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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Gmelin, L.: Die III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906, [1]: Einleitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0040

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Die III. Deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden \qo6.

Der ständige Ausstellungsbau — in der Nord-
ostecke des „Großen Gartens" — sollte in seinem
Mittelbau (vgl. d. Grundriß, Abb. 3st) und den rechts
daranstoßenden fallen zur Aufnahme der Raum-
kunst dienen; aber er erwies sich bald hierfür zu klein,
obgleich nicht nur der umschlossene Lsof, sondern auch
der hinten rechts einspringende Winkel des Gartens
überbaut wurde?) Die Dresdener errichteten sich da-
neben ein eigenes bjeim: „Das sächsische Haus".

Im übrigen wurden die Vorzüge des Gartens
trefflich zur Einordnung von Landhäuschen zu Garten-
anlagen sowie zur Verrichtung eines Dorfplatzes be-
nutzt, um den sich Schulhaus und Arbeiterhäuser
malerisch gruppieren.

Für die „Aunstindustrie" wurden — an den
Grenzen des Areals — eigene Bauten errichtet: eine
vollständig eingerichtete Möbelwerkstätte mit einer !
Reihe ausgeführter Zimmer der „Dresdener Werk-
stätten für Handwerkskunst" (unter der künstlerischen
Leitung von Rich. Riemerschmid, München),
eine große Halle mit Erzeugnissen der „Aunstindustrie" |
und eine kleinere, in der an einfachen Beispielen
„die Schönheit des soliden Materials", die „gediegene
Arbeit", „die reine Zweckform" gezeigt werden sollte, !
— ein Unternehmen, für dessen Verständnis es aber
vielfach, ganz besonders bei den Aünstlern, noch an
der nötigen Reife fehlt. Man ist da noch zu sehr !
befangen von dem Aampfruf „gegen die Maschine", |
um den bisherigen Gegner zum Bundesgenossen zu
machen. Die „technische Schönheit", die „Schönheit
der Logik", die „Logik rationeller und ökonomischer I
Zweckerfüllung"2) sind bislang den meisten Aünstlern
noch dunkle Gebiete, in denen sich ihre jphantasie j
nicht zurechtfindet, vor denen sie geradezu Grauen
empfindet.

Die Raumkunst wird ergänzt durch die Gruppe J
der „künstlerischen Einzelerzeugnisse", welche !
„eine Auswahl der besten Arbeiten unserer deutschen j
Aunsthandwerker und den auf dem Gebiet des
Aunsthandwerks arbeitenden Aünstler bieten", Werke,
die eine „kunstfertige Hand verraten und verlangen [
und für welche sich daher von selbst eine massen-
hafte Anfertigung verbietet".

Einer Abteilung „Techniken" ist die Ausgabe I
zugesallen, „den Zusammenhang der künstlerischen
Bearbeitung mit dem Wesen des Stoffes klar zu

1) Über den räumlichen Umfang der Ausstellung liegt
ein vergleich mit der Münchener von ;888 vor. Danach be- J
trägt die von Ausstellungsbauten eingenommene Bodenfläche j
in Dresden *8 882 (Quadratmeter, gegen ;33U in München;
das Gesamtareal stellt sich auf 29 ^3 Quadratmeter bzw. 2; 09;,
in Dresden also eine Mehrung von 38°/0, während die Meh- !
rung der überbauten Fläche ^ I °/o beträgt.

2) Fritz 5 chu m a ch e r, Kunstwart, 5. 397.

machen"; „sie soll dartun, daß jedes gute Erzeugnis
des Aunsthandwerks eins Aonfequenz der Eigentüm-
lichkeiten seines Stoffes sein muß", und diesem Zweck
dient einerseits eine umfangreiche und ganz aus-
erlesene Sammlung alter Arbeiten, anderseits eine
sehr reichhaltige Gruppe „Volkskunst", in welcher
zum ersten Mal in größerem Umfang ein Gedanke
Verwirklichung findet, den unsere Zeitschrift schon
anläßlich der s896er Nürnberger Ausstellung ange-
regt hat?) Haben die bisher genannten Abteilungen
Vergangenheit und Gegenwart behandelt, so weist
die der Schulen darauf hin, was wir in Zukunft
erhoffen können, indem hier gegen 60 Schulen mit
praktischen Arbeiten vertreten sind und so ahnen
lassen, welche Früchte ihre Tätigkeit einst zeitigen
wird.

Die musterhafte Vorführung all dieser Gruppen
läßt überall das Walten künstlerischer Aräfte er-
kennen; Aünstler haben das Programm aufgestellt,
Aünstler haben das Ganze wie das Einzelne ins
Dasein gerufen, die Aünstler zählen —- ausgenommen
in den Industriebauten — überall als Aussteller
und werden auch im Aatalog als solche genannt.
Den Aünstlergeist, der über dem Ganzen schwebte,
fühlt jeder unbefangene Besucher der Ausstellung je
länger je mehr; und wer gar etwa eben erst einen
der Ausstellungs-Jahrmärkte zu Nürnberg oder Rei-
chenberg i. B. mit ihrem Geschäftscharakter und
ihrem chaotischem Allerlei
von gut und böse verlassen
hat, auf den wirkt die Dres-
dener Ausstellung wie ein
hehres £)et[tgtum, in dem
die Ideale gepflegt werden
und wo sich alles Geschäft-
liche bescheiden im Hinter-
grund hält.

Des Ganzen Aern bil-
det die Raumkunst; in
ihr verkörpert sich am deut-
lichsten was die Ausstellung
will. Schon die beträcht-
liche Zahl der ganz ausge-
statteten Räume (fast andert-
halbhundert) muß jeden
Nachdenkenden mit Staunen
vor der Größe des Geleisteten
erfüllen. Welche Summe
von Arbeit, von Schaffens-
freudigkeit, von Mpfermut
und künstlerischem Vermögen

9 Zeitschrift d. bayer. Kunst-
gewerbevereins, ;896, S. 8H.

SH. (Dresd. A.) Meßglocke;
nach Entwurf von Rich.
Berndl, ausgeführt von
R. Kirsch, München.
 
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