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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Waentig-Halle, Heinrich: Über modernes Wirtschaftsleben und Kunst: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0222

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Über modernes Wirtschaftsleben und Kunst.

andere bestreitet zwar eine ungünstige Rückwirkung, namentlich
der Maschinentechnik, auf das Aunstgewerbe nicht, hebt jedoch
anderseits hervor, daß die neue Technik selbsttätig neue Aunst-
formen schaffe, ja, sic spricht von einer „Schönheit der notwen-
digen Formen", die nicht der Phantasie des Aünstlers, sondern
der konstruktiven Energie des Ingenieurs ihre Entstehung ver-
danke, von einer „abstrakten Ornamentik", die sich gewisser-
maßen mit logischer Notwendigkeit aus den Dingen selbst ergebe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Technik an sich keine
Aunstformen schafft, daß jeder Wandel der Technik zwar eine
Bereicherung künstlerischer Ausdrucksmittel bedeutet, die Ent-
stehung des Kunstwerks jedoch nach wie vor besonderes künst-
lerisches wollen voraussetzt. Der spezifisch wissenschaftliche Geist
aber, der die moderne Technik beherrscht, setzt sic in Widerspruch
zu künstlerischem Schaffen, er führt seiner Tendenz nach zur Aus-
schaltung der Individualität. Es findet eine Rationalisierung,
eine Objektivierung des Produktionsprozesses, eine Emanzipation
desselben vom Menschen statt, und es bedarf ganz besonders
starken künstlerischen wollens, um diesem versachlichten Produk-
tionsprozeß künstlerische werte aufzuzwingen. Es fragt sich nur,
ob die heutige produktionsform das begünstigt.

Dies ist im großen und ganzen zu verneinen. Die in der
kapitalistischen Verkehrswirtschaft vorwiegende Massenproduktion
für den Markt wirkt nachteilig. Die Überlegung lehrt uns, daß
die Eigenproduktion, die unmittelbare Anpassung der gewerb-
lichen Gütererzeugung an den persönlichen Bedarf des Produ-
zenten und die dadurch ermöglichte Individualisierung des Pro-
duktes an sich die Entstehung von Kunstwerken am meisten be-
günstigen muß. Daß das der Fall ist, sehen wir an den gewerb-
lichen Erzeugnissen der primitiven Völker. Eine nachteilige Ver-
schiebung tritt schon ein mit dem Übergang zur Aundenproduk-
tion. Der Produzent arbeitet jetzt für fremden, wenn auch in-
dividualisierten Bedarf. Die unvermeidliche Anpassung an fremdes
wollen wirkt einschränkend auf die Entfaltung der künstlerischen

Individualität, und der Übergang des Produkts in andere pände
wird das Produzenteninteresse abschwächen, und in demselben Maße

können Lohn und Preis zu trei-
benden Motiven der Betätigung
werden. Immerhin haben Pro-
duzent und Aonsument noch viel-
fach gleiche Bedürfnisse und An-
schauungen. So kann der Aünstler
für den Runden vielfach wie für
sich selbst schaffen, und die vor-
handenen Nachteile des Systems
werden durch den Umstand aus-
geglichen, daß der fortgeschrittene
Prozeß der gesellschaftlichen Ar-
beitsteilung dein künstlerisch Be-
gabten gestaltet seiner Sonderaus-
gabe zu leben.

392 u. 393. Vasen; nach Angaben von kserm. lsaas ausgeführt in der Das ändert sich mit der Ent-

keram. Fachschule in Landshut. (>/- d. wirk!. Größe.) stehung der modernen Marktpro-

39p ©feit; nach Modell von Phil. Müller
ausgeführt in der
keramischen Fachschule in Landshut.

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