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— 296 —

mäßige chronologische «Her«. Jeder von den kleinen Staa-
ten dieses berühmten Landes bezeichnete seine Jahre nach
dem Namen des ersten Archonten mit dem Beisatze: Epo-
nvmos. Der Cpclus nach Generationen, der von Hero-
dot angewandt wurde, aber seiner Natur nach wesentliche
Unvollkommenheiten an sich trägt, ward von den übrigen
Geschichtschreibern Griechenlands nicht allgemein angenom-
men. Des Gold - oder Mond - Cpclus des Meton von
Athen bedienten sich nur die Astronomen. Die Zeitrech-
nung nach Olympiaden dagegen nahm nach dem Vorschläge
des Geschichtschreibers Timäus von Sicilien mit dem I.
776 v. Chr. Geb. ihren Anfang. Denn von jener Zeit
schreibt sich die Sitte her, die Bildsäulen der Sieger, de-
ren Reihenfolge zur chronologischen Bestimmung der Spiele
diente, in der Rennbahn zu Olympia aufzustellen, und man
weiß, daß die Statue des Athleten Koräbus den Anfangs-
punkt dieser Aera bildete, die von allen nach Timäus fol-
genden Geschichtschreibern beibehalten wurde. Es braucht
nach diesen Bemerkungen kaum mehr gesagt zu werden,
daß die auf dem zu Monte-Video gefundenen Grabstein
befindliche Inschrift nicht von einem Zeitgenossen Alexan-
ders des Großen herrühren kann. Wahrscheinlich liegt ein
Uebersetzungsfehler der Inschrift zu Grunde.

Bekanntlich sind seit einigen Jahren auch in Palenka
in Meriko merkwürdige Bildhauerarbeiten und Hierogly-
phen aufgefunden worden, welche vermnthen lassen, daß
einst eine ägyptische Colonie auf dieses unermeßliche Vest-
land kam, so wie die Entdeckung in Monte-Video auf die
Ankunft einer griechischen Colonie an einem ganz andern
Punkte des nämlichen Vestlands schließen laßt.

Das Dunkel, das immer über Meriko schwebte, fing
erst mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts an, etwas
gelichtet zu werden. Die erste Untersuchung wurde auf
Kosten der spanischen Regierung im Jahre 1787 unter-
nommen. Aber die Nachrichten, die durch sie auf uns
hätten kommen können, liegen in den Archiven von Me-
riko vergraben, und Europa hat nie von ihnen reden hö-
ren. Ein zweites Unternehmen der Art fällt in die Jahre
1805 — 1807; aber die Zeichnungen und ganz in's Ein-
zelne gehende Nachrichten, die wir diesem verdanken könn-
ten, hatten das nämliche Schicksal, so sorgfältig und au-
thentisch sie auch waren; und es scheint wahrhaftig, als
hätten diese verödeten und gleich wüsten Gräbern in den
Abgründ gesunkenen Städte es nicht sehen sollen, daß
auch nur ihr Name eines Tages aus seiner Vergessenheit
hervorgehoben würde.

Ein eifriger und kenntnißreicher Franzose, der jene
Gegenden besuchte, ward mit Bewilligung der mexikani-
schen Regierung Eigenthümer der Zeichnungen und Ma-
nuscripte der Expedition von 1807, damit auch Europa
einmal erfahren sollte, daß Amerika, diese für uns neue
Welt, ehemals auch von eben so alten, und vielleicht noch

altern Bewohnern bevölkert war, als die Egpptier und
Inder von Bewohnern, die in Wissenschaften und Kün-
sten eben so große Fortschritte gemacht hatten, als diese.
Hr. Baradöre kam im vorigen Jahre mit seinen kost-
baren Dokumenten nach Frankreich zurück, und beschäftigte
damit dort das Institut, die geographische Gesellschaft
und die der französischen Alterthumsforscher. Berichte
darüber haben sich im Inland und Ausland verbreitet,*)
und die gelehrte Welt erwartet mit Ungeduld feine Mit-
theilungen über die Alterthümer von Palenka und Mitla.
Die vollständige Ergänzung der im Besitze des Hrn. Ba-
rädere befindlichen Dokumente ist ihm erst vor Kurzem aus
Meriko zugekommen, und es läßt sich hoffen, daß eine
schleunige Bekanntmachung derselben sie zur Kenntniß der
Gelehrten bringen werde, die über ihren Werth zu ur-
theilen fähig sind. Welche Menge interessanter Fragen
wird nicht eine solche Bekanntmachung lösen sollen? Ein
Theil des ehemals durch civilisirte Völker bewohnten Ame-
rika, deren Gedächtniß schon bei den folgenden Nationen
erloschen war, die selbst in Begriff standen, der Civilisa-
tion naher zu kommen, als Christoph Columbus sie ent-
deckte, Städte von mehreren Meilen in der Ausdehnung,
deren vorzüglichste Denkmäler, fest, wie die egpptischen,
und nicht weniger reich in ihrer Anordnung und ihren
Verzierungen, man noch jetzt stehen sieht; Statuen und
andere Bildhauerarbeiten in Granit; kolossale Basreliefs,
in Stuck mit einer Feinheit und Einfachheit ausgeführt,
daß sie sich dem cgyptifchen Style nähern; die Hierogly-
phen endlich, die innen oder aussen in die Denkmäler ein-
gegraben sind; dieß sind die Monumente, aus denen wir
erkennen können, was jene nun verschwundenen Völker
einst waren. Wir beschränken uns, hier nur zweier Bas-
reliefs zu erwähnen, die unter vielen andern ein Gebäude
zu Palenka schmücken, dessen Vorderseite nicht weniger als
500 Fuß Länge hat. Die Originalzeichnung dieser beiden
Basreliefs ist von Castanneda in großartigen Verhältnis-
sen ansgeführt. Die Personen, welche sie vorstellen, sind
mehr als 6 Fuß hoch und die Feinheit der Arbeit ist an
ihnen höchst bemerkenswerth, ohne daß man deßhalb
in ihnen die Kunst eines antiken Volkes und jene Ue-
berlegenheit in den Arbeiten ber griechischen Bildhau-
er suchen darf; wohl aber ist in ihnen jene Einfachheit
der Linien, jene Naivetät der Stellung sichtbar, welche
eine aus dem Schoße der Kindheit oder der Barbarei her-
vorgegangene, aber noch nicht zu dem höchsten^ Punkte ih-
res Ruhmes gelangte Kunst charakterisiren.

Das zu erwartende Werk des Hrn. Baradöre wird
aus j5o Platten und dem Originaltexte der Expedition
von 1807 bestehen, wozu noch die Arbeiten einiger über
diesen Gegenstand vorzüglich unterrichteter berühmter Ge-
lehrten kommen sollen.

*) Siehe Kunstblatt I8ry, Nro. 79 und 80.
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