Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

DOI Artikel:
Schmidkunz, Hans: Analytisches im kunstgewerblichen Unterricht, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Analytisches im kunstgewerblichen Unterricht.

Nun kanit beispielsweise ein Künstler sein Werk
mehr so schaffen, daß er allmählich aus Einzelheiten
zum Ganzen hinaufsteigt; daun ist er synthetischer
Künstler. Oder es kann ihm das Ganze seiner
Schöpfung, wenn auch noch nicht vollkommen,
von Anfang an so in der pand liegen, als sei cs
fertig; und er vollendet es dann, indem er von da
aus zu allen nötigen Einzelheiten geht. Dann ist er
analytischer Aünstler. Gleiches kann er nun, wenn
er Lehrer ist, bei feinem Schüler unterscheiden. Er
kann ihn beim Zeichnen oder Malen eines Gegen-
standes heißen, mit Einzelheiten anzufangen und
Stück für Stück denr vollendeten Ganzen näher zu
kommen, synthetisch. Oder aber er kam: ihn so
führen, daß der Schüler gleich von Anfang an ein
Totalbild des erst später fertigen Ganzen herstellt
und von da aus immer detaillierter ins Einzelne
hineinarbeitet, analytisch.

Dieser Gegensatz scheint uns nun für den zeich-
nerischen, gewerblichen, kunstgewerblichen und künst-
lerischen Unterricht, sodann aber auch für Verhält-
nisse der Kunst schlechtweg, zumal der modernsten,
soviel Eharakteristik zu enthalten, daß wir ihn mit
möglichst nahem Bezug auf derartige aktuelle Dinge
näher verfolgen wollen.

Ein ganz besonders lehrreiches Beispiel dafür ist
die Verschiedenheit zwischen Linie und Fläche, zumal
zwischen Kontur und Silhouette in den graphischen
Künsten allerweitesten Sinnes. Denken wir zurück an
die Zeichnung und Malweise etwa in der Mitte des
sch Jahrhunderts. Die damaligen Merke charakteri-
sieren sich, wenn wir jetzt sehr abgekürzt im großen
Ganzen urteilen dürfen, durch harte, scharfe Linien,
meist größerer Länge, speziell durch Umrißlinieu,
Konturen, deren Zwischenraum, also die Fläche,
durch sie in dieser etwas abstrakten Weise niarkiert
werden sollte. Und nicht zufällig war damals der
Stahlstich beliebt. Auch die Methode, das Vorgehen
in: produzieren oder Reproduzieren, war vermutlich
so, daß vorwiegend Linie nach Linie, Kontur nach
Kontur so lange gezogen wurde, bis durch die Zu-
sammensetzung aus diesen Einzelstücken endlich das
Ganze fertig dastand. Ein ausgesprochen synthe-
tischer Weg.

Allmählich vertrug der künstlerische Geschmack
dieses Parte und Abstrakte iinmer weniger. Man
wollte sich in einer anschaulicheren, konkreteren Weise
der Wirklichkeit nähern. Man fragte sich, warum
denn eine Fläche indirekt vorgestellt werden sollte,
also durch Umrißstriche, eventuell Teilungsstriche
u. dergl., während man sie doch viel direkter schlecht-
weg als Fläche vorstellen und darstellen könnte. Pebt
sich eine solche Fläche als ein, zunächst in Farbe oder

20 p Ehreubecher für Staatsminifter Graf v. Feilitzsch; von
Fr. v. Miller, München.

('/z d. wirk!. Größe.) Erläuterung siehe 5. \2o.

nur in Lichtton homogenes Bild von einem Unter-
grund ab, so haben wir die Silhouette, wie wir sie
ja am bequemsten des Abends finden, wenn sich die
Gestalten von Bäumen, Gebäuden usw. ohne Einzel-
striche vom porizont abheben.

(2,
 
Annotationen