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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Habich, Georg: Julius Diez
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0242

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Julius Aiez.

^36. Politische Karikatur. (Eine Lhreujuugfrau für Lhamberlain bei seiner Ankunft
in Südafrika.) Aus der Münchener Jugend". (,902.)

und in Gestalt von allem möglichen Bauernhausrat
von Tölz und Füssen mit hereingebracht hatte, als
„G'schnas" oder „Wirtshausstil" verpönt war. Kein
Wunder, wenn eilte Modernität, der zuliebe das nun
alles über Bord geworfen wurde, auf geharnischten
Widerstand stieß.

Nur ganz vereinzelt dämmerte damals in Künstler-
kreisen, bei den Architekten eher als bei den eigent-
lichen Kunstgewerblern, die Ahnung, was in der ein-
heimischen Volkskunst an entwicklungsfähigen Keimen
verborgen liegt —■ entwicklungsfähig in durchaus
modernem Stirne.

Au den wenigen, die dies — ohne Reflexion,
sondern vermöge ihrer inneren Neigung instinktiv —

erfaßten, gehört der Künst-
ler, dessen Name dieses Blatt
schmückt. — Julius Diez ist
unter den ganz selbständigen
modernen Künstlercharakteren
zu nennen, die ihren Weg ge-
funden hätten, auch ohne daß
Morris, Trane und Makintofh
oder Rops und Beardsley ge-
lebt, ohne daß die lange Bände-
reihe von »The Studio« exi-
stiert und die Weltausstellungen
von Thicago und St. Louis
stattgesunden hätten. Diez ist
ein moderner Künstler durch
und durch, aber seine Kunst ist
frei von jeder ausländischeit
und exotischen Anleihe. Der
wundervolle Reichtum seiner
sIhantasie, die Kraft seiner An-
schauung und Gestaltung, die
sinnliche Freude an reich ge-
schmückten Formen und blühen-
den Farben, das ist ein Erbe
seiner süddeutschen Lseimat. Der
stille Junior aber, der Spaß
am kauzisch Originellen, am
biedermännisch Kleinstädtischen,
der Sinn für das Intime,
Häuslich-Umfchränkte oder länd-
lich Harmlose, die behagliche
Wärme, die alles ausströmt, was
dieser glücklich begabte Künstler
berührt, das ist Münchener Ge-
wächs: ein durch sein Talent
erst recht unverlierbar gewor-
dener Rest Alt-Münchens, wie
wir, als die letzten, es noch kann-
ten und nie vergessen werden.

Julius Diez, der heute in seinem 37. Lebens-
jahre steht, ist ein geborener Münchener. Seiner
Abstammung nach ist er, wie sein Onkel, der kürzlich
verstorbene, in seiner Bedeutung noch immer nicht
vollauf gewürdigte Wilh. v. Diez, Franke. Aus kleinen
Verhältnissen stammend, ist Julius Diez das Leben
nicht leicht geworden. Durch bittere Not und Trübsal
aller Art haben ihn seine Lehrjahre geführt, aber
alle Bitternis hat fein Wesen nicht verbittern können,
und fehlte es an Gut und Geld, das Gold seines
Humors hat ihm selbst die traurigste Tnttäuschung
nicht rauben können. Scheint es nicht wie die harte
Notwendigkeit eines Naturgesetzes, daß Künstler-
naturen von dem inneren Reichtum, der Aartheit

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