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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Steinlein, Stephan: Über neuere Dekorationsmalerei: Anton Kiesgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0138

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von schwarzem Rankengewirr rhythmisch durch-
wirkt. In den Laibungen, im Fries und an der
Decke wechseln auf schwarzem Grunde Grün mit
Grau. Die Putten stehen grau in Grau auf Schwarz
mit grünem Laubwerk. Die Paneele (Abb. S. \52)
stehen farbig auf tiefschwarzbraunem Grund. In
der Paraventskizze (Abb. S. \35) wechselt in den
Längsstreifen grüner Grund mit grauem Ornament
und auf grauem Grunde in hellgrüner Ornamentik.
In dem Paravent im profilierten holzrahmen (Abb.
S. J34) stehen auf grauem Grund bunte Streu-
blumen in je zwei Nuancen von Blau-Rot und
Grün. Die Grundstimmung des Ehrendiploms:
Schrift warmgrau auf warmgrauschwarzem Grunde,
mit weißblauen Herzen, die Putti farbig auf
schwarzem Grund (Abb. S. ^29).

Der Bund deutscher Dekorationsmaler begleitete
die Berechtigung einer umfänglichen Ausstellung
von Mustern für Schablonentechnik für seine
wanderschauftellung mit ein paar triftigen Worten:
„wenn wir unserer Ausstellung eine Abteilung
von Mustern für Wandbemalungen und Schablo-
nierungen angegliedert haben, so geschah es aus
der Erwägung, auch diesen Erfordernissen moderner
Wandbemalungen in Fragen zeitgemäßer Raum-
ausstattung nach Möglichkeit gerecht zu werden.
Das Recht, die Tapete durch farbige Behandlung zu
ersetzen, ist ein altes geschichtliches Vorrecht der
Dekorationsmalerei."

vor Jahren überzeugte ich mich durch sorgfältige
Betrachtung alter romanischer Wandmalereien von
einer überraschend weitgehenden Anwendung der
heute so grundlos mißachteten Schablone. Lin
Schlagwort mit verächtlichem Beiklang lautet:
„nach der Schablone", „schablonenmäßig". Daran
ist indes nicht die Technik des Schablonierens
schuld, sondern allein das handwerklich verelendete
und verkommene der Technik und noch mehr die
verindustrialisierte, maschinenmäßig erzeugte, ge-
schmacksrohe Herstellung von Schablonen durch
schematisierende Werkzeuge. Man mißachtet das
„Schablonenmäßige" solcher Erzeugnisse mit Recht,
aber die Technik ist es nicht, die zu schelten wäre,
nur das grobe Ungeschick, mit ihr umzugehen, die
könnerische Unzulänglichkeit ist ein Beweis, wie
tief eine an sich künstlerischen Zwecken sich trefflich
fügende Technik bis zum Sprichwortgebrauch mit
mißächtlichem Beiklang herabsinken kann.

Daß die Schablonenfälschungen der japanischen
Färbeschablonen heute sogar Sammlerwert haben,
braucht wohl nur in Erinnerung gebracht werden.

Die japanische Schablonierkunst kennt verschiedene
Hilfsmittel außer stilistischen feinsten Finessen, um
denLharakter des Schablonierten fast völlig vergessen
zu machen. Der Laie erkennt schablonierte Muster
nicht als solche und oft nicht nur der Laie. Er hält
sie für Druckerzeugnisse des geschnittenen Holzstockes.
So bemerkte ich erst die unzweifelhafte und weit-
gehende Anwendung der Schablone auf prächtigen,
völlig handflüssig aussehenden, alten romanischen
Wandmalereien an der Beschaffenheit der Farb-
begrenzungsränder. Ein leichtes, am Rand sich
höhendes verdicken der Farbe an den Schablonen-
grenzen, das durch kräftigeres Ausstreichen des
farbhaltigen Pinsels entsteht, war eines der Zeichen,
ein anderes das hinausfließen und leichte Ver-
drücktwerden dünnerflüssiger oder auch dicker Farbe.
Zuletzt aber auch das gleichmäßig sich wiederholende,
durch nicht völlig genaues Auflegen der „Paß-
stellen" entstandene Ungleiche weißer Konturen,
die als Reste der Grundfarbe stehen geblieben
waren. Als ich diese Wahrnehmungen machte,
besaß ich aus der Literatur keine Kenntnis einer
Anwendung der Schablone in der romanischen
Periode und wollte zuerst kaum der ersten Auf-
fassung Glauben billigen, denn der Eindruck der
flüssigen Handschrift, das Eilfertige, Abwechslungs-
reiche, die vielen „Zufälligkeiten" und Abweichungen
der gleichen Formen, in großen Laibungen besonders,
wehrten anfangs die Annahme der Beobachtung ab.
Genauerer Untersuchung löste sich alles. Es zeigte
sich, daß nicht nur Grundschablone mit ihren
weiteren Hilfsteilen von Schablonen immer wieder
aufeinander folgte. In größeren Abständen erst
nach drei-, ja viermaliger Wiederholung folgten sich
die Reihen. Ls war mit äußerster Feinfühligkeit
ein reihenweises hintereinander ein und derselben
Schablonen vermieden worden. Es war bei völliger
Gleichheit der ornamentalen Grundform nicht
eine Schablone, sondern mehrere, jede einzelne
mit den verschiedensten Abweichungen im beson-
deren, bei voller Gleichheit des Motives. Schablo-
nierkunst also, die es mit Feingefühl vermeiden ge-
lernt hatte, gleichmäßig, „schablonenmäßig", zu
wirken. Schabloniertechnik, die aus-
sah wie „flüssigste Han d", aber doch
nichthand malerei zu imitieren un-
ternahm. Und das ist das Entschei-
dende! Genaueres Eindringen in romanische
ornamentale Dekorationsmotive machte es gewiß,
daß Schabloniertes nicht aussehen wollte wie Hand-
arbeit. Die Technik war ohne jede Ab-
sicht auf Vortäuschung der Hand-
malerei angewendet worden! Das

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