denkmal dieser Art ist wohl der frühe Hiobskodex
auf Patmos, der zwar kurz vor Erscheinen des W.schen Werkes bereits von
anderer Seite publiziert worden ist 2), der aber hier seine erste und durchaus
grundlegende kunsthistorische Behandlung erfahren hat.
9 Der Pariser Psalter Ms. Grec 139 und die mittelbyzantinische Renaissance,
in: Jahrbuch f. Kunstwissensch. 1929, S. 178—194; Probleme der mittelbyzanti-
nischen Renaissance, in: Archäol. Anz. 1933, Sp; 339—360; Die armenische Buch-
malerei des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts, Bamberg 1933 (Istanbuler For-
schungen. 4.); Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des 10. bis 13. Jahrhunderts,
bearb. v. Adolph Goldschmidt und Kurt Weitzmann, Bd. 1, 2, Berlin 1930/34.
2) Giulio Jacopi, Le miniature dei codici di Patmo, in: Clara Rhodos 6—7,
1932/33, S. 573 ff.
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9. und 10. Jahrhunderts. Berlin, Gebr. Mann, 1935.
Gegenüber der Kunst der Spätantike und des frühen Christentums ist die
der mittelbyzantinischen Zeit in den letzten Jahrzehnten von der Forschung
etwas vernachlässigt worden. Neues wichtiges Material ist kaum zu Tage
getreten, unsere Auffassung vom Ablauf der Entwicklung hat sich nicht all-
zu sehr geändert; und die zahlreichen zusammenfassenden Darstellungen
über byzantinische Malerei, die in den letzten Jahren erschienen sind, geben
wenig mehr als eine Wiederholung der Anschauungen, die uns schon von den
großen Handbüchern der Vorkriegszeit her geläufig sind. Die Datierung ein-
zelner wichtiger Monumente schwankt oft noch um Jahrhunderte. Erst seit
kurzem hat man den Weg eingeschlagen, der von der spätantiken Kunstge-
schichte schon seit einiger Zeit so erfolgreich beschritten wird, nämlich durch
Monographien über die hervorragendsten Einzeldenkmäler oder -Gruppen
eine neue Basis für die weitere Forschung zu schaffen.
Weitzmann ist in den letzten Jahren schon durch mehrere wertvolle Einzel-
untersuchungen über besonders interessante Teilgebiete der mittelbyzanti-
nischen Malerei und durch seine Mitarbeit am Korpus der byzantinischen
Elfenbeinskulpturen hervorgetreten 9. Auf den Ergebnissen dieser früheren
Arbeiten baut er in dem vorliegenden Buche auf. Er greift einen verhältnis-
mäßig kurzen Zeitabschnitt heraus, der in sich eine Einheit bildet: den vom
Ende das Bilderstreits bis zur Jahrtausendwende. Es ist die höchste Blüte-
zeit des mittelbyzantinischen Stils und zugleich die Übergangszeit, die sozu-
sagen von den letzten Ausläufern spätantiker Malerei zu der uniformen, er-
starrten Kunst des byzantinischen Hochmittelalters führt. Für diese Zeit wird
vor allem die Vollständigkeit eines Korpus erstrebt, und hierin liegt auch das
größte Verdienst von W.s Publikation: unsere Materialkenntnis hat eine ganz
außerordentliche Bereicherung erfahren. Die systematische Bereisung ost-
europäischer Bibliotheken hat eine ganze Anzahl bisher unbekannter Hand-
schriften zu Tage gefördert; viele andere Manuskripte, die bisher nur an
schwer zugänglichen Stellen veröffentlicht und dadurch so gut wie unbekannt
waren, sind hier zum ersten Male in die kunsthistorische Betrachtung einbe-
zogen. Das wichtigste Denkmal dieser Art ist wohl der frühe Hiobskodex
auf Patmos, der zwar kurz vor Erscheinen des W.schen Werkes bereits von
anderer Seite publiziert worden ist 2), der aber hier seine erste und durchaus
grundlegende kunsthistorische Behandlung erfahren hat.
9 Der Pariser Psalter Ms. Grec 139 und die mittelbyzantinische Renaissance,
in: Jahrbuch f. Kunstwissensch. 1929, S. 178—194; Probleme der mittelbyzanti-
nischen Renaissance, in: Archäol. Anz. 1933, Sp; 339—360; Die armenische Buch-
malerei des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts, Bamberg 1933 (Istanbuler For-
schungen. 4.); Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des 10. bis 13. Jahrhunderts,
bearb. v. Adolph Goldschmidt und Kurt Weitzmann, Bd. 1, 2, Berlin 1930/34.
2) Giulio Jacopi, Le miniature dei codici di Patmo, in: Clara Rhodos 6—7,
1932/33, S. 573 ff.
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