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Küster, Jürgen
Spectaculum vitiorum: Studien zur Intentionalität und Geschichte des Nürnberger Schembartlaufes — Remscheid: Kierdorf-Verl., 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.73509#0172
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schissen. Das war nicht Allegoria und geistliche Deutung, sondern
der h. Geist und der Glaub schlug nur mit drey hundert Mann ei-
nen solchen großen Haufen der Feinde. S. Hieronymus und Origenes
haben dazu geholfen, daß man so allegorisiret hat, Gott vergebe
es ihnen. Im ganzen Origene ist nicht ein Wort von Christo." ' .
Mit dieser Absage an die Allegorese hatte der Reformator mit
einem der bestimmenden kulturellen Faktoren gebrochen. Zugleich
setzte er den Beginn einer Tradition, die sehr bald dazu führte,
daß mittelalterliche Zeichenkomplexe als solche nicht mehr er-
kannt und bewertet werden konnten.

Die "Hölle" des Jahres 1522 entsprach aber noch ganz dem alten
Modell der Lasterallegorese, denn sie konkretisierte erneut
die Seelenfresser-Thematik. Dennoch scheinen bereits in die-
sen Jahren frühreformatorische Einflüsse Gestalt gewonnen zu
haben, als Vertreter der traditionsreichen Familien Haller
und Engel, Hauptleute dieses Schembartlaufes, vor der
Verwendung eines Höllenmotives gewarnt werden mußten, das der
damals noch amtierenden römischen Geistlichkeit "ze neid", ein
Ärgernis, sein könnte.

Damit wird deutlich, daß die Nürnberger Schembartläufer in den
letzten Jahren ihres Auftretens zwar noch traditionelle Motive
darstellten, ihnen aber nicht immer weitreichende Inhalte zu-
maßen. Andererseits waren sie jedoch offensichtlich auch noch
nicht mit den Erfordernissen des neuen Glaubens vertraut, um
aus dem neuen Religionsverständnis heraus Allegorie und Fast-
nacht mit Luther abzulehnen. Auch aus diesem Mißverhältnis mag
letztlich das Ende der Tradition im Jahre 1524 begründet sein.
Dessen ungeachtet erweist sich ferner die bestimmende Autorität
des Rates, der zu diesem Zeitpunkt noch eindeutig auf Seiten der
alten Kirche stand und unpassende Motive im Fastnachtsbrauch
strikt untersagte.
So steht die Duldung des "Ablaßbrief-Kostümes" durch den Rat
Nürnbergs der Interpretation entgegen, die den Bezug zur re-
 
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