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Grimm, Herman [Oth.]
Über Künstler und Kunstwerke — 1.1865

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No. III (März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.47238#0059
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sam; nicht auf seine Lehrmeister, sondern darauf komme es an,
welche antike Werke er vor Augen gehabt. Hier nennt er nun
Rom zunächst als den Ort wo Niccolo der antiken Kunst näher ge-
rückt sei, die er, nachdem soviele Generationen stumpf daran vor-
übergegangen, mit empfänglicherem Blicke angesehn. Die Frage je-
doch, welche Werke damals in Rom zu Tage gestanden, läfst Schnaase
fast unberührt, schränkt auch an einer andern Stelle seines Buches
den Einfluls dieser Werke sehr ein. Jene Empfänglichkeit Niccolos
für die Schönheit, sagt er (pag. 322), sei keineswegs als so selbst-
verständlich anzusehn. Es bedürfe nicht blols eines schönen Ob-
jektes und eines empfänglichen Blickes: die ganze Zeit müsse dazu
helfen dieses Verständnis zu ermöglichen, und ob die Zeit Niccolos
das vermocht, sei zweifelhaft, ja vielmehr das Gegentheil anzuneh-
men. Denn Niccolo habe nicht in antikem Geiste gearbeitet, nur
die technischen Griffe habe er den Alten abgesehn, das eigentlich
Ideale ihm ferngelegen. Die Arbeit seiner Schüler zeige dies am
deutlichsten.
Schnaase stellt mithin zwei Fälle hin. Zuerst spricht er von
einer directen, absoluten Wirkung des Anblickes antiker Werke,
sodann aber beschränkt er diese Wirkung nur auf die äufserliche
Technik. Nicht der Geist der Werke, ihre Schönheit, sozusagen
ihre höhere künstlerische Existenz, sondern das rein Handwerks-
mäfsige daran habe den pisanischen Künstler zur Nachahmung ge-
reizt, und die Zeit selbst, in der er lebte, ihm diese Beschränkung
auferlegt. Gleichsam als hätte der Druck der geistigen Atmosphäre
damals weder den Antiken gestattet, ihren tieferen Inhalt auszu-
strahlen , noch dem lernenden Künstler erlaubt, mehr von ihnen zu
begehren und anzunehmen.
Dieser Contakt zwischen Rom, seinen antiken Werken und
Niccolo würde demnach zwischen 1225 und 35 etwa, wo Niccolo
15 bis 25 Jahre zählte, stattgefunden haben. Indessen Niccolos
frühestes Werk welches seine Annahme antiker Technik zuerst glän-
zend aufweist, stammt aus dem Jahre 1260. Wir sind im Dunkeln
darüber, was er bis dahin gethan, wo und wie er gearbeitet. Nichts
allerdings verbietet uns anzunehmen, was Schnaase aufstellt, dal's
Niccolo sich bis zu seinem vierzigsten Jahre eben zu der Vollendung
im Technischen aufgebracht, deren völliges Eintreten in so späte
Jahre fällt; allein unverwehrt ist, hierüber anderer Meinung zu sein.
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