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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Schur, Ernst: Die III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0059

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Die III. Deutsche Kimstgewerbcansstellung Dresden ;yv6.

ruht, die ihm gestattet, aus reicher Anschauung
immer das Beste passend herauszuwählen.

In dem erwähnten Zimmer gibt das Schwarz
des polzes den Grundakkord. Dieser Ernst ist aber
sarbig fein abgedämpft durch das Gran der Bezüge.
Auch die Metallecken unten an den Füßen wirken
farbig mit. In der Form schafft der gefällige Auf-
bau der Möbel, der allzu große Schwere meidet,
graziöse Abwechslung. Die Bescheidung wird bei
ihm nicht zur Armut, sondern ist künstlerischer In-
stinkt, Stil. Er ist ernst, sachlich, ohne langweilig
zu werden. Er folgt keinem starren Prinzip, er
schöpft aus dem Reichtum, der bei ihm so sicher
vorhanden ist, daß er sich getrauen darf, Einfaches
in schöner Form zu geben. Dadurch wirken seine
Räume geschlossen, ohne künstliche Stilsexereien fest
zulegen. Es ist eine Freiheit in ihnen.

Leichter wirkt das Speisezimmer in Airsch-
banmholz. Die hellere Farbigkeit gibt einen fest-
licheren Eindruck. Mattviolett ist das Sofa, mit
ein wenig Grün. Die Anrichte zeigt violette Aachel
cinlagen. Dazu das polz und das Geschirr und die
Gläser mit dem stilisierten Rankenwerk, das sich so
leicht um den Rand legt, das alles ist apart zusam-
nrengefügt, und auch die leichte, graziöse Form, die
reichliche Verwendung von Glas in den der Wand
angefügten Seitenschränken mit den dünnen Gitter-
stäben unterstützen diesen Eindruck.

Aarl Bertsch hat eine besondere Art in der
Behandlung der Wand. Er gliedert die Wand-
bespannung sarbig durch Vierecke und Diagonalen.
Dadurch ist der Eindruck ebenso einfach wie ruhig.
Man weiß nicht wieso, aber der Eindruck ist schön.
Vor dieser Wand stehen die Möbel sehr gut. Sie
wirken als Stück für sich, und der Raum erhält
durch die großflächig ornamentierte Wand etwas
Ruhiges, er tritt beherrschend vor, der Raum dominiert.

Das Wohnzimmer in Nußbaumholz sieht mit
seinen grünen Bezügen, dem graubraunen polz, der
grüngelben Wand aus wie eine moderne Zeichnung
mit einem Stich ins Eigenwillig-Groteske. Alan kann
überhaupt sagen: Niemeyer sieht malerischer, Bertsch
linearer und zugleich flächiger. Niemeyer überträgt
die Grundsätze der modernen Malerei auf die Raum
Gestaltung, Bertsch die der modernen Zeichnung.

Zn einem Vorplatz haben beide Künstler sich
vereinigt. Ein grüner Fries wirkt angenehm auf
das Auge. Die Korbmöbel stehen in ihrer weißen
Farbe sehr günstig im Raum.

Dann hat Bertsch noch ein Schlafzimmer ent-
worfen in Birnbaumholz. Auch hier wieder wirkt
die Wand mit ihrer Gliederung (grau Rupfen mit
großen, blau eingefaßten Vierecken) außerordentlich

97. Dom Bogenscheitel der Max Joseph-Brücke; nach Modell
von Jak. Bradl in Kupfer getrieben von lhygin Kiene,
München.

anheimelnd. Das Zimmer steht vor dem Betrachter
wie ein Bild. So wie das grüngelbe Japan-
papier so vornehm die Farben abstimmt, ebenso
abgetönt wirken die Farben im Raum vor dieser
Wand. Es ist eine raffinierte Einfachheit. Und in
der Art, wie die Möbel mit Einfachheit und Ruhe
in den Raum gestellt siitd, mit größtmöglicher Ver-
meidung alles Überflüssigen, damit der Raum lebt,
denkt man an die Raumanschaunng der Japaner. Das
rötlich-gelbe polz ist glatt poliert. Die Form ist
leicht geschweift. Zn der Art der Verteilung bewährt
Bertsch seinen geschulten Sinn für Raumgliederung.

Lin kleines Frühstückszimmer von Marg. v.
Brauchitsch erhält durch die feine Verwendung
aparter Stickereien (wenig Farben auf grauem Stoff)
in dunklen Korb- und. polzmöbeln ein gefälliges
Aussehen. Die länglichen Tische mit der eigentüm-
lich eckigen Form fügen sich dieser farbig geschickten
Zusammenstellung gut ein (Abb. H02).

Es ist noch nachzutragen, daß die genannten
Räume sich zu zwei besonderen Komplexen zusammen-
schließen. Die von Bruno Paul, Artiger, Brauchitsch
geschaffenen Räume stellen die Wohn und Empsangs-
räume eines hohen Staatsbeamten, die von Nie-
meyer und Bertsch entworfenen die Wohnung eines
Amtsrichters vor, dem sich der von Artiger und
Diez gestaltete Amtsgerichtssitzungssaal anschließt.

Paul Thiersch lieferte solide und brauchbare
Entwürfe zu Vahnhofsräumen. Es ist damit wieder
der dekorativen Aunst ein neues, wichtiges Gebiet
der Öffentlichkeit erobert. Gerade diese öffentlichen

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