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Nr. 61

K u n st - B l a t t.

Montag, den Zl. Juli 1326,

Fragmente einer Reise in Oberitalien im Jahr 1822.

Aus den Tagebüchern eines Strebenden.

(Fortsetzung.)

loten September.

Heute ging es denn nach S. Celso. Es ist eine
ganze Kunstwelt da beysammen, und wir bildeten uns
schon was rechtes ein, als wir das Alles gesehen
hatten. Nack der Straße zu ist Tempel und Vorhof
ganz einfach abgeschlossen. Drey Thüren führen in die-
sen, von drey Seiten mit Arkaden umgebenen Vorhvf.
Leichte, anmuthige Bogen schweben gleichsam auf corinthi-
sch-n Säulchen. Die Kreuzgewölbe sind mit zarten Le-
sincn geziert. Es ist ein Werk Sicilianv's. DieHaupt-
fa?ade der Kirche selbst aber, bis an das erste Gesims,
ist von Bramantino dem Lehrmeister Bramante's. Ueber
den Seitcnthüren sind prächtige Fcstons ans Bronze.
Das Uebrige der Fa>?ade ist von Gabazzo Alessi. Tauf-
stein und Brunnen im Hofe sind verwunderlich schon.
So ist man hinreichend angeregt und vorbereitet das In-
nere zu genießen. Das mit superben Rosetten gezierte
Hauptgewölbe der Navata ruht auf Pfeilern von dem
schönsten Verhältnisse, an welche sich halbrunde Säulen
und sanft hcrvortretende kleinere Pilaster auf das An-
muthigste anschließen. Die Seitengänge laufen ganz um
das Schiff, und Schritt für Schritt entfalten sich die
trefflichsten perfpectivischen Scenen. Es ist das Alles au-
ßerordentlich ernst, edel, gediegen, und doch dem Style
eine gewisse Leichtigkeit und Eleganz eingehaucht, die ihn
sehr befreundlichet. Der Bauküustler hat sich den Geist
>der classischen Banformen des Altertbums angecignet,
aber die Monotonie in ihrer Zusammenstellung vermie-
den. Möchte doch Jemand — diesen Wunsch fühle ich
schon jezt so lebhaft — uns Nachweisen, wie die Archi-
tekten jener goldenen Zeit zu dem gekommen sind, was
sie geleistet haben. Classifches und Romantisches dnrch-
bringt sich in ihren Werken zu einem so wunderschönen
Ganzen, dessen Genuß um so gediegener ist, je mehr man

gewahr wird, daß das Alles, was sich als ein lebendiges
Produkt künstlerischer Frepheit und Begeisterung ankün-
digt, doch zugleich durch historisch überlieferte Formen
der alten Basiliken, und die Zwecke des Kirchendicnstes,
schon fast unabweislich an die Hand gegeben, und gleich-
sam durch die Nvthwendigkeit motivirt war. Wahrlich
diese Künstler zeigen sich eben so groß durch eine weife
Enthaltsamkeit und'praktischen Sinn, als durch reiche
Erfindungsgabe und kühne Ideen. Sie dienten dem
Volke, sie wollten sich selbst in seine Launen schicken;
aber sie wußten es dabey über sich selbst zu erheben; und
indem sie nur Gefordertes zu geben schienen, wurden sie
durch den Geist und Sinn, in welchem sie das Geforderte
leisteten, eigentlich zu Erziehern des Volkes.

Von Fresken und Oelgemälden ist des Bedeutenden
gar Manches in dieser Kirche anzutrcffen. Von Nuvoloni
siebt man noch alte Wandgemälde. Ferner Fresken von
Callisto, Procaccini, Cerani, Campi, Gherardini, Fia-
menghini. Jene des Cerani sind kühn scurzirt, trefflich
colvrirt, und zeigen schöne, breite Gewandmasscn. Da-
gegen sind die Werke des Campi etwaö plump und
bizarr. Aber Gherardini hat wieder viel Schwung in der
Bewegung und ein gutes Colorit. Von Gaudenzio Fer-
rari ist eine Taufe Christi zu sehen mit hübschen Köpfen,
aber ohne rechten Aufschwung der Gedanken. Alle Auf-
merksamkeit verdient ein prächtiges Altarbild von Paris
Bordone mit ein Paar Propheten in Fresko. Eben so
ein Bild von Vorgognino. Auch von Pamfilo ist ein
Werk zur Schau. Und so ist denn aus verschiedenen
Zeiten und Schulen Lehrreiches und Erfreuliches hier
unter einem Dacbe beysammen. Und gerade weil das
Alles ein großes Ganzes bildet, und Alles so seine rechte
Stelle und Bedeutung hat; Alles nur zum Dienste und
Schmucke da — und doch wieder um seines innern Ge-
haltes, und als Werk eines gediegenen und glücklichen
geistigen Strebens schätzbar und merkwürdig ist, so ist
der Eindruck, den man mit sich hinwegnimmt, ein so er-
hebender, bildender, ja begeisternder. —
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