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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Pechmann, Günther von: Gewerbeförderung und Frauenbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0058

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kreisen, aber auch in der Mehrzahl der Kaufmanns-
familien die ganze Sorge für die Einrichtung und
Unterhaltung des Haushalts in den fänden der
Frau liegen finden, von den Einkäufen in einem
Warenhaus werden mindestens 80% von Frauen
vorgenommen. Die Konsumption des Mannes be-
schränkt sich heutzutage auf Kleider und Zigarren,
was bedeutet dies aber für die Volkswirtschaft?
Ls zeigt, daß den Frauen eine ungeheuere Macht
in die Hände gegeben ist, von der sie sich selbst
zumeist nicht entfernt eine richtige Vorstellung
machen. Sie sind die Wählerinnen, die bei jedem
Einkauf ihre Stimme dafür abgeben, ob der Schund
anwachsen soll, oder ob Industrien gedeihen sollen,
die dem deutschen Namen Ehre machen,
von dieser Tatsache muß jede zielbewußte Konsu-
mentenerziehung ausgehen. Sie muß den Frauen
klar machen, daß sie bei jedem Einkauf nicht
nur einen privaten Bedarf decken, sondern gleich-
zeitig einevolkswirtschaftlicheFunk-
t i o n ausüben, die von weitgreifender Bedeutung
ist für die Blüte und das Ansehen der Nation.

Die Vorbildung der Frau für diese wichtige Aufgabe
ist durchaus unzulänglich. In Bayern liegen die
Verhältnisse besonders günstig, dank dem segens-
reichen Einfluß der Kerschensteinerschen Schul-
reform. Ihr Geist ist auch in der zur Ein-
führung gelangten „Schulordnung für die höheren
Mädchenschulen in Bayern" zu spüren. Immer
aber ist es noch möglich, daß ein Mädchen an die
Gründung des Hausstandes geht mit reichen kunst-
geschichtlichen Kenntnissen, ohne je sachgemäß über
die Unterschiede zwischen Porzellan und Steingut,
oder zwischen bedruckten und gewebten Stoffen und
die sich hieraus ergebenden Folgerungen für deren
Schmuck und Verwendung unterwiesen worden zu
sein. Ls ist vollständig in die Hände des Lehrer-
personals gegeben, wie weit auf diese Dinge im
Unterricht eingegangen wird.

So ergibt sich als erste Forderung einer zeitge-
mäßen Konsumentenschulung: Unterweisung
des Lehrerpersonals über die wich-
tig st en Grundlagen der moderner:
G e w e r b e k u n st. Die Unterweisung müßte sich
vor allem erstrecken auf die Materialien (die neuesten
„künstlichen" Stoffe eingeschlossen!), auf die hand-
werklichen und maschinellen Techniken und auf die
sich aus ihnen ergebenden künstlerischen Verwen-
dungsmöglichkeiten. Und dann dürfte man dabei
natürlich nicht in den Fehler eines „Bildungs-In-
stitutes" fallen, das Vorträge für Steinbildhauer mit
der Erläuterung der geologischen Entstehung der
Baustoffe einleitet und sie mit der Betrachtung der

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