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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Schur, Ernst: Das moderne Kunstgewerbe und die Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0370

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Das moderne Aunstgewerbe und die Kultur.

lich an Gegenständen der Gegenwart anbringen
oder im gleichen Anne Neues dem Alten an die
Leite stellen, so daß der alte Geist Neues zeitigt, das
gleichwertig dein Alten gegenübertritt. Was reif ist
zu fallen, das falle und werde durch Anderes, das
eigener, kräftiger ist, ergänzt. Aber wozu die Dinge
so auf die Lpitze treiben? Wer absolut an dem
Alten festhalten will, der behalte es. Reichlich ist j
ihm dazu Gelegenheit gegeben. Niel Möglichkeiten (
gibt es hier auf Erden. Und ein Leitenarm kann
sich gut von dem allgemeinen Ltrom absondern und
sich neben dem alten ein neues Bett suchen. In den j
meisten Fällen aber ist die Pietät nur ein Deckmantel j
für persönliche Gelüste.

Es gibt noch eine andere Alage. Einige Leute >
sind der Ansicht, das eigentlich Aünstlerische geht
durch dieses Hindrängen zu einem allgemein brauch-
baren Wert verloren. Ihnen ist ein Bild entwertet,
wenn es eine billige, gute Reproduktion davon gibt. |
Gut, es mag auch solche Individualisten geben.
Aber ihnen sei gesagt, daß diese Beurteilung äußer-
lich ist. Es konrmt nur darauf an: ist eine Repro- |
duktion gut oder ist sie schlecht? Ist sie schlecht,
scheidet sie aus. Ist sie gut, so erfüllt sie ihren
Zweck, sie trägt Aunst in breitere Areise. Ist sie
billig, um so besser. Der soziale Wert erhöht sich

EX LiBRiS-

MARjE

5CHÖMMAHH-

a. S.

739. Exlibris; von A. Schön mann. München.

738. Exlibris; von A. Schönmann, München.

dadurch. Mit dem Original und seinen: Wert aber
hat das nichts zu tun. Entweder ist das Original
! angefcrtigt im Hinblick auf Massenherstellung, dann
erfüllt es seinen Zweck. Oder es sieht feine Bestim-
mung in der Einzelexistenz, dann ist die Verviel-
fältigung nur ein Behelf, der an die eigentliche
j Lchönheit, an das Wesen nicht im geringsten rührt.

J Original und Reproduktion sind auf diesem Gebiet
| himmelweit verschiedene Dinge. — Dasselbe gilt von
! dem kunstgewerblichen Gegenstaild. Lobald ein Ge-
genstand im Hinblick auf Massenherstellung entworfen
ist (denn es gibt auch hier Ltilgesetze), so erfüllt er
seinen Zweck. Ist er das aber nicht, so bleibt er
durch sein Wesen schon (wenn anders er Ltil hat)
isoliert. Und es kommt auch hier nur wieder auf
die Güte an. Lobald wir gute, einwandfreie Kera-
miken im Warenhaus bekommen, werden wir das
! nur loben können, Hür die einseitigen Geschnracks-
; fanatiker, ist der Gegenstand vielleicht entwertet. Im
Grunde aber ändert die Verkaufsmöglichkeit an dem
Dinge und seinem Ltilwert nichts. Wir müßten
denn die schönen Wald- und Wiesenblumen geringer
schätzen, weil sie jedermann zugänglich und in Massen
vorhanden sind, als die Treibhausblume, die nur in
einem oder wenigen Exemplaren vorhanden ist. All

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