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Ging in Bern ist nur wenig älter. Im 17. Jahrhundert gehört Abraham
48 Bach zu den Künstlern, die "Kindlein-Fresser" zeigen, ohne damit
jedoch noch dem ursprünglichen Sinn des Motives gerecht zu werden.
Offenbar fand bis heute die Rückführung des Bildtyps auf seinen
Ursprung und die Korrektur der Interpretation der Höllenmotive von
1508 und 1522 nicht statt, denn noch bei Hans Ulrich Roller gehen
die Begriffe "Menschen-", "Kinder-" und "Narrenfresser" durcheinander,
ohne auf ihre historische Dimension hin kritisch überprüft zu werden.
Es ist also damit zu rechnen, daß in diesem Fall sowohl von den
frühen, als auch von den späten Schembartchronisten sinnentstellende
Fehler gemacht wurden.
Unterschiedliche Kombinationen mit anderen Vorstellungen aus dem
Bereich mittelalterlicher Lasterallegorese sorgten jedoch für Ab-
wechslung bei der Gestaltung. Sollten die Turmhöllen des Schembart-
laufes zutreffend im Zusammenhang mit der Tradition der Darstellungen
des babylonischen Turmes und Nimruds erklärt worden sein, so ergibt sich
daraus, daß dieser Riese als Verführer des Menschen, als Seelenfresser
zu betrachten ist.Selbst jedoch als Narr mit Schellenkappe und im Mi-parti-
Kostüm abgebildet, steht er als Zeichen für den Lasterhaften, für den
Gottesleugner schlechthin. Er versammelt die Seelen der Sünder und er-
innert so an den Bau des babylonischen Turmes und damit an die "civitas
diaboli" und ihre Existenz in Geschichte und Gegenwart. Der mehrgesich-
tige Teufel aus dem Jahre 1516 knüpft direkt an die Überlieferung dantes-
ker Höllenvisionen an und steht als Repräsentant des Bösen in einem sinn-
vollen Bezug zur Fastnacht.
Insbesondere für die Interpretation des Höllenturmes von 1504
können die Illustrationen zur göttlichen Komödie noch ergänzende
Verständnishilfen geben. Die ersten bebilderten Ausgaben zeigen
49 zum 9. Gesang (Inferno) turmbewehrte Mauern um die Stadt "Dis",
50 auf deren flammenden Zinnen Teufel und Erinnyen ein schreckliches
51 Schauspiel bieten. "Noch andres sprach er (Vergil); doch blieb
mir's nicht haften-/ Denn ganz hielt mich mein Äug' emporgerissen/
Zum hohen Turm dort mit der glühenden Zinne,/ Wo sich an einer
Stelle jäh aufreckten/ Drei Höllenfurien, rot mit Blut besudelt,/
251
()" . Der Mauerring um diesen Höllenort umgibt den Schauplatz
Ging in Bern ist nur wenig älter. Im 17. Jahrhundert gehört Abraham
48 Bach zu den Künstlern, die "Kindlein-Fresser" zeigen, ohne damit
jedoch noch dem ursprünglichen Sinn des Motives gerecht zu werden.
Offenbar fand bis heute die Rückführung des Bildtyps auf seinen
Ursprung und die Korrektur der Interpretation der Höllenmotive von
1508 und 1522 nicht statt, denn noch bei Hans Ulrich Roller gehen
die Begriffe "Menschen-", "Kinder-" und "Narrenfresser" durcheinander,
ohne auf ihre historische Dimension hin kritisch überprüft zu werden.
Es ist also damit zu rechnen, daß in diesem Fall sowohl von den
frühen, als auch von den späten Schembartchronisten sinnentstellende
Fehler gemacht wurden.
Unterschiedliche Kombinationen mit anderen Vorstellungen aus dem
Bereich mittelalterlicher Lasterallegorese sorgten jedoch für Ab-
wechslung bei der Gestaltung. Sollten die Turmhöllen des Schembart-
laufes zutreffend im Zusammenhang mit der Tradition der Darstellungen
des babylonischen Turmes und Nimruds erklärt worden sein, so ergibt sich
daraus, daß dieser Riese als Verführer des Menschen, als Seelenfresser
zu betrachten ist.Selbst jedoch als Narr mit Schellenkappe und im Mi-parti-
Kostüm abgebildet, steht er als Zeichen für den Lasterhaften, für den
Gottesleugner schlechthin. Er versammelt die Seelen der Sünder und er-
innert so an den Bau des babylonischen Turmes und damit an die "civitas
diaboli" und ihre Existenz in Geschichte und Gegenwart. Der mehrgesich-
tige Teufel aus dem Jahre 1516 knüpft direkt an die Überlieferung dantes-
ker Höllenvisionen an und steht als Repräsentant des Bösen in einem sinn-
vollen Bezug zur Fastnacht.
Insbesondere für die Interpretation des Höllenturmes von 1504
können die Illustrationen zur göttlichen Komödie noch ergänzende
Verständnishilfen geben. Die ersten bebilderten Ausgaben zeigen
49 zum 9. Gesang (Inferno) turmbewehrte Mauern um die Stadt "Dis",
50 auf deren flammenden Zinnen Teufel und Erinnyen ein schreckliches
51 Schauspiel bieten. "Noch andres sprach er (Vergil); doch blieb
mir's nicht haften-/ Denn ganz hielt mich mein Äug' emporgerissen/
Zum hohen Turm dort mit der glühenden Zinne,/ Wo sich an einer
Stelle jäh aufreckten/ Drei Höllenfurien, rot mit Blut besudelt,/
251
()" . Der Mauerring um diesen Höllenort umgibt den Schauplatz