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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Pechmann, Günther von: Gewerbeförderung und Frauenbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0059

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IZW.VW1

DIE BESTEN GLÜCK-

WUNSCHE ZUM
JAHRESWECHSEL

BAUERSCHE GIESSEREI

FRANKFURT-M. U. BARCELONA

GEGRÜNDET 1837


Pyramiden schließt. Nur konkrete fragen dürften
erörtert werden, z. B. „wie kaufe ich einen Grab-
stein?" und weiterhin: „Ist es ratsam, einen Grab-
stein in schwedischem Granit ausführen zu lassen,
wenn der Künstler das Modell für Sandstein aus-
gearbeitet hatte?" Und schließlich: „weshalb sind
alte Friedhöfe schöner als moderne Friedhöfe?"
wer diese letzte Frage allein in einem zehnstündigen
Kursus erörtern wollte, der könnte seinen Zuhörern
so viel des Wissenswerten und des Interessanten
sagen, daß für geologische und historische Betrach-
tungen keine Zeit bliebe.

Als zweite Forderung einer zielbewußten Kon-
sumentenschulung ergebe sich dann ein Pro-
gramm für Kurse, die sich an Frauen aller Be-
völkerungsschichten zu wenden hätten, und die
in hochschulmäßiger Form durchgesührt werden
müßten.

Man wird bei alledem einwenden können, daß
keine frühere Zeit diese Erziehungsarbeit nötig ge-
habt hat; das wäre aber ein Außerachtlassen der
Tatsache, daß in jeder vergangenen Zeitperiode diese
Erziehungsarbeit vom Elternhaus tatsächlich ge-
leistet wurde. Das junge Mädchen von Anno dazu-
mal wuchs zwischen guten Möbeln und schönen
Stoffen auf und bildete Sinne und Geschmack an
dem, was es tagtäglich um sich sah. Das neunzehnte
Jahrhundert hat die Tradition zerstört und den
Verbraucher weit getrennt vom Fertiger. So müssen
wir bewußt das aufnehmen, was früher un-
bewußt geleistet wurde.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß diese Erziehungs-
arbeit dadurch an Durchführbarkeit gewinnt, daß
sie sich zunächst fast ausschließlich an die Frauen-
welt wenden kann. Sie wird außerdem jede Unter-
stützung finden von der rechten wie von der linken
Seite. Die „Fortschrittlichen" werden jede neue
Bildungsmöglichkeit begrüßen, die „Konservativen"
werden sich der Einsicht nicht verschließen, daß diese
Erziehungsarbeit den Wert des Lj a u s e s steigert
für die Frau, dem Begriff Häuslichkeit reicheren
und schöneren Inhalt zuführt. Und alle diejenigen,
denen die ernste Förderung de- gewerblichen Arbeit
am Herzen liegt, mögen sich erinnern an den Satz,
mit dem vor einigen Jahrzehnten Lorenz
v. Stein sein kleines Schriftchen über „Die Frau
auf dem Gebiete der Nationalökonomie" einleitete:
„Ich habe die innige und auf der Erfahrung eines
ganzen Lebens begründete Überzeugung, daß unter
den edleren Geschlechtern der Menschheit nichts zur
rechten Kraft und Geltung gelangt, was nicht die
stille, aber gewaltige Kraft, die in der Frau liegt,
für sich zu gewinnen vermag".

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