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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0172

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Sericht über Sie Veranstaltungen öes Runft>
gewerbevereins vom 3. Februar bis einschl.
3. März 1914

Dienstag, den Z. Februar, sprach fferr Professor
Dr. Freiherr v. Bissing vor einenr sehr zahlreich erschienenen
Auditorium über „Altinesopotainische Plastik". Die erst vor
Jahren bekannt gewordenen Plastiken erregten berechtigtes
Aufsehen, wir haben es, wie durch fferrn Prof. Freiherrn
v. Bissing durch vergleich mit assyrischen und ägyptischen Bild-
werken gezeigt wurde, bereits mit einer sehr entwickelten
interessanten Plastik zu tun. Die inhaltsreichen Ausführungen
des Vortragenden, sowie seine Vorführungen mesopotamischer
Plastik in Lichtbildern fanden reichen Beifall.

Der lv. Februar brachte einen Vortrag des im Kunst-
gewerbe-verein schon bekannten Schiffsoffiziers fferrn Kränzlin
vom Norddeutschen Lloyd. Das Thema seines diesmaligen
Vortrags lautete: „Nach dem sonnigen Algerien". Der Redner
sprach Zunächst von dem Aufschwung, welchen der Verkehr
nach den Gestaden des Mittelmeeres bei allen Nationen er-
fahren hat, und daß neuerdings auch die Deutschen ein sehr
lebhaftes Interesse für diese Fahrten zeigen. Lin kurzer ge-
schichtlicher Überblick über die Entwicklung Algiers und die
schweren Kämpfe, die es seit den Zeiten der Römerherrschaft zu
bestehen hatte, vervollständigten die Einführung in dieses hoch-
interessante Land. Unterstützt von ausgezeichneten Licht-
bildern, die der Norddeutsche Lloyd durch seine hiesige Ver-
tretung hatte stellen lassen, schilderte der Vortragende dann die
Fahrt auf dem Reichspostdampfer „Prinz Ludwig" des Nord-
deutschen Lloyd von Bremen nach Algier. Er führte die Stadt
Algier im Bilde, dann die weitere Fahrt nach Bougie, Lon-
stantine, Blidah und Biskra, sowie auch nach Dran und Timgad
vor. Die Vorführung und Besprechung der Rückreise ließ die
Zuschauer auch die vorzüglichen Sicherheitsvorkehrungen und
die ebenso behaglichen wie eleganten Einrichtungen eines
Dampfers kennen lernen. Der Reiselustige erfuhr auch gleich,
was eine solche Seefahrt kostet, nämlich bei voller Verpflegung
während der elftägigen Reise 270 M. in der ersten Klasse.
Die interessanten Ausführungen des Redners wurden sehr
beifällig ausgenommen. (Nach Bericht N. N.)

Sonntag,der (S. Februar, vereinigte zahlreiche Mit-
glieder des Kunstgewerbevereins zu einem seiner bekannten
gemütlichen Karnevalsfeste. Die stark programmatisch-
ästhetische Neigung unserer Zeit klang auch in der Ein-
ladung zum „ffausball" durch. „NB. Um unsere Sache auf
eine kulturelle Tualitätsstufe zu erheben, werden wir ein
Podium errichten, anf dem die schönsten Masken einer Kostüm-
schau unterzogen werden. Ls soll dabei weniger die Zweckform
als der ästhetische Kostümgedanke in handlich kunstgewerblicher
Ausführung in die Erscheinung treten, und zwar auf obigem
Podium. Die diesem Gesichtspunkte am besten entsprechenden
Maskenprodukte werden durch Stöße aus der Trompete und
Preise ausgezeichnet." „Da wo das Schöne mit dem Zarten
— heißt es dann geheimnisvoll —, da hat es einen guten Klang."
volle Gewähr für eine allseitig befriedigende Durchführung
bot die Regie des fferrn ffofgoldschmiedes Th. ffeiden, der das
Programm aufgestellt und viele hübsche Bilder dazu ersonnen
hatte. Allerhand zwanglos Unvorhergesehenes und vom Zufall
und lustiger Laune Eingegebenes brachte fortwährende Be-
wegung und ein flottes Tempo in die Veranstaltung, die ihren
Vorgängerinnen in nichts nachstand. Die Presse wußte darüber

zu berichten: „Kunstmaler wenig war zu den Architekten über-
gegangen und hatte einen modernen Kunfttempcl aufgebaut,
auf dessen Giebel Figuren angebracht waren, die nach Wunsch
der Abnahmejury sofort in andere Stellungen gemodelt wurden,
und zwar ohne Kosten auf einen Wink, da sie ja lebendig waren.
Die Pforte des Kunsttempels war mit vielerlei Vorhängen ver-
sehen, die, von Brandes und Förster futuristisch bemalt, Vor-
gänge ahnen ließen von Liebe, ffnnger, Seele, Rache, Laune,
alles kaleidoskopisch gewürfelt. Die leitende Idee der improvi-
sierten Vorstellungen war, der von den Kinos den Theatern
drohenden Gefahr zu begegnen. Da das Kino innerhalb drei
Tagen alle Vorgänge bringt, galt es, innerhalb drei Minuten
alles zu verdichten und zu vertonen. Statt Filmzanbcr kam ein
ffeidnischer Zauberer, der mit improvisierten Versen die An-
wesenden durch den ffenker vor den Beobachtungsschalter
schleppen ließ; nach kurzem Rasseln der Schreibmaschine setzte
die spontan komponierte Musik ein, der Vorhang grollte und rollte,
die Texte schlüpften aus dem Zaubermunde und die Akteure
hüpften auf die Bühne. Da gab's lebende und Tanzbilder.
Fräulein Pinggera ließ sich als Traumtänzerin sehen und
fferr ffeilmeyer als Spiritist und ffypnotiseur. von verschiedenen
humoristischen Gruppen auf der Bühne kamen besonders gut
zur Wirkung die lustigen Weiber, die mit einem köstlichen
Falstaff (Gedon) ihren Scherz trieben. Auch eine Feuerwehr
mit einem gotischen Florian, einer sehr ergötzlichen Figur
(Bildhauer Klein), rückte aus, konnte aber die lodernde Fa-
schingslust nicht dämpfen, denn es war so vergnügt in dem ver-
trauten und deshalb um so lustigeren Zirkel, daß vor dem
Beginn des grauen Alltags niemand ans Beimgehen dachte.

Am (7. Februar konnten wir fferrn Prof. Goldbacher ans
Steyer hier begrüßen, fferr Prof. Goldbacher wirkt seit Jahren
in der österreichischen ffeimatschutzbewegung und erscheint
als wanderredner in befreundeten Vereinen, um in begeisterten
Worten und in unübertrefflich anschaulichen Lichtbildern
(hergestellt durch ff. Ernst Türböck in Linz) die Schönheiten
seiner engeren ffeimat, vor allem des herrlichen „Alt-Steyer",
das österreichische Rothenburg, wie er es nannte, zu verkünden.
Sein Vortrag erhielt noch besondere Intimität und poetischen
Reiz durch geschickt eingestreute eigene Poesien, die steyerische
Geschichte und ffeimatknnst feiern.

Der Abend des z. März sah einen beliebten Redner am
vortragspult, fferr Professor Or. ffalm teilte uns seine
interessanten Forschungsergebnisse im Gebiete bayerischer und
Salzburger Marmorplastik des späten Mittelalters mit. was
er da an bayerischer und Salzburger sepulkraler Plastik in der
alten fferzogstadt Straubing aufgedeckt und der Vergessenheit
entrissen hat, war überraschend neu und eigenartig. Das
prachtvolle lebenswahre und von einem ffauch großartiger
Idealität umwehte Bildnis des in der Geschichte seiner Vater-
stadt bedeutsamen Bürgermeisters Ulrich Kastenmaier, wird
sich dem Gedächtnis ebenso einprägen, wie das bekannte
Porträt des Giovanni Arnolfini von Jan van Eyk. Der Vor-
tragende knüpfte an seine fesselnden Ausführungen einen
warmherzigen Appell an die Liebe für die Kunstschöpfnngen
und Schönheiten unseres engeren Vaterlandes.

Vereinsnachrichten

24. März: Abschiedsfeier für fferrn Professor I. Bradl.
3(. März: Besprechung von vereinsangelegenheiteu.

2\. April: Grdentliche Generalversammlung.

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verantw. Redakteur (ausgenommen AnzeigeteiY- Alexander Heilmeyer. — herausgegeben uom Bayer. Annstgewerbevcrein. — Druck und Verlag

von R. Oldenbonrg, München.
 
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