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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Berlepsch-Valendas; Hans E. von: Das Kunstgewerbe-Museum zu Flensburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0337

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Das Rnnstgewerbe-Museum zu Flensburg.

688. Flensburger Aunstgewerbe-Museum: Mittelalterliches
Jiminer, nach Briginalen des ;5. Jahrhunderts ansgeführt.

nicht durchweg vorkommenden Erscheinungen zählt,
sind Bauten gleichen Charakters jenseits dieser Landes-
befestigung nicht vorhanden, auch nicht nachgewiesen.
Überhaupt scheint dieses Bollwerk, das bloß an
einer Stelle durch das „Wieglesdor" (Weglaßtor)
oder „Heggedor" (f^ecBcittor) den Verkehr zu Land
erlaubte, nach manchen Seiten nicht bloß im Halle
kriegerischer Verwickelungen als tatsächliche Absperrung
gewirkt zu haben, im frühen Mittelalter wenigstens.
Es bildete eine Rulturgrenze. In Schleswig scheint
eine eigene Rnnst ihre Wurzeln gehabt zu haben,
die, obschon im frühen Mittelalter von Dänemark
beeinflußt, ebensowenig dänisch war, als die Bewohner.
Seit dem f6. Jahrhundert wird süddeutscher Einfluß
ausschlaggebend. Neben Renaissance-Erscheinungen
lassen sich indes mittelalterliche Traditionen in Schles-
wig bis tief ins \7. Jahrhundert verfolgen. Daher
das häufigere Vorkommen mittelalterlichen Haus-
gerätes. Holstein, wo Gotik, Renaissance, Barock

usw. sich ablösten, erschloß sich dem Ausgleich mit
den: Süden rascher.

Wirtschaftliche und soziale Umstände, deren Nach-
wirkung sich bis in die neueste Zeit hinein fühlbar
macht, wirkten ebenso einschneidend. Meiborgfl) läßt
sich darüber folgendermaßen aus: „In: Westen
waren viele Bauern Eigentümer, doch war die
Zahl der Erbpächter größer. Diese standen jenen
nur wenig nach, da ihnen die Gebäude mit allein
Inhalte gehörten, und sie in gewisser Weise auch
nach freiem Ermessen mit den: Grund und Boden
schalten konnten. Es konnte ihnen gestattet werden,
den £jof Zu verkaufen, und sie hatten das Recht,
eines ihrer Rinder nach eigener Wahl in die Nach-
folge einzusetzen. Wer so in den Besitz eintrat,
erhielt den einen Teil vorweg; das übrige wurde
unter die Geschwister gleichmäßig verteilt. Aus
manchen dieser „Hestestellen" zahlte man nicht ein-
mal ein Antrittsgeld, sondern gab nur ein Jähr-
liches; solche £jöfe konnten also als Eigentum ange-
sehen werden, auf dem eine unabläsliche Rente ruhte.
In der ersten Hälfte des \7. Jahrhunderts schätzte
man den Anteil eines Bauern an einem Erbpacht-
Hofe auf jOOO AI. lübisch und darüber; (75 s ward
ein Eigenhof zu Rott, westlich von der Trenne, auf
62ß { Alark \2 Schillinge veranschlagt — für jene
Zeit ansehnliche Summen."2) Damit erklärt sich die

') Es ist das verdienst eines dänischen Forschers, das
Wesen des Bauernhauses in Schleswig-Holstein zuerst ausführ-
lich gewürdigt zu haben in einem Werke, dessen Inhalt sich
mit dem Bauernhause der nordgermanischen Länder überhaupt
besaßt und den Titel trägt: Nordiska Bondergaarde i. det
og ;8. Aarhundrede. Tilloeg til förste Bind Ajobenhavn,
Lehrmann & Steiges. Der erste, ;8g2 erschienene Band be-
handelt das Gebiet der nunmehr preußischen Länder zwischen
Elbe und jütischer Grenze. Deutsche Bearbeitung von Rich.
Haupt.

9 Mindestens ebenso günstig, wenn nicht besser, lagen die
Verhältnisse in Nordfriesland. Aus Erbteilungsbüchern des
;8. Jahrhunderts aus der husumer Gegend erhellt, daß die hinter-
lassenschaft eines Marschbauern nicht selten 6—8000, ja bis zu
50 000 M. betrug. Dabei wird angenommen, daß die Anschläger
nie den vollen Wert angaben, um den die Wirtschaft Antretenden
durch herauszahlungen nicht allzusehr zu beschweren. Außer
dem „Ehristian-Albrechts-Roog" bei Tonderu war die Landschaft
Eiderstedt berühmt durch ihre ans Fabelhafte grenzende Frucht-
barkeit. In guten Jahren steht das Getreide so dicht und
stark, daß man es nicht mähen kann, sondern mit der Sichel
schneiden muß. Der Hafer trägt zo-, die Gerste vom

Raps gibt eine Aussaat von 20 Rannen einen Ertrag von
;50 bis 200 Tonnen. Wer vom mittleren Schleswig, wo nur
magerer Sandboden ist, herüber kommt nach Eiderstedt, dem
erscheint es, als komme er in ein ganz anderes Land. Daher
erklärt sich der Spruch eines Eiderstedter Bauern an seinen
wanderlustigen Sohn: „hier ist die Marsch! Die ganze übrige
Welt ist nur Geest; was willst du doch in der Wüste?" (Meiborg.)

ö;8
 
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