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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Weiß, Hermann: In 3 bis 12 Monaten Werkmeister und Raumkünstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0024

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ler, die von anderen Lach- und Kunstgewerbeschulen
in die Löthener Anstalt eintraten, erklärten, daß sie
so künstlerische Arbeiten wie hier überhaupt noch
nicht gesehen hätten."

„Daß die Löthener Lehranstalt als die beste
deutsche j)rivat-Lachschule bekannt ist, werden Sie
wohl selbst schon erfahren haben. Ls geht dies auch
am besten daraus hervor, daß die Absolventen der
obigen Schule anderen vorgezogen und besser be-
zahlt werden."

Da darf die besonders berühmte Tischler-
Lachschule Ilmenau auch nicht zurückstehen. Darum
schreibt sie:

„Line marktschreierische Reklame ist uns ver-
haßt, denn darunter verbergen sich nur Mängel,
ebenso hassen wir die Abgabe ungünstiger Urteile
über die Konkurrenz. Sie werden nie finden, daß
eine erstklassige Anstalt dies tut oder zu tun nötig
hat."-

Und bei einer anderen Gelegenheit hieß es:

„)m Gegensatz zu mancher gewissenlos ope-
rierenden privaten Lehranstalt übernimmt die Thü-
ringer Tischler-Lachschule Ilmenau für einen tat-
sächlichen erfolgreichen Unterricht, ernstes Streben
und genaue Befolgung der den Schülern erteilten
Anordnungen vorausgesetzt, volle Gewähr."

Dazu gibt es noch ein besonderes Lockmittel:

„Lin besonderer, von der Anstalt organisierter
internationaler Stellennachweis, der uns mit etwa
Ho ooo Tischlereien und Möbelfabriken verbindet,
vermittelt ständig gratis Anstellungen. Diese Vor-
teile werden Ihnen nur bei uns geboten."-

Man könnte diese Beispiele beliebig vermehren.
Das hier Abgedruckte genügt aber zur Kennzeich-
nung der von den Schulen beliebten Reklame.

Ein besonders interessanter Vorfall verdient
aber noch mitgeteilt zu werden. Ende vorigen
Iahres fühlte sich der Vorstand der bsandels-
kammer für das Großherzogtum Sachsen in Weimar
veranlaßt, öffentlich dagegen zu protestieren, daß
sein Besuch der I^enauer Schule, von der be-
richtet wird, daß ihr als Zeichensaal die Bühne eines
Tanzsaales dient, zu Reklamezwecken ausgenutzt
wurde. Der Vorstand habe sich nicht, wie es hieß,
„lobend" über die Schule ausgesprochen, sondern
im Gegenteil „Zurückhaltung für geboten erachtet".
Später warnte die Handwerkskammer übrigens
öffentlich davor, sich dort auf ^längere Zeit zu
verpflichten oder Schulgeld im voraus zu ent-
richten.

Bedauerlicherweise erfahren einzelne Schulen
durch das Wohlwollen der Behörden eine nicht zu
unterschätzende Lörderung. So konnte mir z. B. der

Direktor einer Schule, deren Betrieb ich mir an-
gesehen hatte, auf meine kritischen Bemerkungen
über den wert seines Unterrichtes ein Schreiben
der staatlichen Aufsichtsbehörde entgegenhalten,
worin die „ganz vorzüglichen Leistungen" der Schule
anerkannt wurden, wenn die in Betracht kommen-
den Behörden eine gründliche, fachmännische Unter-
suchung des Schulbetriebes und seiner Resultate
vornehmen würden, müßten sie eine andere Stel-
lung einnehmen. Ls muß doch schon dem Laien
auffallen, in wie vielen Disziplinen die Schüler in
der kurzen Zeit gründlich und gewissenhaft ausgebil-
det werden sollen. Hierfür nur zwei Beispiele aus
dem Lehrprogramm einer Schule:

„Lür die Ausbildung zum Werkmeister, Tech-
niker und Meister (Dauer 3—6 Monate) sind fol-
gende Lehrfächer zugrunde gelegt und werden die-
selben mit Erfolg und Gewissenhaftigkeit gelehrt:
Lreihandzeichnen, Geometrischzeichnen, Schriftzeich-
nen, Grnamentzeichnen, Lorm- und Möbelstillehre,
Schattenlehre, Intarsien, Larbenlehre, Lachrechnen,
Kalkulation, Kostenanschläge über selbstgefertigte
Entwürfe. Technisches über Holzbearbeitungs-
maschinen, Gewerbekunde, Holzbeiztechnik, Buch-
führung, Geschäftsbriefe, Wechsellehre, Scheckverkehr,
Skizzen in Blei, Leder und Aquarell, Anfertigung
von konstruktiv richtigen Werkstattzeichnungen in
natürlicher Größe. Entwerfen von Möbeln und
Bautifchlerarbeiten in modernem Stil.

Lür die Ausbildung zum Zeichner, Raum-
künstler, Betriebsleiter werden beim Eintritt eben-
falls unter Beachtung etwaiger Vorkenntnisse je
nach dem Ziel entsprechende Lehrpläne, umfassend
die gesamte zeichnerische, künstlerische Darstellungs-
weise auf dem Gebiete der Möbelbaukunst, Her-
spetive, Innenraum und Dekoration sowie Handels-
lehrfächer, von einer Dauer von 6—\2 Monaten
aufgestellt."

Solche Versprechungen können nur Unsinn
oder Schwindel sein. Ich gebe zwar ohne weiteres
zu, daß die Schüler an den größeren privaten An-
stalten mit allen diesen Dingen tatsächlich beschäftigt
werden. Ls wird ihnen auch nicht leicht gemacht;
sie müssen ganz gehörig arbeiten, stehen während
des Schulbetriebes unausgesetzt unter der Leitung
und Aufsicht der Lehrer und können sich schwer um
ihre Arbeiten herumdrücken. Ls ist auch anzuerken-
nen, daß der Aufbau der Lehrpläne ein gewisses
Geschick und Anpassungsvermögen verrät, wie ja
das Bestreben der Schulen überhaupt darauf hinaus-
läuft, ihrer Arbeit den Anschein praktischer, ledig-
lich für die Berufspraxis zugeschnittener Tätigkeit
zu verschaffen. Das folgende Beispiel eines Lehr-

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