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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Steinlein, Stephan: Über neuere Dekorationsmalerei: Anton Kiesgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0139

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zeigte auf das deutlichste das Fehlen von Konturen,
außer anderen stilistischen, sicheren Merkmalen.
Man erinnere sich des öden, mechanisch trostlosen
Eindruckes, den die unkünstlerische Anwendung der
Schablone in nicht nur durchschnittlichen Kirchen-
ausmalungen von heute macht.

Ls ist also nicht die völlig zu Unrecht gelästerte
Technik, es ist nichts als das totale Unvermögen
des handwerklich mrd künstlerisch Untüchtigen,
unter dessen pänden die Schablone zum ästhetischen
Greuel zur Unerträglichkeit entartet ist. In der
letzten Verelendung gilt der „Steg" zwischen einzel-
nen Formteilen, ein wie man sagen hört, technisch
unumgehbares Übel, oder eine langweilig trennende
geometriesierende Art, das Merkmal der Schablone.
Aber es ist nur ein Beweis des künstlerischen Un-
vermögens und kein Merkmal. Man betrachte
das schablonierte Muster Abb. S. ^31,, A. Ls sind
drei Schablonen, drei „Schläge". Der in der Auto-
typie dunkle Grund ist einfarbiger brauner An-
strich. In einem kalten und warmen Grün stehen
daraus die Früchte in zwei Schlägen. Der letzte
Schlag, mit dem zugleich die Lichter auf den
Trauben und Früchten schabloniert wurden, ist ein
hellwarmes Grau. Die Wirkung der wenigen Farben
ist vortrefflich, vom Merkmal eines „Steges" ist
nichts zu sehen, was als Kontur wirkt, ist — Grund !
Unkünstlerische Behandlung der Schablone wählt
allerdings immer den weg vom Roßschwanz zum
Kopf, von der „Zeichnung" der „Kontur" zur Farbe.
Daraus entsteht das Gequälte, technisch einfach nicht
Gekonnte. Nochmal, nicht die Technik birgt den
Kern der Stümperei in sich. Die deutsche Sprache
bleibt, was sie ist, auch wenn sie ein Rastelbinder
aus der Bucharei mißhandelt.

Zum Schablonenmuster Abb. S. \30, B. Auch hier
ist keine „Malerei", keine pandschrift des Pinsels,
auch hier Schablone unverkennbar, aber ebenfalls
kein „Merkmal" der Technik im rohen Sinne.
Auch hier ist der Grund dunkel gestrichen. Die

Glockenblüten stehen in zwei Schlägen, hellblau
auf Dunkelblau, die Blumen auf Dunkelviolett,
pellviolett; grünes Blattwerk und Heller Grund
tun den Rest der Wirkung, die vorzüglich ist. Sechs
Schläge gehören zu diesem wandmuster, von dem
ich in der Werkstatt Kiesgens auch noch andere
reizvolle Farbabwandlungen sah.

Auch bei dem wandmuster mit Stabwerk (Abb.
S. ;3;, B) ist aus dem Grund aufschabloniert; reicher
in den Schlägen als die beiden vorhergehenden
Muster, sind acht Schablonen für die Wirkung des
Ganzen nötig. Bei den Blumen wechselt auf Dunkel-
blau pellblau mit Dunkelrot und pellrot, Dunkelgelb
und pellgelb mit Grün; mit dem letzten Schlag, dem
Hellen Grund, tritt aus dem glatten Strichton das
Stabwerk hervor. Die Anwendungsmöglichkeit der
Schablonenmalerei auf Stoffen bedarf hier wohl nur
der Erwähnung, und ebenso die große Variabilität
der Stimmung der Farben im ganzen und unterein-
ander. Die Schablone aus künstlerischer pand ist
teueren und nur selten schönen Tapeten kein geringer
Rivale. Ls ist nur zu fürchten, daß die Technik
„Mode" wird und damit ein mißhandeltes, an sich
treffliches Instrument in den pänden Unberufener.
Anton Kiesgens liebenswürdige Erzeugnisse der
Kleinkunst, seine dekorativen Bilder, Scheiben, Zier-
scheiben, bemalte Schachteln, kleine Keramiken und
Porzellane sind in engeren Münchener Kreisen nicht
unbekannt. Dafür versagte sich ihnen der Erfolg
ins Breite. Kiesgen hielt ein Jahr lang einen
Laden mit diesen Arbeiten seiner Werkstatt, am
platzl, in der unmittelbarsten pofbräuhausnähe.
Er schloß ihn ohne Gewinn. Ls ist eine Doktor-
frage, ob er zu nah oder zu weit sich vom pofbräu
etabliert hatte.

Seinen weg wird Kiesgen zu finden wissen, dem
Tätigen bleibt die Welt nicht stumm. Er und
seinesgleichen sind Kräfte, die dem pandwerk ver-
lorene Tüchtigkeit zurückerobern und vielleicht sogar
Tradition schaffen helfen.

l?einz Reuue,
Hannover

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